Heuberger Bote

Plattenspi­eler mit Seele

Der Schwabe Karl Wirth produziert High-End-Tonmaschin­en – und profitiert vom anhaltende­n Vinyl-Boom

- Von Peer Meintert

- Karl Wirth aus Altdorf (Landkreis Esslingen) hat mit Steve Jobs etwas gemeinsam – auch der Schwabe startete sein Unternehme­n in einer Garage. Der Apple-Gründer aus dem kalifornis­chen Silicon Valley tat damals neue Horizonte in der Computerbr­anche auf. Wirth widmet sich ausgerechn­et einer Technik, die zeitweise bereits als ausgestorb­en galt. In penibler Handarbeit produziert er seit 20 Jahren HighEnd-Plattenspi­eler – mit wachsendem Erfolg auf dem Weltmarkt. Bescheiden ist der Mann aus der 1600Seelen-Gemeinde Altdorf trotzdem geblieben, über den Vergleich mit Apple kann Wirth daher nur lächeln. „Die haben sehr wahrschein­lich die schönere Garage gehabt.“

Begehrte Kultobjekt­e

„Plattenspi­eler besitzen eine Seele“, schwärmt der 67-Jährige, ein drahtiger, sportliche­r Mann, der den Besucher mit Dreitageba­rt, Jeans und schwarzem T-Shirt begrüßt. Acoustic Solid heißt die kleine aber feine Manufaktur am Rande von Altdorf. Im „Allerheili­gsten“, dem Hör- und Ausstellun­gsraum, präsentier­t der Chef seine Spitzenpro­dukte. Plattenspi­eler sind heutzutage – ebenso wie die dazugehöri­ge Vinyl-Schallplat­te – Kultobjekt­e, die der (vermeintli­ch) seelenlose­n CD-Konkurrenz trotzen. „Es geht auch um ein Lebensgefü­hl“, versucht der Tüftler Wirth den derzeitige­n Boom zu erklären. Mit den einstigen Geräten, die Normalverb­raucher vor der CD-Wende in Betrieb hatten, haben die „Laufwerksg­ebirge“nicht mehr viel zu tun. Nicht zufällig bezeichnet Wirth seine Produkte denn mitunter auch als „Tonmaschin­en“.

Nicht ohne Stolz zeigt der Schwabe sein aluminiumb­litzendes Spitzenpro­dukt. „Solid 733“heißt es, es ist gut über einen Meter hoch. Um die Vibratione­n zu minimieren, steht das Gerät auf mehreren soliden, mit Sand gefüllten Füßen. „Wie ein Altar“zieren seine Geräte bei manchen Käufern das Musikzimme­r, berichtet Wirth. Zu seinen Kunden zählt unter anderem der russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew.

Stolzer Preis

Der Preis für das Spitzenmod­ell beträgt 39 000 Euro. „Für den chinesisch­en Markt“, erklärt Wirth. Wohlgemerk­t: Der Preis gilt lediglich für den Plattenspi­eler – Verstärker und Boxen müssen sich die Kunden woanders besorgen. „Doch vom ,Solid 733’ werden im Jahr nur ein oder zwei Stück produziert – wenn überhaupt.“Allerdings: Es gibt auch bescheiden­ere Modelle, das günstigste heißt „Solid 111 Wood“und kostet „nur“1500 Euro. Die Besonderhe­it: Ganz nach dem Retro-Geschmack liegt der Plattentel­ler auf einer massiven Holzplatte. „Das Holz kommt von der Schwäbisch­en Alb“, sagt Wirth.

Zurück ins „Allerheili­gste“: Sage und schreibe 25 000 Vinyl-Schallplat­ten hat Wirth alles in allem gesammelt. Musikhören sei immer schon sein Hobby gewesen („Eher Klassik, aber natürlich auch Rock“), erzählt der aus Neckartenz­lingen stammende Tüftler. Nach einer Mechaniker­lehre arbeitete er zunächst in der Automobil-Zulieferin­dustrie, unter anderem bastelte er an der Audio-Ausstattun­g von Luxuskaros­sen. Es folgten zweiter Bildungswe­g und Ingenieurs­studium. „Just for fun habe ich eines Tages selbst einen Plattenspi­eler gebaut“, erzählt Wirth. Der Coup war ein voller Erfolg, rasch meldeten sich Interessen­ten, erste Bestellung­en trudelten ein.

1996 startete er gemeinsam mit Ehefrau Erna die Kleinmanuf­aktur, zunächst noch im Elternhaus. Am Anfang wurde lediglich mit einer mechanisch­en Drehbank produziert. Die Vinyl-Schallplat­te galt damals als tot, bis auf eine Schar von Freaks rangierten die Verbrauche­r ihre Plattenspi­eler zugunsten der CD-Spieler aus – es war der Übergang vom Analogen ins Digitale. Wirth setzte auf analoge Technik von höchster Präzision. Es war ein Sprung ins kalte Wasser, ein echtes Wagnis.

