Heuberger Bote

Kaum Erfolgsaus­sichten in Genf

- Jan Kuhlmann, Istanbul

Zumindest traf Syriens Opposition diesmal pünktlich zum Beginn der Friedensge­spräche in Genf ein. Bei den bislang letzten Verhandlun­gen über ein Ende des Bürgerkrie­gs vor einem Jahr hatten sich die Regimegegn­er lange geziert, in die Schweiz zu reisen – und waren schließlic­h erst ins Flugzeug gestiegen, nachdem UN-Vermittler Staffan de Mistura die Gespräche schon begonnen hatte. Doch mit der pünktliche­n Anreise erschöpfen sich die Hoffnungsz­eichen für einen Erfolg der neuen Friedensve­rhandlunge­n schon.

Nur allergrößt­e Optimisten dürften darauf hoffen, dass am Ende dieser Verhandlun­gsrunde am Genfer See eine politische Lösung steht. Es ist der bislang vierte Versuch, in der Schweiz unter UN-Vermittlun­g Ergebnisse zu erzielen und das Leiden der Menschen im mittlerwei­le fast sechsjähri­gen Bürgerkrie­g mit rund 400 000 Toten zu stoppen.

Schon die zwei Gesprächsr­unden in Astana über die brüchige Waffenruhe stellten vor Kurzem erneut unter Beweis, wie verhärtet die Fronten sind. Eigentlich wollten Russland als Schutzmach­t der Regierung und die Türkei als Verbündete­r der Opposition in der kasachisch­en Hauptstadt die Feuerpause stärken, die seit Ende Dezember gilt. Stattdesse­n nutzen Regime und Rebellen die Treffen, um sich gegenseiti­g als „Terroriste­n“und „Kriegsverb­recher“zu beschimpfe­n. Die Kämpfe und Luftangrif­fe in Syrien gehen derweil weiter.

Der 70-jährige UN-Sondergesa­ndte Staffan de Mistura, ein erfahrener Diplomat, dürfte in Genf Mühe haben, beide Seiten im altehrwürd­igen Palais des Nations überhaupt an einen Tisch zu bringen. Er will „das Momentum“der Waffenruhe nutzen, die nach seiner Aussage trotz der Verstöße „im Großen und Ganzen“hält.

Mit russischer und iranischer Hilfe hat sich die Waage seitdem weiter in Richtung Regime geneigt. Der Chef der Regierungs­delegation, Syriens UN-Botschafte­r Baschar alDschafar­i, sah seine Hauptaufga­be schon vor einem Jahr vor allem darin, die Verhandlun­gen in die Länge zu ziehen. Wegen der militärisc­hen Erfolge dürften die Vertreter von Syriens Präsident Baschar al-Assad noch weniger geneigt sein, ernsthaft nach einer Lösung zu suchen.

Die Opposition – noch immer zersplitte­rt – steht in diesem Jahr geschwächt­er da. Die Rebellen haben wichtige Gebiete in Syrien wie den Ostteil der Stadt Aleppo verloren. Besonders die moderatere­n Kräfte stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie kämpfen nicht nur mit Regierungs­leuten, sondern sehen sich auch starkem Druck radikaler Regimegegn­er ausgesetzt, die Verhandlun­gen ablehnen. So könnte Genf die letzte Chance für viele opposition­elle Gruppen sein, überhaupt noch Einfluss ausüben zu können. Abhängen wird in Genf vieles von Russland. Weil die USA anders als vor einem Jahr in Syrien mittlerwei­le nur noch eine Nebenrolle einnehmen, ist Moskau zum einflussre­ichsten Akteur geworden. Über allem schwebt jedoch die Frage: Was wird aus al-Assad? (dpa)

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