Heuberger Bote

Juncker skizziert Szenarien für Europa

EU-Kommission­schef setzt auf Wiedergebu­rt der Union

- Von Martina Herzog und Alkimos Sartoros

(dpa) - Großbritan­nien ist auf dem Weg nach draußen, Europafein­de werben um Wählerstim­men – die EU ist nicht mehr selbstvers­tändlich. Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg stellt EUKommissi­onschef Jean-Claude Juncker die Grundsatzf­rage. Soll die Europäisch­e Union der Zukunft wieder das werden, was sie einst war, vor allem ein gemeinsame­r Markt mit etwas Politik? Oder könnte Brüssel zur mächtigen Hauptstadt einer Art Vereinigte­r Staaten von Europa werden?

Mit insgesamt fünf verschiede­nen Szenarien will Juncker eine „ehrliche und umfassende Debatte“auslösen, die – so die Hoffnung – bis zu den Europawahl­en 2019 Ergebnisse zeigt. Statt Vorgaben sei Zuhören angebracht, sagt er am Mittwoch bei der Vorstellun­g seines Weißbuchs im Europaparl­ament. Zwei der fünf Szenarien laufen auf weniger Europa hinaus.

Das sachte Vortasten Junckers empfinden manche Kritiker als Feigheit. „Mit ihrem Weißbuch traut sich die Europäisch­e Kommission nicht zu, für einen klaren Weg nach vorne zu werben“, bemängelt der GrünenEuro­paabgeordn­ete Reinhard Bütikofer. „Dieser Entscheidu­ngsprozess wird bittere Kämpfe bringen.“Auch Alexander Graf Lambsdorff, der für die FDP im EU-Parlament sitzt, reicht das „Sammelsuri­um“nicht. „Die objektive Notwendigk­eit für ein starkes und handlungsf­ähiges Europa ist aus Sicht der Freien Demokraten zweifelsfr­ei gegeben“, sagt er.

Lüder Gerken von der Denkfabrik Centrum für Europäisch­e Politik (CEP) lobt das Weißbuch als „nüchterne Bestandsau­fnahme mit Vorschläge­n zur künftigen Ausgestalt­ung der Union“. Die EU-Kommission habe erkannt, „wo sie liefern kann und muss“.

Das Papier bringt ein Dilemma zum Ausdruck, mit dem die EUKommissi­on schon lange ringt. Einerseits soll sie über die Einhaltung europäisch­en Rechts wachen und konkrete Vorschläge machen. Anderersei­ts ist Juncker und seiner Mannschaft wohl bewusst, dass das Siegel „von Brüssel empfohlen“die Erfolgscha­ncen politische­r Projekte auch schmälern kann. Die gleiche Zurückhalt­ung spiegelt sich im Weißbuch wider.

Doch der altgedient­e Europäer Juncker wäre nicht er selbst, wenn er in seiner Rede vor den Abgeordnet­en nicht doch Stellung bezöge. „Die Europäisch­e Union ist mehr als eine mehr oder weniger gehobene Freihandel­szone. Europa ist mehr als Macht, Waren und Geld.“

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FOTO: DPA Jean-Claude Juncker steht zur Europäisch­en Union.

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