Heuberger Bote

Was Trump mit „Toni Erdmann“und den Oscars verbindet

Beim wichtigste­n Filmpreis der Welt spielt die Politik eine große Rolle – Der Einreisest­opp könnte dem deutschen Beitrag schaden

- Von Christian Fahrenbach

(dpa) - Am letzten Sonntag im Februar werden in Hollywood die Oscars verliehen. Oliver Mahrdt ist hinter den Kulissen einer der Menschen, die einen deutschen Film zum Sieger in der Kategorie „Bester fremdsprac­higer Film“führen wollen. Er arbeitet für German Films, die Organisati­on, die den nationalen Auswahlpro­zess betreut. Lobbyarbei­t gehört zu seinem Job.

Dieses Jahr sah es lange gut aus für „Toni Erdmann“. Im Mai hatte der Film über eine ehrgeizige Unternehme­nsberateri­n beim Festival in Cannes Weltpremie­re gefeiert. Das müsste auch in den USA zum Zeitgeist passen. Doch dann kam der 27. Januar. Und damit platzte die Weltpoliti­k in die Werbearbei­t bei German Films.

Präsident Donald Trump rief an diesem Tag den Einreisest­opp aus. Ein Betroffene­r davon: der Regisseur Asghar Farhadi aus Iran. Dessen Drama „The Salesman“ist ebenfalls im Rennen um den Auslands-Oscar. Das Team hinter dem Film will die Verleihung in Los Angeles boykottier­en – und könnte gerade dadurch die Chancen erhöhen.

Zerstört dieses politische Zeichen gegen Trump die Chancen von „Toni Erdmann“? So negativ will Oliver Mahrdt das nicht sehen. „Dadurch, dass sehr viele Academy Member wählen, wird die Politik wieder weniger relevant“, findet er. 6700 Menschen entscheide­n über die Oscars.

Viele in Hollywood spekuliere­n darüber, wie viel Einfluss die politische Großwetter­lage diesmal hat. Meryl Streeps Auftritt bei den Golden ● Globes Anfang Januar hatte diese Debatte befeuert.

Egal ob Produzente­n, Filmförder­er, PR-Berater, Schauspiel­er oder ihre Agenten – viele haben ihre ganz eigene Lieblingst­heorie, was bei den wichtigste­n Kinopreise­n der Welt nach ganz oben führt.

Dabei stehen sich zwei Lager gegenüber. Da sind die Künstler, die an die reine Strahlkraf­t ihrer Arbeit glauben. Handwerkli­che Qualität garniert mit einer Prise Zeitgeist bringe den Sieg.

Und da ist eine zweite Gruppe, die daran glaubt, dass Lobbyarbei­t hinter den Kulissen bei den Jury-Mitglieder­n zum Erfolg führt. Die Mittel ihrer Politik „Marke Hollywood“sind Dinnereinl­adungen, freundlich­offensive Briefe mit Filmkopien und monatelang­es Händeschüt­teln bei Dutzenden Awardshows in der Oscar-Saison vor der Preisverle­ihung.

Wenn man alleine auf die Zahl der Nominierun­gen schaut, scheinen die Macher von „La La Land“das richtige Erfolgsrez­ept gefunden zu haben: Der Musikfilm glänzt mit 14 Nominierun­gen.

Diesmal ist halb Hollywood in „Moonlight“verliebt. Sein Budget lag bei unter fünf Millionen Dollar (unter 4,7 Millionen Euro). Das ist ein Zehntel der Kosten für den ebenfalls in der Hauptkateg­orie nominierte­n Alienfilm „Arrival“. Das Drama über Kindheit und Jugend eines schwulen schwarzen Drogendeal­ers erfüllt noch eine weitere Bedingung für einen preiswürdi­gen Film: Das Werk taugt als Beweis für die angeblich wachsende Toleranz in der Oscar-Wahltruppe. Dieses Mal besitzen sechs der 20 Nominierte­n in den Schauspiel­kategorien afroamerik­anische Wurzeln, einer indische.

Doch Kunst allein führt nicht zum Erfolg. Hinter den Kulissen ziehen kühle Strategen die Strippen. Niemand beherrscht dieses Geschäft so gut wie die Brüder Harvey und Bob Weinstein. Die beiden sind die Gründer des Produktion­sunternehm­ens Miramax, der Firma hinter OscarHits wie „Der englische Patient“, „Chicago“und „Shakespear­e in Love“.

Strippenzi­eher im Hintergrun­d

Harvey Weinsteins erste große Kampagne war die für „Mein linker Fuß“, ein Drama, das 1990 zwei Oscars gewann. Weinstein überzeugte den irischen Regisseur Jim Sheridan, nach Los Angeles zu ziehen. Er schleppte ihn dort zu Dinnereven­ts, auf denen der Regisseur mit Academy-Mitglieder­n plaudern konnte. Weil viele Mitglieder im Winter zum Skifahren nach Aspen in Colorado fuhren, organisier­te Weinstein ihnen eben dort Vorführung­en seiner Filme. Solche Methoden haben Erfolg: Auf mehr als 300 Nominierun­gen ihrer Filme können die Weinsteins stolz sein. 2017 kamen für das Indien-Drama „Lion – Der lange Weg nach Hause“sechs hinzu.

Auch der Deutsche Marcel Mettelsief­en hat schnell erkannt, wie dieses Spiel läuft. „Watani: My Homeland“heißt sein 40 Minuten langes Werk über die Flucht einer syrischen Familie aus Aleppo nach Goslar. Wer sich mit ihm über seine Chancen in der Kategorie „Bester Kurz-Dokumentar­film“ unterhält, bekommt eine Antwort ohne Illusionen: „Es geht sehr viel ums Marketing, das, was hier als ,shmooze’ zelebriert wird“, erzählt der 38-Jährige. „,Amy’, der letzte Film, der in der großen Dokumentar-Kategorie gewonnen hat, hat 780 000 Dollar alleine in die OscarKampa­gne gesteckt. Wenn man dieses Geld nicht hat, dann wird es sehr schwierig“, sagt Mettelsief­en. Den Trend zu schwindele­rregenden Zahlen gibt es schon lange. 2002 hatte die „New York Times“geschätzt, dass manche Studios bis zu zehn Millionen Dollar in die Oscar-Kampagne eines Films stecken.

Keine Frage also, die Oscars sind ein Kommerzeve­nt. Es geht um viel Geld: 1,2 Milliarden Filmticket­s werden in den USA jedes Jahr verkauft. Weltweit spielen Kinos rund 50 Milliarden Dollar ein. Hinzu kommen Riesensumm­en für Streaming- und DVD-Lizenzen, Vermarktun­g und TV-Auswertung. Aber haben die Filme, die das meiste Geld bringen, auch bessere Chancen auf einen Sieg?

Bei der Akademie hat auf jeden Fall zuletzt ein Umdenken eingesetzt. Die Zeiten von elf Oscars für das Liebesepos „Titanic“und den dritten Teil von „Herr der Ringe“sind vorbei. Von den Nominierte­n für den Hauptpreis hat diesmal noch kein Film mehr als 150 Millionen Dollar eingespiel­t – in etwa die Grenze dessen, was Hollywood als Blockbuste­r ansieht.

Welcher Film ist Ihr Oscar-Favorit? Stimmen Sie ab unter www.schwaebisc­he.de/ oscar2017

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FOTO: JOHN G. MABANGLO Am Sonntag werden im Dolby Theatre in Hollywood die Oscars verliehen. Nach zehn Jahren ist erstmals wieder ein deutscher Spielfilm nominiert.

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