„Edmund, Edmund, Edmund“
Bayern zuerst, aber mit Merkel, fordert Ministerpräsident Horst Seehofer beim Aschermittwoch der CSU – Den größten Beifall in Passau aber erhält Kanzlerin-Kritiker Stoiber
(lby) - Noch bevor Horst Seehofer das erste Mal richtig lautstarken Applaus bekommt, fängt seine Stimme an zu kratzen. 59 Minuten spricht der CSU-Chef beim Politischen Aschermittwoch in Passau vor „gefühlten“10 000 Besuchern, tatsächlich dürften es annähernd 4000 gewesen sein. Seine Botschaft ist klar: Bayern und Deutschland geht es nur deshalb gut, weil es die CSU gibt. Und damit das so bleibt, müssten CSU und CDU ab sofort die heiße Phase des Bundestagswahlkampfes einläuten, politische Gegner lauerten überall.
„Das Bürgerliche muss jetzt aufstehen und kämpfen, gegen Rot-RotGrün“, ruft Seehofer mit ganzer Kraft ins weiß-blaue Rund der Dreiländerhalle. Für Aschermittwochverhältnisse erntet er dafür – wie so oft in seiner Rede an diesem Tag – nur verhaltenen Applaus. Der Beifall ist einer der Indikatoren, die zeigen, wie gespalten die CSU auch nach dem Friedensgipfel mit der CDU Anfang Februar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenübersteht. Die Pfiffe bei deren erster Erwähnung nach 27 Minuten Rede sprechen ebenso eine unmissverständliche Sprache.
Für einen erfolgreichen Wahlkampf gegen die SPD um Martin Schulz braucht die Union aber Geschlossenheit. Seehofer weiß das ebenso genau wie er sich bewusst ist, dass die Union im Wahlkampf nicht patzen darf. Mit Schulz hat die SPD seit mehr als vier Wochen ein Zugpferd als Kanzlerkandidaten, das ernst zu nehmen ist. In Umfragen liegen Union und SPD gleichauf. Während Seehofer Schulz nur selten und dann lieber als „den Kandidaten“oder „Martin den Schummler“erwähnt, fährt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit „SchizoSchulz“und „Schwafel-Schulz“zur Freude der Zuhörer schwere Geschütze auf.
Seehofers Aufgabe ist es, die Kritiker in der CSU bei der Stange zu halten. Für den Fall, dass der eine oder andere christsoziale Wähler mit dem Gedanken spielt, sein Kreuz bei der Bundestagswahl am 24. September bei der AfD zu machen, malt Seehofer das Feindbild an die Wand: „Wer Rechtsaußen wählt, bekommt in Deutschland eine linke Regierung. Das ist zwingend, meine Freunde.“Inhaltlich gebe es ohnehin keinen Grund, AfD zu wählen, denn die CSU nehme sich der Ängste und Sorgen der Menschen an und könne mit starker Stimme und „bayerischem Dickschädel“auch in Berlin erfolgreich Politik machen.
Richtig laut wird es in der Halle erst zum Ende der Rede Seehofers. Mit seinen Forderungen nach einer Obergrenze für Flüchtlinge, schnelleren Asylverfahren an den Grenzen und einer Absage an EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei trifft er den Nerv der Zuhörer, die zumindest beim Applaus mehrheitlich Merkel kritisch gegenüberstehen. Diese Zuhörer sind mit Sätzen wie „Bitte alle Freunde, seid stolz auf eure Union, was sie für Deutschland erreicht hat“, wenig zu begeistern.
Dass dieser Eindruck nicht täuscht, beweist ein weiterer Faktor: Als der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber, einer der entschiedensten Kritiker von Merkels Flüchtlingspolitik, am Ende der Veranstaltung die Bühne betritt, kennt der Saal kein Halten mehr. Schon während Seehofers Rede waren „Edmund, Edmund, Edmund“-Rufe zu hören gewesen. Sie sind lauter als kurzzeitig das skandierte „Horsti, Horsti, Horsti“während des vierminütigen Schlussapplauses.
Thematischer Spagat
Seehofer dürfte vom Politischen Aschermittwoch in Passau deshalb eine Gewissheit mit nach München nehmen, die ihm so gar nicht gefallen dürfte: Um die Reihen der CSU in den Monaten bis zur Wahl geschlossen zu halten, braucht er einen riskanten thematischen Spagat zwischen bundespolitischen Kompromissen und bayerischem Eigensinn.
Seehofer scheint dies geahnt zu haben: „Seit ich Verantwortung trage, habe ich ein Ziel: Bayern zuerst. Da lasse ich mich von niemandem davon abbringen“, sagt er am Anfang seiner Rede. Es ist sein Friedensangebot an die Skeptiker, die er in der Folge mit vielen Komplimenten tätschelt, wenn er von der „fantastischen Bevölkerung“und „blühenden Landschaften“spricht: „Bayern hat den höchsten Berg Deutschlands und die niedrigsten Schulden. Bayern ist einzigartig, Bayern ist ein Paradies.“Das hört man hier gerne.