Illegale gute Geister
In Rom machen sich Immigranten nützlich und erfreuen die müllgeplagte Bevölkerung mit Aufräumarbeiten
- Aydele sammelt alles ein, was er so findet. Und zu finden gibt es für den Nigerianer eine Menge. Leere Plastikflaschen, zerknüllter Papiermüll, Plastiktüten und leere Bierflaschen, ganz zu schweigen von den Hundekötteln, die selbst im schicken römischen Wohnviertel Parioli immer wieder die Bürgersteige verunzieren. Der 33-jährige Aydele trägt Gummihandschuhe für die Hunderückstände, „die habe ich mir extra für diese Arbeit gekauft“, erklärt er in brüchigem Italienisch. Er ist auch mit einem großen schwarzen Müllsack ausgestattet. Einzusacken gibt es viel auf den Straßen und Bürgersteigen in Parioli. „Ich verstehe nicht“, meint Aydele, „warum die Leute hier diese Sachen einfach so wegwerfen!“
Während der junge Mann aus Nigeria einen Bürgersteig säubert, Meter für Meter, kommt eine ältere Römerin vorbei. Sie trägt eine Papiertüte. „Da sind Cornettihörnchen mit Marmelade drin“, sagt Laura Pettucci. „Für Aydele, denn dank ihm stolpern wir hier nicht mehr über all den Müll.“
Aydele weiß, dass er jeden Tag von Signora Laura zwei Cornetti bekommt. Ein anderer Anwohner spendiert ihm jeden Morgen einen Cappuccino. Ein weiterer Römer steckt ihm einmal pro Woche 20 Euro zu. „Immer wieder bedanken sich die Menschen hier bei mir“, wundert sich der Nigerianer, „dabei haben die doch die großen Müllfahrzeuge, die zweimal in der Woche vorbeikommen“. „Die aber“, sagt Signora Laura voller Wut, „nicht alles mitnehmen und beim Ausladen der Müllcontainer einen guten Teil auf die Straße fallen lassen, der dann hier liegen bleibt“.
Aydele ist einer von mehreren sogenannten „lavastrada“, Straßenreinigern, die man seit einiger Zeit in verschiedenen römischen Stadtvierteln antrifft. Sie wollen etwas Sinnvolles tun.
Nicht alle lavastrada sind so gesprächig wie der Nigerianer. Die meisten wollen mit niemandem reROM den, weil sie die italienische Sprache nicht beherrschen oder schüchtern sind. Vor allem aber, weil sie keine Aufenthaltsgenehmigungen besitzen. „Wir sind doch alle illegal hier“, gibt Aydele zu, der nachts in einer Unterkunft der katholischen Kirche Roms schläft. „Wir wollen nicht einfach nur herumsitzen und nichts tun, das bringt uns doch nur auf dumme Gedanken“, meint Aydele.
In Parioli, Prati, Trastevere und in anderen Stadtteilen sieht man vor allem Schwarzafrikaner, die den öffentlichen Raum säubern. „Die also das tun“, grollt Maria Giarrattana, die in Trastevere wohnt, „was eigentlich unsere städtischen Müllmänner tun sollten“.
Aber nicht tun. Die städtische Gesellschaft zur Müllentsorgung AMA steht mit Hunderten von Millionen Euro in der Kreide. Zu wenig Müllmänner sind mit zu wenig Besen ausgestattet. Die Müllwagen sind zum Teil alt und funktionsuntüchtig. Roms Müllkippe Malagrotta ist seit sechs Jahren voll. Etwa 65 Prozent von Roms Abfällen müssen deshalb zur Entsorgung in andere italienische und ausländische Städte verschickt werden. Ein teures Unterfangen. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi hat seit ihrer Wahl im vergangenen Juni nichts gegen diesen Zustand unternommen.
„Herzlich willkommen“
„Aydele und die anderen Einwanderer sind uns deshalb herzlich willkommen“, meint auch Antonella Pastore, die im Stadtteil Prati eine Modeboutique besitzt. „Seit diese Leute hier sauber machen, können sich unsere Bürgersteige wieder sehen lassen!“Wie Signora Pastore denken viele Geschäftsinhaber und Kaffeebarbesitzer. Sie begrüßen den unerwarteten Reinigungsdienst, „da sich ja unsere Stadtverwaltung“, schimpft Antonella Pastore, „einen Dreck um Sauberkeit kümmert“.
In einer Kaffeebar in Prati erhielten die illegalen Einwanderer sogar gratis Rechtsberatung, erzählt Besitzer Mauro de Santis. „Ich kenne zwei Anwälte, die auch hier im Viertel wohnen und den Reinigungsdienst toll finden“, berichtet de Santis, „und die haben sich gleich dazu bereit erklärt, einmal in der Woche für die lavastrada präsent zu sein und ihnen im Papierkram mit den italienischen Behörden zu helfen“.
Aydele freut sich über diese Hilfsbereitschaft. „Hoffentlich werden die Menschen in Deutschland, wo ich meinen Bruder in Berlin erreichen will, genauso freundlich sein wie hier in Rom“, sagt der junge Nigerianer.