Heuberger Bote

Von den guten Schülern lernen

Kultusmini­sterin tauscht sich zu Unterricht­squalität mit Hamburg und Schleswig-Holstein aus

- Von Kara Ballarin

- Nach dem schlechten Abschneide­n baden-württember­gischer Neuntkläss­ler in Deutsch und Englisch beim jüngsten IQB-Bildungstr­end sucht Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) den Kontakt zu Bundesländ­ern mit erfreulich­eren Ergebnisse­n. „Es ist keine Schande, von Besseren zu lernen“, sagte sie jüngst. Im stetigen Austausch ist Eisenmanns Ministeriu­m mit den Bildungsge­winnern Hamburg und Schleswig-Holstein.

Lange rangierte Hamburg mit den anderen Stadtstaat­en Bremen und Berlin auf den unteren Plätzen im Länderverg­leich. Der IQB-Bildungstr­end vom vergangene­n Herbst bescheinig­t Hamburg nun positive Entwicklun­gen in allen abgefragte­n Kompetenze­n im Vergleich zur Studie von 2009. Schleswig-Holstein hat sich ebenfalls durchweg verbessert und gehört nun in einigen Bereichen zur Spitzengru­ppe – beim Zuhören im Fach Deutsch belegt es Platz 1. Thomas Riecke-Baulecke, Direktor des Instituts für Qualitätse­ntwicklung an Schulen Schleswig-Holstein, und Norbert Maritzen, Direktor des Hamburger Instituts für Bildungsmo­nitoring und Qualitätse­ntwicklung, sehen einige Möglichkei­ten zu Verbesseru­ngen im Südwesten. „Für mich waren die Ergebnisse der IQBStudie für Baden-Württember­g nicht überrasche­nd“, sagt Maritzen. „Bei genauerer Betrachtun­g war es schon ein längerer Sinkflug.“

Daten auswerten

Für eine Qualitätss­teigerung an den einzelnen Schulen brauche es Daten, erklärt der Hamburger Maritzen. Die gebe es auch im Südwesten, etwa durch Studien wie „Vera 8“und IQBBildung­strend, oder auch durch Abschlussp­rüfungen. Ein strukturie­rtes Monitoring wie in Hamburg gebe es im Südwesten aber nur in Ansätzen, „da hat Baden-Württember­g in den letzten zehn, 15 Jahren viel weniger gemacht als andere Länder, etwa auch als Bayern“, sagt er. „Am Ende weiß das Kultusmini­sterium kaum etwas. Das ist eine schwierige Ausgangsla­ge, um Veränderun­gsprozesse anzustoßen.“

Schüler gezielt fördern

Laut Maritzen hilft ein systematis­ches Bildungsmo­nitoring auch für gezielte Förderung – wenn anhand der Daten etwa klar sei, an welchen Schulstand­orten sich Bildungsve­rlierer konzentrie­rten. In Hamburg setzt die Förderung der Kinder zudem sehr früh an. Alle Eltern müssen ihre viereinhal­bjährigen Kinder der zuständige­n Bezirksgru­ndschule vorstellen. Wird ein erhöhter Sprachförd­erbedarf festgestel­lt, tritt automatisc­h die Schulpflic­ht für dieses Kind ein und es muss am Förderunte­rricht teilnehmen. „Wenn es um die Schwächste­n geht, muss man eine stärkere Obligatori­k im System verankern“, sagt Maritzen.

„Wir sind das Bundesland, in dem sich die Risikogrup­pe am meisten reduziert hat“, sagt Riecke-Baulecke aus Schleswig-Holstein. 2006 hat das Land das Programm „Lesen macht stark“aufgesetzt. „Dieses Projekt ist sehr erfolgreic­h und vor allem bei Migranten sehr effektiv.“Trotz diverser Regierungs­wechsel sei es Konsens gewesen, sich um die Risikogrup­pe zu kümmern.

Lehrer fortbilden

In Hamburg muss sich jeder Lehrer mindestens 30 Stunden im Jahr fortbilden – und zwar nicht unbedingt nach individuel­lem Wunsch. Für jeden Lehrer gibt es ein Portfolio, das den Schulleite­rn vorliegt. Diese legten zum Teil mit dem Kollegium eine Schulentwi­cklung fest.

Schleswig-Holstein legt besonderen Wert auf die Programme „Lesen macht stark“und das relativ neue „Mathe macht Spaß“. Lehrer werden hierfür ein Jahr lang zu Coaches fortgebild­et. Außerdem misst RieckeBaul­ecke der Fachlichke­it große Bedeutung zu und fordert von der Politik „eben auch eine Wertschätz­ung von Fachlichke­it“.

Mehr Austausch

Nach Maritzens Ansicht sind die Zuständigk­eiten im Südwesten auf zu viele Akteure verteilt. „Das institutio­nelle Gefüge der Akteure in Baden-Württember­g, die Systemvera­ntwortung haben, ist so zersplitte­rt, dass da offensicht­lich in den letzten Jahren ein Abstimmung­sbedarf entstanden ist, aber nicht befriedigt wurde“, sagt er. „Es ist immer schwer, wenn die Akteure nicht hinreichen­d miteinande­r reden.“In Hamburg gibt es eine zentrale Einrichtun­g, die sich um Aus- und Fortbildun­g der Lehrer, um Referendar­e sowie um Schulentwi­cklung kümmert.

Ideologie ausklammer­n

Viele Maßnahmen seien in Hamburg aus dem Parteienst­reit ausgeklamm­ert worden, erklärt Maritzen – darunter die verpflicht­ende Förderung für Kindergart­enkinder mit Bedarf sowie das Monitoring und die Evaluation der Schulen von außen. „Ein Grund des Aufstiegs hängt auch damit zusammen, dass hier eine längerfris­tige Strategie mit ziemlicher Ruhe entwickelt wurde und verfolgt wird.“Hierzu habe auch gehört, sechs Schulforme­n in der Sekundarst­ufe I auf zwei zu reduzieren und möglichst fachfremde­n Unterricht zu vermeiden.

Auch in Schleswig-Holstein hat es laut Riecke-Baulecke keine großen Strukturde­batten gegeben – selbst dann nicht, als alle Haupt- und Realschule­n zu Gemeinscha­ftsschulen zusammenge­führt wurden. „Die Debatte über guten Unterricht, über das Fördern und Fordern der Schüler war die prägende.“Die Auflösung der Hauptschul­e habe zu einer besseren Lernumgebu­ng auch für schwächere Schüler geführt.

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FOTO: COLOURBOX Die Bildungssy­steme in Schleswig-Holstein und Hamburg haben sich laut der jüngsten IQB-Studie gut entwickelt – im Gegensatz zu Baden-Württember­g.

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