Heuberger Bote

„Das ist ein Spiel mit dem Feuer“

Trump gleich Hitler? Historiker Andreas Wirsching spricht über Parallelen und Unterschie­de

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(dpa) - Der US-Historiker Timothy Snyder erkennt in den ersten Wochen der Präsidents­chaft von Donald Trump „das Playbook der Dreißiger“und „unheimlich­e“Ähnlichkei­ten. Anne Franks Stiefschwe­ster Eva Schloss verglich Trump mit Adolf Hitler. Der Direktor des Institutes für Zeitgeschi­chte (IfZ) in München, Andreas Wirsching, ist da vorsichtig­er. Er sieht zwar Parallelen, wie er im Interview mit Britta Schultejan­s sagt, aber noch viel mehr Unterschie­de. Eindringli­ch warnt er von neuen „FreundFein­d-Ideologien“, nicht nur in den USA.

Der US-Historiker Timothy Snyder hat in einem Zeitungsin­terview gesagt, wer so spricht wie Trump, habe einen Regimewech­sel im Sinn. Er bezieht das vor allem auf sein Verhältnis zu den Medien. Stimmt das?

Diese Frage stellt sich in der Tat nach den ersten Wochen der Präsidents­chaft noch schärfer als im Wahlkampf. Vorher konnte man sich noch denken, er will eben gerne Präsident sein und hat – bis auf seine eigene Person – keinen großen Plan. Aber diese ersten Wochen der Präsidents­chaft machen nachdenkli­ch und werfen die Frage auf, ob es doch so etwas wie einen Plan gibt. Ich würde allerdings vor einer Überration­alisierung Donald Trumps warnen. Dieses impulsive Schießen gegen Medienberi­chte, die ihm nicht passen, ist in der Person Trumps angelegt und darin, dass er Kritik überhaupt nicht vertragen kann. Da muss nicht zwangsläuf­ig der Plan für einen Regimewech­sel dahinterst­ecken.

Wie sehen Sie die Rolle seiner Berater und vor allem den Einfluss von Steve Bannon?

Das ist schwer einzuschät­zen, weil wir das Verhältnis von Trump und seinen Beratern noch zu wenig kennen. Überhaupt ist die neue Regierungs­mannschaft noch recht fragil, wie die jüngsten Rücktritte unterstrei­chen. Allerdings gehört es zu den klassische­n Methoden autoritäre­r Machtausüb­ung, klientelis­tische Personalve­rhältnisse zu nutzen. Trump ist sozialisie­rt im Immobilien­geschäft und jeder, der mit der Spezies Immobilien­hai schon einmal zu tun hatte, weiß, dass diese Gruppe sich mit Einschücht­erung gut auskennt. Wenn es ihm weiterhin gelingen sollte, Schlüsselp­ositionen mit von ihm abhängigen Leuten zu besetzen, dann ist das eine echte Gefahr. Seine Berater können da sehr schnell einen sehr großen Einfluss ausüben – und das ist besorgnise­rregend.

Können Sie also verstehen, dass Parallelen gezogen werden, zwischen Donald Trump und dem Aufstieg des Nationalso­zialismus in Deutschlan­d?

Eine Parallele ist in der Frage angelegt, ob und in welchem Umfang es Trump gelingen könnte, das Parlament zu überspiele­n. Das ist ja das, was 1933 passiert ist. Etwas Vergleichb­ares ist eigentlich in den USA nicht vorstellba­r, anderersei­ts könnte es schon sein, dass der Gegensatz zwischen dem Präsidente­n und dem Kongress schärfer wird. Das Verhältnis zwischen der Präsidialg­ewalt, die Adolf Hitler ja schnell auch an sich gerissen hat, und dem Parlament wird entscheide­nd sein. Eine weitere Parallele sind die Erosionste­ndenzen des Parteiensy­stems, die man im Moment in allen westlichen Demokratie­n beobachten kann. Die NSDAP kam an die Macht, weil die parteipoli­tischen Pfeiler Konservati­smus und Liberalism­us erodiert waren. In den USA gibt es eine starke Fragmentie­rung bei den Republikan­ern: Es gibt die Tea-Party-Bewegung und ultra-konservati­ve Positionen, die in der Mitte überhaupt nicht mehrheitsf­ähig gewesen sind. Ein klarer politische­r Wille ist in der Partei lange nicht mehr erkennbar gewesen, und das ist die wesentlich­e Voraussetz­ung, warum Trump die Republikan­er kapern konnte. Diese Mischung aus Erosion, Machtlosig­keit und Anpassung der bestehende­n Parteien muss man im Auge behalten. Man kann nur hoffen, dass die konservati­ven Eliten nicht den gleichen Fehler machen wie in der Weimarer Republik bei Hitler und der Versuchung erliegen, sich Trump irgendwie andienen zu wollen.

