Kaum Erfolgsaussichten in Genf
Zumindest traf Syriens Opposition diesmal pünktlich zum Beginn der Friedensgespräche in Genf ein. Bei den bislang letzten Verhandlungen über ein Ende des Bürgerkriegs vor einem Jahr hatten sich die Regimegegner lange geziert, in die Schweiz zu reisen – und waren schließlich erst ins Flugzeug gestiegen, nachdem UN-Vermittler Staffan de Mistura die Gespräche schon begonnen hatte. Doch mit der pünktlichen Anreise erschöpfen sich die Hoffnungszeichen für einen Erfolg der neuen Friedensverhandlungen schon.
Nur allergrößte Optimisten dürften darauf hoffen, dass am Ende dieser Verhandlungsrunde am Genfer See eine politische Lösung steht. Es ist der bislang vierte Versuch, in der Schweiz unter UN-Vermittlung Ergebnisse zu erzielen und das Leiden der Menschen im mittlerweile fast sechsjährigen Bürgerkrieg mit rund 400 000 Toten zu stoppen.
Schon die zwei Gesprächsrunden in Astana über die brüchige Waffenruhe stellten vor Kurzem erneut unter Beweis, wie verhärtet die Fronten sind. Eigentlich wollten Russland als Schutzmacht der Regierung und die Türkei als Verbündeter der Opposition in der kasachischen Hauptstadt die Feuerpause stärken, die seit Ende Dezember gilt. Stattdessen nutzen Regime und Rebellen die Treffen, um sich gegenseitig als „Terroristen“und „Kriegsverbrecher“zu beschimpfen. Die Kämpfe und Luftangriffe in Syrien gehen derweil weiter.
Der 70-jährige UN-Sondergesandte Staffan de Mistura, ein erfahrener Diplomat, dürfte in Genf Mühe haben, beide Seiten im altehrwürdigen Palais des Nations überhaupt an einen Tisch zu bringen. Er will „das Momentum“der Waffenruhe nutzen, die nach seiner Aussage trotz der Verstöße „im Großen und Ganzen“hält.
Mit russischer und iranischer Hilfe hat sich die Waage seitdem weiter in Richtung Regime geneigt. Der Chef der Regierungsdelegation, Syriens UN-Botschafter Baschar alDschafari, sah seine Hauptaufgabe schon vor einem Jahr vor allem darin, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Wegen der militärischen Erfolge dürften die Vertreter von Syriens Präsident Baschar al-Assad noch weniger geneigt sein, ernsthaft nach einer Lösung zu suchen.
Die Opposition – noch immer zersplittert – steht in diesem Jahr geschwächter da. Die Rebellen haben wichtige Gebiete in Syrien wie den Ostteil der Stadt Aleppo verloren. Besonders die moderateren Kräfte stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie kämpfen nicht nur mit Regierungsleuten, sondern sehen sich auch starkem Druck radikaler Regimegegner ausgesetzt, die Verhandlungen ablehnen. So könnte Genf die letzte Chance für viele oppositionelle Gruppen sein, überhaupt noch Einfluss ausüben zu können. Abhängen wird in Genf vieles von Russland. Weil die USA anders als vor einem Jahr in Syrien mittlerweile nur noch eine Nebenrolle einnehmen, ist Moskau zum einflussreichsten Akteur geworden. Über allem schwebt jedoch die Frage: Was wird aus al-Assad? (dpa)