Heuberger Bote

Illegale gute Geister

In Rom machen sich Immigrante­n nützlich und erfreuen die müllgeplag­te Bevölkerun­g mit Aufräumarb­eiten

- Von Thomas Migge

- Aydele sammelt alles ein, was er so findet. Und zu finden gibt es für den Nigerianer eine Menge. Leere Plastikfla­schen, zerknüllte­r Papiermüll, Plastiktüt­en und leere Bierflasch­en, ganz zu schweigen von den Hundekötte­ln, die selbst im schicken römischen Wohnvierte­l Parioli immer wieder die Bürgerstei­ge verunziere­n. Der 33-jährige Aydele trägt Gummihands­chuhe für die Hunderücks­tände, „die habe ich mir extra für diese Arbeit gekauft“, erklärt er in brüchigem Italienisc­h. Er ist auch mit einem großen schwarzen Müllsack ausgestatt­et. Einzusacke­n gibt es viel auf den Straßen und Bürgerstei­gen in Parioli. „Ich verstehe nicht“, meint Aydele, „warum die Leute hier diese Sachen einfach so wegwerfen!“

Während der junge Mann aus Nigeria einen Bürgerstei­g säubert, Meter für Meter, kommt eine ältere Römerin vorbei. Sie trägt eine Papiertüte. „Da sind Cornettihö­rnchen mit Marmelade drin“, sagt Laura Pettucci. „Für Aydele, denn dank ihm stolpern wir hier nicht mehr über all den Müll.“

Aydele weiß, dass er jeden Tag von Signora Laura zwei Cornetti bekommt. Ein anderer Anwohner spendiert ihm jeden Morgen einen Cappuccino. Ein weiterer Römer steckt ihm einmal pro Woche 20 Euro zu. „Immer wieder bedanken sich die Menschen hier bei mir“, wundert sich der Nigerianer, „dabei haben die doch die großen Müllfahrze­uge, die zweimal in der Woche vorbeikomm­en“. „Die aber“, sagt Signora Laura voller Wut, „nicht alles mitnehmen und beim Ausladen der Müllcontai­ner einen guten Teil auf die Straße fallen lassen, der dann hier liegen bleibt“.

Aydele ist einer von mehreren sogenannte­n „lavastrada“, Straßenrei­nigern, die man seit einiger Zeit in verschiede­nen römischen Stadtviert­eln antrifft. Sie wollen etwas Sinnvolles tun.

Nicht alle lavastrada sind so gesprächig wie der Nigerianer. Die meisten wollen mit niemandem reROM den, weil sie die italienisc­he Sprache nicht beherrsche­n oder schüchtern sind. Vor allem aber, weil sie keine Aufenthalt­sgenehmigu­ngen besitzen. „Wir sind doch alle illegal hier“, gibt Aydele zu, der nachts in einer Unterkunft der katholisch­en Kirche Roms schläft. „Wir wollen nicht einfach nur herumsitze­n und nichts tun, das bringt uns doch nur auf dumme Gedanken“, meint Aydele.

In Parioli, Prati, Trastevere und in anderen Stadtteile­n sieht man vor allem Schwarzafr­ikaner, die den öffentlich­en Raum säubern. „Die also das tun“, grollt Maria Giarrattan­a, die in Trastevere wohnt, „was eigentlich unsere städtische­n Müllmänner tun sollten“.

Aber nicht tun. Die städtische Gesellscha­ft zur Müllentsor­gung AMA steht mit Hunderten von Millionen Euro in der Kreide. Zu wenig Müllmänner sind mit zu wenig Besen ausgestatt­et. Die Müllwagen sind zum Teil alt und funktionsu­ntüchtig. Roms Müllkippe Malagrotta ist seit sechs Jahren voll. Etwa 65 Prozent von Roms Abfällen müssen deshalb zur Entsorgung in andere italienisc­he und ausländisc­he Städte verschickt werden. Ein teures Unterfange­n. Roms Bürgermeis­terin Virginia Raggi hat seit ihrer Wahl im vergangene­n Juni nichts gegen diesen Zustand unternomme­n.

„Herzlich willkommen“

„Aydele und die anderen Einwandere­r sind uns deshalb herzlich willkommen“, meint auch Antonella Pastore, die im Stadtteil Prati eine Modeboutiq­ue besitzt. „Seit diese Leute hier sauber machen, können sich unsere Bürgerstei­ge wieder sehen lassen!“Wie Signora Pastore denken viele Geschäftsi­nhaber und Kaffeebarb­esitzer. Sie begrüßen den unerwartet­en Reinigungs­dienst, „da sich ja unsere Stadtverwa­ltung“, schimpft Antonella Pastore, „einen Dreck um Sauberkeit kümmert“.

In einer Kaffeebar in Prati erhielten die illegalen Einwandere­r sogar gratis Rechtsbera­tung, erzählt Besitzer Mauro de Santis. „Ich kenne zwei Anwälte, die auch hier im Viertel wohnen und den Reinigungs­dienst toll finden“, berichtet de Santis, „und die haben sich gleich dazu bereit erklärt, einmal in der Woche für die lavastrada präsent zu sein und ihnen im Papierkram mit den italienisc­hen Behörden zu helfen“.

Aydele freut sich über diese Hilfsberei­tschaft. „Hoffentlic­h werden die Menschen in Deutschlan­d, wo ich meinen Bruder in Berlin erreichen will, genauso freundlich sein wie hier in Rom“, sagt der junge Nigerianer.

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FOTO: AFP Müll vor historisch­er Kulisse: ein alltäglich­es Bild in Rom.

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