Von der Leyens Schuss geht vorbei
Scharf geschossen, Ziel verfehlt: Mit ihren Ankündigungen, nach dem Bundeswehr-Skandal in Pfullendorf harte Konsequenzen zu ziehen, den Beteiligten die Rote Karte zu zeigen, hart durchzugreifen und ebenso hart aufzuklären, hat Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hohe Erwartungen an ihre Durchsetzungsfähigkeit geweckt. Sie hat ihre Mitarbeiter in Pfullendorf „für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur“verantwortlich gemacht.
Passiert ist: fast nichts. Ein paar Versetzungen, Beobachter sprechen von „Bauernopfern“. Dazu sieben Entlassungen einfacher Soldaten. Der Kommandeur des Zentrums „Spezielle Operationen“aber, der die Verantwortung für alles trägt, was in der Kaserne geschieht, geht seiner Arbeit nach, als wäre nichts passiert.
Selbstverständlich gilt auch für Oberst Thomas Schmidt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung. Daher ist seine Reaktion verständlich, seine Amtsgeschäfte pflichtgemäß wahrzunehmen. Und man kann auch verstehen, dass er am letzten Tag in Pfullendorf seine Sicht auf den Skandal präsentieren will.
Von der Leyen aber muss sich fragen lassen, warum sie der Öffentlichkeit erzählt, sie habe die Führung in Pfullendorf bereits ausgetauscht. Warum lässt sie die Bürger glauben, der Neuanfang an der Spitze sei bereits eingeleitet? Warum prescht sie vor, ohne sich abzusichern? Warum kann sie nicht einmal einen Oberst aus dem Verkehr ziehen, um Handlungsfähigkeit zu beweisen?
Es war richtig, dass die Bundeswehr über den Pfullendorf-Skandal frühzeitig informiert hat, selbst wenn bis heute nicht alle Ermittlungsergebnisse vorliegen. Nicht richtig ist es, dass Ressortchefin von der Leyen als Ankündigungsministerin fungiert. Nicht nur im Pfullendorfer Skandal und den nicht eingelösten Konsequenzen, auch bei allen wichtigen Rüstungsprojekten oder beim Personal klaffen Anspruch und Wirklichkeit erschreckend auseinander. Diese Diskrepanz dürfte auch bei den Bündnispartnern in der Nato auffallen, die gerade jetzt auf einen verlässlichen Partner setzen.