Polizeipräsidium: Gefahr des lachenden Vierten
Tuttlingen, Rottweil und Villingen-Schwenningen rangeln um Behörde – Konstanz könnte Zuständigkeit erhalten
- Ende März, Anfang April, so schätzt Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck, wird im Stuttgarter Innenministerium die Entscheidung fallen, ob die zwölf Polizeipräsidien im Land ihren Sitz und ihren Zuschnitt behalten. „Jeder möchte es haben, wir sind es im Moment“, sagt Beck über das Polizeipräsidium Tuttlingen, das seit der Polizeireform 2013 seinen Sitz in der Stadt hat.
Villingen-Schwenningen hat bereits gestreckt und will künftig Standort des Polizeipräsidiums werden. Rottweils Oberbürgermeister Rolf Broß, der im Mai zur Wiederwahl antritt, hat nachgelegt. Und Konstanz, derzeit schon mit einem Polizeipräsidium ausgestattet, hat Interesse an einer Zuständigkeit für Tuttlingen signalisiert. Mit Blick auf die Landkarte geht auch der Tuttlinger OB davon aus, dass es Veränderungen in den Zuschnitten geben wird: „Die Gefahr, dass wir das Präsidium verlieren, ist sicherlich da. Aber unsere Chancen, es zu behalten, sind auch sehr gut.“
Hinter den Kulissen versucht jeder regionale Politiker, die Entscheidungsträger in Stuttgart anzusprechen. Ob das viel Sinn macht, ist die Frage. „Die Polizei wird sachorientiert entscheiden“, ist sich Michael Beck sicher. Befindlichkeiten gibt es viele, und eine Entscheidung bringt eine andere mit sich.
Oberschwaben hat auch Interesse signalisiert: Es will ein eigenes Polizeipräsidium, die Stadt Ravensburg als Standort würde sich anbieten. Derzeit gehört es zu Konstanz, dabei ist nicht nur der trennende Bodensee ein Problem.
Auch das Einzugsgebiet des Tuttlinger Präsidiums ist riesig, wie Beck mit Blick auf die zweieinhalbstündige Anfahrt zum äußersten Rand des Landkreises Freudenstadt darlegt. Das Zuständigkeitsgebiet umfasst derzeit neben den Landkreisen Tuttlingen, Schwarzwald-Baar und Rottweil auch Freudenstadt und Zollern Alb. Eine Möglichkeit wäre, dass die Kreise Freudenstadt und Zollern-Alb künftig abgetrennt werden. Dann könnte der Kreis Konstanz mit den Landkreisen Rottweil, Tuttlingen und Schwarzwald-Baar zu einem neuen Präsidium zusammengefasst werden. Tuttlingen hat ein Präsidium, Konstanz auch – bleibt die Frage, welche Stadt künftig Präsidiumssitz wird. „Konstanz liegt nicht gerade in der Mitte“, stellt der Tuttlinger OB fest. „Allerdings waren das damals auch keine Argumente“, verweist er auf die Randlage Tuttlingens im derzeitigen Präsidiumszuschnitt.
Eben dies gehört auch zu den Argumenten, die die Stadt VillingenSchwenningen in einer gemeinsamen Resolution mit dem Landkreis gegenüber dem Innenministerium äußerte. Minister Thomas Strobl (CDU) wird gebeten, die Evaluation zur Polizeireform „kritisch zu prüfen“, ob die Entscheidung für Tuttlingen dem „erhofften Effizienzgewinn tatsächlich entsprochen“habe. Aus polizeitaktischer und administrativer Sicht stelle sich die Wahl für den Standort Tuttlingen „nicht als die beste und schon gar nicht als zwingend dar“.
Am Freitag, 3. März, will Oberbürgermeister Rupert Kubon zusammen mit Landrat Sven Hinterseh bei einem Polizeigipfel in VillingenSchwenningen die Argumente den Vertretern der Landes- und Bundespolitik, von der Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen sowie dem Tuttlinger Polizeipräsidenten Gerhard Regele (siehe Text unten) noch einmal verdeutlichen.
Als Oberzentrum sei die Doppelstadt – „die mit weitem Abstand größte Stadt der Region“– besser erreichbar, sei aus raumplanerischer Sicht und wegen der zentralen Lage geeigneter, eine Behörde wie das Polizeipräsidium aufzunehmen, heißt es in der Resolution. Zudem gebe es eine höhere Kriminalitätsbelastung, ein relativ hohes Demonstrationsgeschehen und Verkehrsaufkommen. „Wir haben die Erwartung, dass die Resolution Beachtung finden wird“, sagte Villingen-Schwenningens Pressesprecherin Oxana Brunner.
Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck warnt seine Amtskollegen aus Villingen-Schwenningen und Rottweil vor allzu offen ausgetragenen Konflikten. Denn auch Konstanz hat Ambitionen, die Region polizeitechnisch einzugemeinden. „Diese Alternative wäre für mich die denkbar schlechteste“, so Beck in einem Schreiben an Amtskollege Kubon. „Wenn wir uns aber gegenseitig bekämpfen, sehe ich die ernste Gefahr, dass es am Ende einen lachenden Dritten gibt.“Vor diesem Hintergrund würde er es begrüßen, wenn die Region in dieser Frage geschlossen und einig auftreten würde. Beck: „Wir sollten lieber zusammen für eine bessere personelle Ausstattung unseres gemeinsamen Präsidiums und der zahlreichen Reviere in der Region kämpfen.“
Dass Tuttlingen vor drei Jahren Sitz des Polizeipräsidiums wurde, war seinerzeit eine große Überraschung. „Das hat damals niemand erwartet“, sagt der Tuttlinger Oberbürgermeister. Wenn die Stadt das Präsidium nun verlieren würde, ginge auch ein Stück Renommée verloren. „Das wäre schade, das ist ja klar.“Wenn Tuttlingen das Präsidium behält, ist eine bauliche Erweiterung zwingend notwendig. „Wir haben die Baugenehmigung schon lange erteilt“, so Beck. Nun liegt der Ball beim Innenministerium. Bis Ende März, so hat das baden-württembergische Innenministerium angekündigt, sollen die Ergebnisse der Evaluierung auf dem Tisch liegen. Dann soll auch zeitnah eine Entscheidung erfolgen.
Vorher – ohne Ergebnis der Evaluation und nur aufgrund von Spekulationen – über den künftigen Standort des Polizeipräsidiums oder die Zukunft der Behörde in Tuttlingen zu diskutieren, macht aus Sicht des Innenministeriums keinen Sinn, sagte Renato Gigliotti aus der Pressestelle. Die Daten der Evaluation würden nun analysiert und dabei in Optimierungsvorschläge übersetzt, sagte er auf Anfrage unserer Zeitung. Deshalb werde das Innenministerium nach jetzigem Stand auch keinen Vertreter zu dem Polizeigipfel nach Villingen-Schwenningen entsenden.
„Wir sollten uns nicht öffentlich
zerfleischen, wenn wir eine Region Schwarzwald-Baar-Heuberg sein wollen“, appelliert Beck an seine Amtskollegen.