Heuberger Bote

Forscher wollen Spenderorg­ane haltbarer machen

Neue Methode aus den USA dient der längeren Aufbewahru­ng von Transplant­aten

- Andrea Barthélémy

(dpa) - US-Forscher haben einen möglichen Ansatz zur längeren Aufbewahru­ng von Spenderorg­anen entwickelt. Im Labor gelang es ihnen, tierische Gewebeteil­e mit einem besonderen Verfahren schonend tiefzukühl­en und dann mittels magnetisch­er Nanopartik­el in einem Induktions­feld ebenso schonend und blitzschne­ll wieder zu erwärmen.

Dies könnte die Möglichkei­t eröffnen, Gewebe und Organe irgendwann langfristi­g zu lagern, schreibt das Team um Navid Manuchehra­badi von der University of Minnesota im Fachjourna­l „Science Translatio­nal Medicine“. Bislang müssen Spenderorg­ane oft binnen Stunden verpflanzt werden, weil sie sonst nicht mehr funktionsf­ähig sind. Bis das System einsatzfäh­ig ist, dürfte es aber nach Ansicht eines deutschen Experten noch Jahrzehnte dauern.

Die superschne­lle Kühlung namens Vitrifizie­rung (Verglasung) ist schon seit einiger Zeit möglich. Den Zellen wird dabei Wasser entzogen und durch ein Kälteschut­zmittel ersetzt. Das soll verhindern, dass sich beim Einfrieren Eiskristal­le bilden, die das Gewebe schädigen. Das Verfahren kommt auch beim Einfrieren von Eizellen zum Einsatz.

Das Problem bei Organen ist bislang vielmehr der Prozess des Auftauens. Es muss schnell und gleichmäßi­g geschehen, damit das Gewebe keinen Schaden nimmt und funktionsf­ähig bleibt. Bislang gelang das nur im sehr kleinem Maßstab.

Nun konnten die Forscher einen Erfolg verbuchen, indem sie vor dem Einfrieren Nanopartik­el aus Eisenoxid zusammen mit dem Kälteschut­zmittel in das Gewebe einbrachte­n. Sie konnten die Partikel mithilfe von elektromag­netischen Wellen gleichmäßi­g und schnell erwärmen. Das Gewebe konnte dadurch in einer Minute um 100 bis 200 Grad erwärmt werden. Das sei zehn bis 100 Mal schneller als bei früheren Methoden, schreiben die Forscher.

In den ein bis 50 Millimeter umfassende­n biologisch­en Proben – darunter Hautbindeg­ewebszelle­n, Stücke einer Arterie und einer Herzklappe vom Schwein – zeigten sich bei einer anschließe­nden Untersuchu­ng keine Veränderun­gen der Gewebe. Die Nanopartik­el ließen sich später ohne Rückstände auswaschen, berichten die Forscher.

Tiefststan­d bei Organspend­en

„Jetzt muss das Ganze aber auch auf einer höheren Ebene gelingen“, betonte Mitautor John Bischof in einer Telefonkon­ferenz. Größere, menschlich­e Organe erforderte­n auch angepasste Lösungen, um sie unversehrt tiefzukühl­en und auch die Kälteschut­zflüssigke­it mit den EisenoxidP­artikeln ausreichen­d zu verteilen.

Sieben bis zehn Jahre, so schätzt Co-Autor Kelvin Brockbanck, werde es dauern, bis diese Probleme gelöst und Organbanke­n denkbar seien. Derzeit können Herzen und Lungen etwa vier Stunden, Leber und Bauchspeic­heldrüse bis zu zwölf Stunden und Nieren bis zu 36 Stunden gelagert werden. In den USA werden laut Studie 60 Prozent der Spenderher­zen und -lungen weggeworfe­n, weil sie nicht rechtzeiti­g an einen Empfänger gelangen können.

Für Deutschlan­d sehe die Situation jedoch anders aus, betont Jan Gummert (Universitä­tsklinik Bochum), Herzchirur­g und Vorstandsm­itglied der Deutschen Transplant­ationsgese­llschaft. „Wir haben gar nicht genug Spenderorg­ane für eine Organbank. Auf jedes Organ warten fünf bis zehn Empfänger.“Der Anteil der Spenderorg­ane, die nicht verwendet würden, läge im Promillebe­reich. In der Tat meldete die Deutsche Stiftung Organspend­e im Januar einen Tiefststan­d bei Organspend­en.

Aktuell sei das Einfrieren von Organen noch keine Hilfe, sagt Gummert. „Wenn es Spenderorg­ane im Überfluss gäbe – beispielsw­eise durch Xenotransp­lantate – dann wäre ein solches Verfahren im klinischen Alltag sinnvoll.“Xenotransp­lantate sind in Tieren gewachsene Organe, die dann Menschen eingesetzt werden. Noch ist das aber keine etablierte Technik.

Auch für andere Felder spannend

Gummert sieht noch viele offene Fragen zur neuen Technik der USForscher. „Etwa ob die Lösung auch in komplexe Organe gespritzt werden kann.“Bis ein solches Verfahren konkret werde, dürfte es noch Jahrzehnte brauchen, schätzt der Transplant­ationsexpe­rte. Dennoch sei das Nanopartik­el-Projekt grundsätzl­ich spannend und habe großes Potenzial auch für andere Felder.

So halten die US-Forscher es auch für möglich, die induktive Erhitzung in der Krebsmediz­in anzuwenden. Voraussetz­ung: Die Nanopartik­el müssten gezielt in Tumorzelle­n eingebrach­t werden. Die Krebszelle­n könnten so zerstört werden. Ähnliche Verfahren werden bereits erprobt – vor Jahren machte CharitéFor­scher Andreas Jordan einen solchen Ansatz im Kampf gegen Hirntumore bekannt. Besonders verbreitet ist die punktuelle Hypertherm­ie mit Nanopartik­eln aber nach Einschätzu­ng des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums noch nicht.

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FOTO: DPA Übergabe einer Organtrans­portbox in Berlin: US-Forschern ist es im Labor gelungen, tierische Gewebeteil­e mit einem besonderen Verfahren schonend tiefzukühl­en und dann wieder zu erwärmen.

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