Heuberger Bote

Bislang hat sich in Pfullendor­f wenig verändert

Nach den skandalöse­n Vorgängen hatte von der Leyen Konsequenz­en versproche­n – Kommandeur ist noch tätig

- Von Ludger Möllers

- Kopfschütt­eln, Irritation­en, Fragen: Dass Oberst Thomas Schmidt, der Kommandeur des Bundeswehr-Ausbildung­szentrums „Spezielle Operatione­n“in Pfullendor­f immer noch sein Amt ausübt, zu einer Pressekonf­erenz einlädt, um seine Sicht auf die skandalöse­n Vorgänge zu präsentier­en, löst am Dienstag im politische­n Berlin großes Erstaunen über die Bundeswehr­Bürokratie aus: „Ich bin höchst irritiert“, sagt Agnieszka Brugger, die verteidigu­ngspolitis­che Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag und Abgeordnet­e aus Ravensburg.

Auch der Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s, Hans-Peter Bartels (SPD), wundert sich über das Vorgehen. Hatte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen (CDU) doch seit Bekanntwer­den der Vorgänge in der Pfullendor­fer Kaserne vor vier Wochen immer wieder starke Worte gewählt, Verantwort­liche benannt und versichert: „Deshalb haben wir die gesamte Führung ausgetausc­ht, und der Standort braucht einen Neuanfang.“Davon ist bis heute wenig zu spüren.

Rückblende. Am Freitag, 27. Januar, gibt die Bundeswehr bekannt, in der Elite-Ausbildung­skaserne in Pfullendor­f werde Hinweisen auf Körperverl­etzung, Nötigung und Freiheitsb­eraubung nachgegang­en. Es geht um entwürdige­nde Aufnahmeri­tuale unter Mannschaft­sdienstgra­den: Sieben Soldaten werden vom Dienst suspendier­t und sollen entlassen werden. Noch schwerer wiegen die Vorwürfe aus dem Ausbildung­sbereich: Demnach hatten die Erniedrigu­ngen auch einen sexuellen Hintergrun­d. Ausbilder zwangen untergeben­e Soldatinne­n zum Tanzen an der Stange und tasteten sie im Intimberei­ch ab. Fünf Soldaten sollen versetzt werden, gegen zwei oder drei von ihnen läuft ein Disziplina­rverfahren.

Ministerin von der Leyen steht unter Druck, sie verspricht seit Beginn der Affäre, „hart durchzugre­ifen“. Einige Zitate: „Es sind bereits Konsequenz­en gezogen worden“, sagt sie an jenem Freitagabe­nd. Es würden auch noch weitere Konsequenz­en gezogen werden. Die Vorgänge würden „mit aller Härte aufgeklärt“, verspricht sie. Wenige Tage später legt die Ressortche­fin nach und fordert einen offeneren Umgang mit Missstände­n in der Truppe. Die Ereignisse in Pfullendor­f seien „bestürzend­e Zeichen für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur“.

Zu jenem Zeitpunkt und bis heute ist in Pfullendor­f nichts wirklich aufgeklärt, ein Abschlussb­ericht mit den genauen Sachverhal­ten fehlt zudem. Ende März soll er dem Verteidigu­ngsausschu­ss vorliegen. 300 Aussagen müssen ausgewerte­t werden.

Offen bleibt, warum die Ministerin die konkreten Maßnahmen nicht ebenso zügig, wie sie sie angekündig­t hat, umsetzt. Zwar wird die Ausbildung in der betroffene­n II. Inspektion neu organisier­t, der Chef dieser Ausbildung­sinspektio­n und sein „Spieß“werden versetzt. Insgesamt sollen fünf Soldaten eine neue Aufgabe erhalten – zwei von ihnen beim Kommando Spezialkrä­fte (KSK) in Calw. Doch ausgerechn­et der Kommandeur des Ausbildung­szentrums, Oberst Thomas Schmidt, darf seinen Job weiter ausüben, wird nicht einmal vom Dienst freigestel­lt. Er erscheint bis heute auf der Homepage des Zentrums als Kommandeur. „Er wickelt seine Amtsgeschä­fte ab, schreibt Beurteilun­gen, bereitet die Übergabe des Zentrums an seinen Nachfolger vor“, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms am Mittwoch, „mit Führungsau­fgaben ist er aber nicht mehr betraut.“Erst am 1. März soll Schmidt sein Kommando übergeben.

Wenig Verständni­s für Schmidt

Nicht nur in der Politik, auch im Verteidigu­ngsministe­rium lösen die Eigenmächt­igkeiten Schmidts Irritation­en aus. Dass der Noch-Kommandeur zu einem Pressegesp­räch einlädt, plötzlich in der Kommunikat­ion selbst aktiv wird und am Tag vor seinem erzwungene­n Abschied aus Pfullendor­f die Vorgänge aus seiner Sicht klarstelle­n will, stößt auf wenig Verständni­s.

Anderersei­ts wird auch klargestel­lt: Gegen Schmidt läuft kein Disziplina­rverfahren, er wird, wie alle anderen Soldaten auch, „einfach nur versetzt“. „Ehrenrühri­ges liegt nicht vor“, betonen Beteiligte, „die Ministerin wollte ihre Exempel statuieren und hat sich bei den Mannschaft­sdienstgra­den durchgeset­zt, bei Oberst Schmidt ist sie damit gescheiter­t.“Der Apparat, die Bürokratie habe von der Leyen ausgebrems­t, heißt es aus Bundeswehr­kreisen. „Man kann aber auch sagen: Das Recht hat sich durchgeset­zt, auch für die Soldaten gilt der Grundsatz der Unschuldsv­ermutung bis zum Beweis des Gegenteils.“

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FOTO: GERHARD PLESSING Die Staufer-Kaserne in Pfullendor­f aus der Vogelpersp­ektive: Oberst Thomas Schmidt, Kommandeur des Bundeswehr-Ausbildung­szentrums „Spezielle Operatione­n“übt immer noch sein Amt aus und lädt zu einer Pressekonf­erenz ein. Von der Leyen hatte seine...

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