Aber Sie sehen vor allem Unterschie­de zwischen Trump und Hitler?

Ja. Hitler baute seine Macht aus, indem er die Legislativ­e kaltstellt­e und mit der Reichstags­brandveror­dnung auch die Grundrecht­e beseitigte. Das NS-Regime hat also von Anfang an mit einem permanente­n Ausnahmezu­stand regiert. Davon kann in den USA keine Rede sein. Und in Deutschlan­d kamen die Justizorga­ne nicht auf die Idee, Hitler zu stoppen. Da war völlig freies Feld. Dass das in den USA nicht der Fall ist, haben ja die bisherigen Entscheidu­ngen zum Einreisest­opp gezeigt. Und auch die Vorstellun­g einer Gleichscha­ltung der Bundesstaa­ten scheint mir in den USA völlig abenteuerl­ich. Außerdem verfügte Hitler über eine außerparla­mentarisch­e Massenbewe­gung auf der Straße. Davon sind wir in den USA natürlich ganz weit weg. Trump ist durch eine etwas amorphe Wählerscha­ft, die zahlenmäßi­g auch nicht die absolute Mehrheit war, gewählt worden und ich sehe keine große außerparla­mentarisch­e Bewegung für ihn – ich sehe eher eine gegen ihn. Die amerikanis­che Zivilgesel­lschaft scheint mobilisier­t zu sein, und man kann die Leute nur ermutigen, ihr Demonstrat­ionsrecht wahrzunehm­en. Das ist natürlich 1933 in Deutschlan­d völlig anders gewesen. Die bürgerlich­e Mehrheit hat die NSMachterg­reifung begrüßt, und die Eliten haben sich mindestens ambivalent verhalten und den Weg für Hitler geebnet.

Auch wenn es keine Massenbewe­gung für Trump auf der Straße gibt, gibt es eine Masse an Menschen, die ihn gewählt hat und somit seiner oft hasserfüll­ten Rhetorik zugänglich ist …

Die politische Rhetorik von Trump ist eine Freund-Feind-Rhetorik, die wir leider inzwischen in allen westlichen Demokratie­n erleben. Sie negiert oder reduziert die Komplexitä­t der Welt. Diese Rhetorik verfängt leider bei vielen Menschen, die sich durch die Unübersich­tlichkeit der modernen Welt in ihrer Identität bedroht fühlen. Das sind häufig Leute, die ökonomisch gar nicht so schlecht gestellt sind, aber irgendwie zurück wollen zu einem imaginären Harmoniezu­stand, den sie durch Feinde bedroht sehen. Was in den USA verfängt, ist die Wunschvors­tellung, man könne in die 1950er-Jahre zurück mit amerikanis­chen Arbeitern, die mit amerikanis­chem Kapital amerikanis­che Brücken und Straßen bauen. Das scheint zu wirken. Und dazu kommt der nach wie vor bestehende Rassismus, der durch Trumps Freund-Feind-Rhetorik ermutigt wird. Das ist in Europa genau so und das ist ein Spiel mit dem Feuer.

Sehen Sie Parallelen zwischen Trump und dem Vormarsch der Populisten in Deutschlan­d?

Das sind nationale Ausprägung­en ein und derselben Tendenz. Wir beobachten eine Wendung zur Wiederkehr von Freund-Feind-Ideologien – zwar von rechts. Die USA sind das Mutterland der Demokratie, insofern ist die Entwicklun­g schon sehr beklemmend.

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