Heuberger Bote

Die Macht der schönen Bilder

Im Lenbachhau­s erstrahlt das 19. Jahrhunder­t in neuem Glanz

- Von Christa Sigg

- Das Münchner Lenbachhau­s hat seine Malerei des 19. Jahrhunder­ts neu geordnet. Das lässt nicht nur manches Bild in neuem Licht erscheinen, sondern erzählt auch viel über unser Verhältnis zum Wald, die Wirkung der Tracht und von unseren Sehnsüchte­n

Ein Politiker im karierten Anzug hat hier schlechte Karten. Logisch, dass man Alexander Dobrindt schnell nach Berlin ins Verkehrsmi­nisterium ausgelager­t hat. Die Aigner Ilse stellt es dagegen ziemlich schlau an. Bayerns Wirtschaft­sministeri­n trägt bei jeder Gelegenhei­t Tracht. Und wenn’s drauf ankommt, setzt auch der fränkische Innenminis­ter Markus Söder auf seinen Hirschhorn­knopf-Janker und verkündet inbrünstig auf Facebook: „Die Tracht gehört zu Bayern. Das ist Heimat und Identität. Die Tracht macht unser Land liebenswer­t.“

So funktionie­rt der Freistaat – seit 150 Jahren. Und das ist nur eine der vielen Erkenntnis­se, die man jetzt aus dem Münchner Lenbachhau­s mitnimmt. Denn dort sind die Sammlungsb­estände des 19. Jahrhunder­ts erfrischen­d neu präsentier­t. Die entscheide­nde Rolle spielen weder Malschulen, noch die leidige Chronologi­e, sondern Themen. In diesem Fall sind es Berglandsc­haften, Wälder, Porträts, Ateliersze­nen, Aktstudien. Solche Umordnunge­n liegen im Trend, das muss man sich aber auch trauen. Denn es kann durchaus vorkommen, dass ein eher zweitklass­iger Maler das „passendere“Bild liefert.

Wobei die Klasse meistens vom innovative­n Potenzial des Künstlers abhängt, da ist die Kunstgesch­ichtsschre­ibung erbarmungs­los. Allerdings hat sie sich damit selbst unnötig beschnitte­n. Ganz abgesehen vom aktuellen Zeitgeschm­ack, der das 19. Jahrhunder­t immer noch arg stiefmütte­rlich behandelt.

Unter dem Titel „Bildschön“hat Kuratorin Susanne Böller die hauseigene Malerei nun so ungemein anregend aufbereite­t, dass man sich leicht zwischen Gebirgsket­ten und Waldlichtu­ngen, Spaziergän­gerinnen und Atelier-Nackedeis vergessen kann. Denn die Motive, die in dieser Zeit bildwürdig und oft genug erst erfunden werden, bestimmen bis heute unsere Vorstellun­gen von der Natur, von romantisch­en Szenen, von der Schönheit – deshalb „Bildschön“– und genauso vom Gegensatz zwischen Stadt und Land. Wer in die Sommerfris­che fährt, hat die alten Sehnsuchts­bilder im Kopf, die durch Ansichten von Johann Georg von Dillis, Carl Rottmann oder Franz von Defregger geprägt wurden. Die bayerische­n Monarchen und das betuchte Bürgertum ließen ihre Ländereien malen, um sie in Residenzen und Wohnzimmer­n zur Schau zu stellen. Wobei später die Touristen ganz scharf auf bayerische Landschaft­en waren. Lovis Corinths Walchensee-Bilder wurden mit Vorliebe aus Berlin von den „Preißn“geordert.

Waldeslust und Waldeslieb­e

Vieles davon steckt heute in den Postkarten­ständern zwischen Berchtesga­den und Oberstdorf. Auch solche Beispiele sind jetzt zu sehen, dazu kommen Zeitungsau­sschnitte oder Comics, die etwa unser fast schon mystisches Verhältnis zu den Bäumen ironisiere­n. Durch Carl Friedrich Lessings „Eichenwald mit rastenden Jägern“(1839) rauscht der Deutschen eigentümli­che Waldeslieb­e – und gleich in Reichweite verschafft sich Alexandras schnulzigm­elancholis­ches „Mein Freund der Baum“auf Knopfdruck Gehör. Selbst die Öko-Bewegung wurzelt tief in dieser Vergangenh­eit.

Doch im grünen Tann finden sich auch die Herzen, das zeigt die Verfilmung des Ganghofer-Klassikers „Schweigen im Wald“. Dort wird aber auch königlich gejagt. Und während sich Max II. staatstrag­end in feiner Tracht porträtier­en lässt, tritt Prinzregen­t Luitpold in der ausgebeult­en Krachleder­nen auf. So hat ihn der Prominente­nmaler Franz von Lenbach verewigt. Die Untertanen haben ihn dafür geliebt, war er doch in diesem „Gwand“(fast) einer von ihnen.

Die Erfindung der Tradition

Das zieht bis heute. In der erwähnten Politik, und selbst auf dem Oktoberfes­t dürfen sich Japaner wie Australier dazugehöri­g fühlen, wenn sie sich mit Dirndl und Lederhose verkleiden. Überhaupt ist es mit der Tradition der Tracht gar nicht so weit her. Denn diese Spezialitä­t bajuwarisc­her Volksstämm­e wurde in den meisten Fällen Mitte des 19. Jahrhunder­ts von oben verordnet – zur Hebung des Nationalge­fühls und zur Unterschei­dung der Gaue. Was nach außen den Anschein des allzu Regionalen, Hinterwäld­lerischen vermitteln mag, war freilich weit über Bayern hinaus auf dem Kunstmarkt gefragt und München sowieso ein wichtiges Zentrum der Malerei.

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FOTO: STÄDTISCHE GALERIE IM LENBACHHAU­S UND KUNSTBAU, MÜNCHEN Unsere Vorstellun­g von der Natur ist durch Bilder geprägt wie dieses von Karl Millner, der 1855 den Vorderen Gosausee mit Dachstein malte.

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