Berliner Raser wegen Mordes verurteilt
Gericht verhängt lebenslange Haftstrafen gegen Angeklagte – Verteidiger kündigt Revision an
BERLIN (AFP/dpa) - Ein Jahr nach dem Tod eines unbeteiligten Autofahrers bei einem illegalen Rennen durch Berlin sind die beiden Raser wegen Mordes verurteilt worden. Das Landgericht Berlin verhängte gegen die 25 und 28 Jahre alten Angeklagten am Montag lebenslange Freiheitsstrafen. Ihnen wurde zudem lebenslang der Führerschein entzogen. Ein Verteidiger des 28-Jährigen kündigte umgehend Revision an. Damit wird der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall prüfen.
In der Nacht zum 1. Februar 2016 hatten sich die beiden Männer mit ihren Sportwagen im Stadtzentrum von Berlin ein Rennen geliefert und dabei mehrere rote Ampeln überfahren. Auf einer Kreuzung rammte der 28-Jährige mit 160 Stundenkilometern einen Jeep, der 72 Meter weit geschleudert wurde. Der 69 Jahre alte Fahrer starb noch im Auto.
Die Angeklagten hätten den möglichen Tod eines Dritten bewusst billigend in Kauf genommen, sagte der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt in seiner Urteilsbegründung. Damit sei juristisch von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen. Darüber hinaus hätten die Angeklagten das Mordmerkmal des gemeingefährlichen Tatmittels erfüllt. Sie hätten ihre PS-starken Autos nicht mehr unter Kontrolle gehabt und damit eine hohe Zahl von Menschen in Gefahr gebracht. Der Vorsitzende Richter betonte zugleich, der Fall sei mit anderen derartigen Vorfällen im Straßenverkehr nicht vergleichbar.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) befürwortete am Montag einschneidende Sanktionen gegen Teilnehmer illegaler Autorennen. „Harte Strafen gegen Todesraser sind folgerichtig“, sagte der CSU-Politiker. „Wer das Leben anderer leichtfertig aufs Spiel setzt, muss mit maximalen Konsequenzen rechnen.“
Im Bundesrat verabschiedeten die Länder Ende September bereits eine Gesetzesinitiative, wonach die Teilnahme an und die Veranstaltung von illegalen Autorennen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden kann. Wenn jemand dabei ums Leben kommt, drohen sogar bis zu zehn Jahre Gefängnis. Ein vom Verkehrsministerium vorgelegter Gesetzentwurf sieht ebenfalls einen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft vor.
BERLIN - Zum ersten Mal sind in Berlin am Montag zwei Teilnehmer eines illegalen Autorennens wegen Mordes verurteilt worden. Nun will auch die Politik die Strafen für Raser verschärfen. Tobias Schmidt beantwortet die wichtigsten Fragen:
Wie viele Menschen sind bei Autorennen ums Leben gekommen?
In den vergangenen beiden Jahren gab es mindestens fünf weitere Opfer illegaler Straßenrennen. Dabei geht die Zahl der Verkehrstoten insgesamt zurück: 2016 kamen 3214 Menschen auf Deutschlands Straßen ums Leben, 7,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Häufigste Ursache für tödliche Unfälle ist zu schnelles Fahren.
Wie ist die derzeit geltende Rechtslage?
Rasen ist derzeit nur eine Ordnungswidrigkeit. Teilnehmer von illegalen Autorennen, bei denen niemand zu Schaden kommt, kommen daher in der Regel glimpflich davon, Haftstrafen sind nicht möglich. Wer doppelt so schnell fährt wie erlaubt, wird in Deutschland mit einem Bußgeld von maximal 680 Euro und einem Fahrverbot von maximal drei Monaten belegt - wenn er erwischt wird.
Wieso wurden die Teilnehmer des Berliner Straßenrennens dennoch wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt?
Die Anklage warf den jungen Männern vor, angesichts der völlig überhöhten Geschwindigkeit mögliche tödliche Folgen billigend in Kauf genommen zu haben. Damit läge ein bedingter Vorsatz vor. Die Richter folgten der Staatsanwaltschaft und verurteilten die Fahrer wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Die Union begrüßte das Urteil. „Wer vorsätzlich Menschenleben aufs Spiel setzt, gehört ins Gefängnis und nicht auf die Straße“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, lobte „ein deutliches Zeichen an alle diejenigen, die glauben, aus Eigensucht das Leben anderer Menschen gefährden zu dürfen“. Die Verkehrsexpertin Gesine Reichert vom Deutschen Anwaltverein geht davon aus, dass das Urteil auch vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben wird. Der Vorwurf des bedingten Vorsatzes werde wegen des extrem überhöhten Tempos nur schwer zu entkräften sein.
Müssen Raser bald generell mit härteren Strafen rechnen?
Danach sieht es aus. Auf Initiative von Nordrhein-Westfalen hat der Bundesrat vorgeschlagen, illegale Autorennen als Straftat ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Jedem Teilnehmer würde dann eine Haftstrafe drohen. Gibt es Verletzte oder Tote, drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich schon für den Gesetzentwurf ausgesprochen. Das Bundesjustizministerium erklärte gestern, man werde die Initiative nun voranbringen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat allerdings einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach nicht das Strafgesetzbuch, sondern das Straßenverkehrsrecht geändert werden soll. Der Entwurf sieht aber die gleichen Strafen vor wie der NRW-Plan. „Substanziell haben wir keinen Unterschied“, erklärte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Kirsten Lühmann. Sie hofft, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz auf den Weg gebracht wird. Lühmann regt auch an, über Haftstrafen für Raser nachzudenken, die etwa mit 70 Stundenkilometern durch eine Tempo-30-Zone fahren. Die Schweizer Rechtsprechung könne dafür ein Vorbild sein.