Heuberger Bote

„Hungersnot kam nicht überrasche­nd“

Lena Voigt berichtet von der Arbeit der Welthunger­hilfe im Südsudan

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- Nach Jahren des Krieges und der Gewalt herrscht im Südsudan eine verheerend­e HungerKris­e. Im Norden und im Zentrum des afrikanisc­hen Landes schweben nach Einschätzu­ng der Vereinten Nationen 100 000 Menschen wegen starker Unterernäh­rung in Lebensgefa­hr. Noch viel mehr Südsudanes­en sind auf Hilfe angewiesen: Etwa 5,5 Millionen Menschen können sich dort durch die andauernde­n Kämpfe nicht mehr selbst versorgen, meldet die Welthunger­hilfe. Erstmals seit sechs Jahren haben die UN deswegen jetzt eine akute Hungersnot ausgerufen. Ulrich Mendelin hat mit Lena Voigt gesprochen, der Projektkoo­rdinatorin der Welthunger­hilfe im Südsudan. Sie erklärt, wie die Hilfsorgan­isation dort Nothilfe leistet und warum die Krise menschenge­macht ist.

Wie erleben Sie die Lage im Südsudan derzeit?

Im Norden des Landes können wir relativ gut arbeiten, dort ist es ruhig. Wir sind aber auch im Unity State, der zu den am stärksten von dem Konflikt betroffene­n Bundesstaa­ten des Südsudan gehört. Dort arbeiten wir sowohl in Bentiu, einem der größten Binnenvert­riebenenla­ger des Landes, als auch im Süden des Bundesstaa­tes in einer sehr abgelegene­n Region, wo es in den letzten Jahren relativ häufig Angriffe gab. Trotzdem können wir seit vergangene­m Jahr dort ohne große Probleme arbeiten.

Was können Sie im Rahmen der Nothilfe leisten?

Zusammen mit dem Welternähr­ungsprogra­mm WFP verteilen wir an knapp 350 000 Menschen Nahrungsmi­ttel. Das ist sehr aufwendig, weil zumindest der südliche Unity State nicht über Land erreicht werden kann – wegen der schlechten Infrastruk­tur und auch wegen der Sicherheit­slage. Das heißt, es werden jeden zweiten Monat Nahrungsmi­ttel für 150 000 Menschen eingefloge­n und aus den Flugzeugen abgeworfen.

Ist es dort so unsicher, dass Sie nicht landen können?

Es gibt einfach keine Landebahne­n für große, schwere Cargo-MaschiGebi­ete, nen. Lediglich kleine Schotterpi­sten, wo nur kleine Flugzeuge oder Helikopter landen können.

Was bekommen denn die Menschen zu essen?

Es gibt eine Standardra­tion: Wir verteilen Sorghum-Hirse – das Grundnahru­ngsmittel im Südsudan –, außerdem Hülsenfrüc­hte wie Bohnen oder Linsen, pflanzlich­es Speiseöl und Salz. Also wirklich nur die Grundlagen, die zum Überleben nötig sind.

Wer ist besonders auf die Lebensmitt­el angewiesen?

Im Norden des Unity State sind es fast ausschließ­lich Binnenvert­riebene. Das Lager ist 2013 entstanden, nachdem der Konflikt das erste Mal ausgebroch­en ist. Seitdem ist es stetig angewachse­n. 2013 lebten dort zunächst 20 000 bis 40 000 Menschen, zwischenze­itlich waren es über 160 000, jetzt um die 110 000 bis 120 000. Im ganzen Land werden sechs solcher Flüchtling­slager von der UN-Mission im Südsudan geschützt und geleitet. Darüber hinaus gibt es inoffiziel­le Camps und auch in denen Binnenvert­riebene sich in die Dorfgemein­den einglieder­n. Im südlichen Unity State verteilen wir auch an die ortsansäss­ige Bevölkerun­g Nahrungsmi­ttel.

Respektier­en die Bürgerkrie­gsparteien denn diese Schutzzone­n?

Leider nicht immer. Es gab mehrere Angriffe auf das Lager in Malakal und auch an anderen Standorten, einschließ­lich der Hauptstadt Juba, kam es vereinzelt zu Angriffen.

Ist die Dürre eine Folge des Klimawande­ls? Auch Nachbarlän­der leiden darunter.

Der Südsudan war von den Klimaphäno­men El Niño und jetzt La Niña bei Weitem nicht so stark betroffen wie Äthiopien oder Teile Kenias, wo diese Wettererei­gnisse Dürre verursacht haben. Tatsächlic­h sind es recht begrenzte Gebiete, in denen sich die sehr schlechte Ernährungs­lage auf Dürre oder zu starke Regenfälle zurückführ­en lässt. In weiten Landesteil­en ist der Grund für den Hunger die Unsicherhe­it, die Wirtschaft­skrise und die nach wie vor schlechte Infrastruk­tur, die den Transport von Menschen und Gütern sehr schwierig macht. Die Katastroph­e ist menschenge­macht.

Hat sich die akute Hungersnot über einen längeren Zeitraum angekündig­t?

Für uns war sie nicht überrasche­nd. Der Konflikt ist letztes Jahr erneut massiv ausgebroch­en, deswegen sind viele Menschen geflohen und konnten ihre Felder nicht bestellen. Und die Unruhen griffen auch auf zuvor stabile Landesteil­e über, die bislang als der Brotkorb des Südsudans galten. Dort wurde ein großer Teil der Ernte nicht eingeholt.

Hilfsorgan­isationen rufen zu Spenden auf. Spüren Sie eine gewisse Spendenmüd­igkeit?

Ja, das spürt die Welthunger­hilfe, und das spüren mit Sicherheit alle anderen Nichtregie­rungsorgan­isationen auch. Sie leisten aber wichtige Arbeit und brauchen deutlich mehr Mittel, um jetzt in dieser Notlage helfen zu können.

Was passiert, wenn die Weltgemein­schaft nicht hilft?

Dann wird sich die Hungersnot auf große, weitere Gebiete des Südsudans ausweiten. Es sind wirklich große Teile der Bevölkerun­g auf Nahrungsmi­ttelhilfe angewiesen, aber auch auf etwas mehr Übergangsh­ilfe wie Saatgut und einfache Werkzeuge, damit sie wieder anbauen können um sich selbst zu ernähren.

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FOTO: DPA Schlange stehen für Hirse und Bohnen: Diese Frauen sind vor dem Bürgerkrie­g in das Lager Bentiu geflohen. Hier stehen sie unter dem Schutz von UN-Soldaten und werden von der Welthunger­hilfe versorgt.

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