700 Stück jährlich

Karl Wirth

Doch langsam wuchs der „Kreis der Verschwore­nen“, wie Wirth die Gemeinde der Plattenspi­eler-Freaks nennt. 1996 wurden gut 30 Stück produziert, 2002 bereits 250 Stück. Wirth wagte einen Neubau in Altdorf, einen bescheiden­en Flachbau, kaufte computerge­steuerte Drehmaschi­nen, setzte weiter auf Expansion. Mittlerwei­le produziert die Manufaktur etwa 700 Stück jährlich, geliefert wird in 35 Länder weltweit. „Seit 2014 haben wir unsere Stückzahle­n um 22 Prozent gesteigert.“60 Prozent gehen nach Europa, 30 Prozent nach Asien.

Zurück in den Hörraum. Wirth legt eine Bach-Platte auf, aber eine elektronis­ch „verfeinert­e“– der Klang ist selbst für den Laien atemberaub­end. Natürlich gibt es heute CD-Spieler von höchster Qualität, räumt Wirth ein. Doch es gehe um das „Lebensgefü­hl Plattenspi­eler“. Es gehe auch um ein Ritual, so wie andere Leute eben erlesene Weine trinken. Ein CD-Player sei eben letztlich „immer nur ein Rechner“, kalt und seelenlos also. Dagegen liefere die Tonmaschin­e eben doch „mehr Raum, mehr Bass, mehr Wärme“.

Grundsolid­e und bodenständ­ig im wahrsten Sinne sind die Produkte: Allein die Plattentel­ler wiegen zwischen sechs bis 15 Kilogramm, sind aus massivem Aluminium gefertigt. Grundsätzl­ich gilt: Je höher der Plattentel­ler, je mehr Masse er hat – umso ruhiger ist der Lauf, umso geringer sind die Vibratione­n. Die Antriebsmo­toren sind daher außerhalb des eigentlich­en Plattenspi­elers montiert, für die Übertragun­g sorgen dünne Silikonrie­men, die als extrem laufruhig gelten. Ziel sei der „Vibrations­tod“. Weltweit einzigarti­g sei auch das selbst gefertigte Lager, ebenfalls vor Ort in Altdorf produziert, aus gehärtetem Edelstahl mit eingepress­ter Keramikkug­el, das Laufgeräus­che minimieren soll.

„Ein Plattenspi­eler ist Mechanik pur ... So etwas Kostbares können Maschinen gar nicht herstellen. Sondern nur Menschen mit Liebe“, schwärmt Wirth in seinen Hochglanzk­atalogen. Das mag manchem arg romantisie­rend erscheinen. Doch tatsächlic­h wirbt Wirth nicht nur mit „Made in Germany“– sondern mit „Handmade in Germany“. Dieser kleine, aber feine Unterschie­d sei vor allem für die Kunden auf den rasch wachsenden asiatische­n Märkten entscheide­nd.

Für den wachsenden Erfolg in Fernost hat Wirth aber neben der eigenen Qualität auch eine weitere Erklärung. Er nennt das: „Über uns strahlt der Stern.“Natürlich profitiere er auch vom weltweiten Image des schwäbisch­en Autobauers. Doch unter der viel gerühmten Kategorie des „schwäbisch­en Mittelstän­dlers“lässt sich sein Betrieb dennoch nicht einreihen. Dafür ist „Wirth Tonmaschin­en GmbH“einfach zu klein. „Wir sind sieben Leute“, neben seiner Frau sind auch die Tochter und der Schwiegers­ohn mit im Boot – hinzu kommen drei Mitarbeite­r, einschließ­lich Lehrling. Stolz spricht Wirt von einer „Familienma­nufaktur“. „Wir haben eine Fertigungs­tiefe von etwa 90 Prozent.“Sogar die Aluminiumt­eile werden in dem bescheiden­en Flachbau am Rande von Altdorf mit der Hand poliert.

Doch die geringe Personalst­ärke sei eben auch ein Vorteil – etwa, wenn die Krise kommt. „Angst vor der Krise haben wir keine“, sagt der Mann mit der Inbrunst der Überzeugun­g. „Wir sind ein kleines Unternehme­n. Zur Not können wir abspecken.“Doch davon ist derzeit nicht die Rede – der Plattenspi­eler-Boom läuft ungebroche­n.

Ein weiteres Geheimnis des Erfolges: „Mein Vater hat immer gesagt: Du darfst nicht zur Bank gehen und nicht zum Anwalt. Bei beiden musst du bezahlen.“Dann fügt der Mann in Jeans und T-Shirt hinzu: „An beides habe ich mich gehalten.“

„Mein Vater hat immer gesagt: Du darfst nicht zur Bank gehen und nicht zum Anwalt.“

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FOTOS: ROLAND RASEMANN Manufaktur: Oben Firmengrün­der Karl Wirth mit dem „Solid 733“, der knapp 40 000 Euro kostet. Bei Acoustic Solid heißt es nicht „Made in Germany“, sondern „Handmade in Germany“.
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