Der abgehängte Vorreiter holt wieder auf
Mit Stecker will der Hybrid-Champion Prius jetzt zu den modernen E-Autos aufschließen
Er war Vorreiter und Wegbereiter. Denn ohne den Prius hätte es der Hybridantrieb wahrscheinlich weder bei Toyota noch bei einem anderen Hersteller so weit gebracht, dass er mittlerweile als ebenbürtige Alternative zum Diesel gehandelt wird.
Doch obwohl die Japaner knapp 20 Jahre nach der Prius-Premiere heute bald drei Dutzend Teilzeitstromer im Angebot haben und mittlerweile auf fast zehn Millionen HybridVerkäufe kommen, sind sie zuletzt arg ins Hintertreffen geraten. Denn während sie auf Masse setzen, baut die Konkurrenz auf Klasse und bringt den Vorreiter mit Plug-In-Hybriden und reinen Elektroautos in Zugzwang. Gegen Golf GTE oder Opel Ampera-E macht schließlich auch der angeblich beste Hybrid der Welt keinen Stich. Doch jetzt machen die Japaner Boden gut. Denn wenn sie im Frühjahr die zweite Generation des Prius Plug-In zu Preisen ab 37 550 Euro nach Europa bringen, können sich auch Toyota-Fahrer so langsam ans elektrische Fahren gewöhnen.
Strom vom Solardach
Für einen Aufpreis von etwa 8000 Euro gibt es jetzt statt des alten Nickel-Metall-Hybrid-Blocks mit mickrigen 1,31 kWh unter dem sichtbar angehobenen Kofferraumboden Lithium-Ionen-Zellen mit zusammen 8,8 kWh. Die Batterie gesellt sich zu dem zusammen 122 PS starken Trio aus dem 1,8-Liter-AtkinsonBenziner und den beiden E-Maschinen. Binnen bestenfalls zwei Stunden an der Steckdose oder in bald zehn Tagen mit dem optionalen Solardach aufgeladen, reicht ihr Strom nicht mehr nur für ein paar Hundert Meter, sondern für Dutzende von Kilometern. Auf dem Prüfstand sind es über 50, verspricht Toyota und rechnet den Verbrauch damit so weit herunter, dass der Prius tatsächlich zum Einliter-Auto wird. Denn im Datenblatt stehen nun exakt 1,0 Liter.
Aber es sind nicht allein die Reichweite und der rechnerische Minimalverbrauch, die den Unterschied machen. Viel wichtiger ist das völlig neue Fahrgefühl. Denn im neu programmierten Elektromodus ist der Plug-In-Prius um Längen besser: Besser als der Vorgänger, weil man jetzt an der Ampel sogar einen Kickdown machen kann, ohne dass sich der Benziner meldet, und weil man auch auf der Landstraße nur mit der Kraft der Magnetspulen fahren kann. Schließlich hat Toyota die elektrische Höchstgeschwindigkeit von 85 auf 135 km/h angehoben. Und besser als der normale Prius, weil er auf einmal flüssig und feinfühlig beschleunigt und vor allem, weil dabei eine himmlische Ruhe herrscht. Zumindest für ein paar Kilometer am Tag fühlt sich der Toyota dann plötzlich wie ein Tesla an.
Und dann sind da ja auch noch die kleinen, aber wirkungsvollen Änderungen im Design, mit denen Toyota den Plug-In-Prius aus der Masse herausheben möchte. Wobei sich der Prius da auch als Plug-In treu bleibt und ein wenig Stirnrunzeln verursacht. Denn ob die vier LED-Klötze im Lego-Design ein Gewinn sind, darüber kann man lange diskutieren. Und an die Delle in Scheibe und Spoiler am Heck muss man sich erst einmal gewöhnen.
Bis zu 50 Kilometer ohne Sprit und vor allem ohne das Röcheln des Vierzylinders und die nervige, kaugummizähe Zögerlichkeit des CVTGetriebes – so hat Toyota die Idee vom Prius mit dem neuen Plug-InModell endlich perfektioniert und ein Paket geschnürt, das auch Skeptiker überzeugt. Doch womöglich ist es jetzt zu spät und die Prius-Prediger werden aus den eigenen Reihen überholt.
Denn nachdem sich die Japaner viel zu lange auf den Lorbeeren des Weltmeisters ausgeruht haben, wollen sie jetzt die Hände nicht länger in den Schoß legen. In Tokio arbeitet mittlerweile eine Taskforce mit Hochdruck am ersten reinen Elektroauto. Spätestens im Jahr 2020 könnte also selbst der Plug-In-Prius wieder einmal ins Hintertreffen geraten.