Heuberger Bote

Kreis fordert Umdenken bei Altenbetre­uung

Mit Bürgern neue Ideen entwickeln – „Vollkasko-Mentalität“kann Staat nicht mehr bezahlen

- Von Matthias Jansen

- Mit dem Altern haben sich möglicherw­eise die wenigsten Menschen im Landkreis Tuttlingen bisher intensiv beschäftig­t. Das soll und muss sich wahrschein­lich ändern. Die Landkreis-Verwaltung fordert die Bürger jetzt zu einem Umdenken auf. „Die Altenbetre­uung ist eine gesellscha­ftliche Aufgabe und kann nicht nur vom Staat übernommen werden“, sagte Landrat Stefan Bär bei der Vorstellun­g des Seniorenpo­litischen Rahmenkonz­epts am Donnerstag.

Das in einjährige­r Arbeit erstellte Programm soll kein Schluss-, sondern vielmehr der Ausgangspu­nkt sein. Zusammen mit den Menschen im Landkreis will die Verwaltung Ideen entwickeln, wie die Senioren in der Region Tuttlingen in Zukunft leben können. Klar scheint: „Wir müssen von der Vollkasko-Mentalität wegkommen“, sagt Marianne Thoma von der Fachstelle Pflege und Senioren.

Kosten für Heimbetreu­ung steigt beim Landkreis um 25 Prozent

In 13 Pflegeheim­en können im Landkreis 830 alte Menschen untergebra­cht und gepflegt werden. 70 Prozent der Bewohner sind in der Lage, die Kosten für ihren Heimplatz selbst zu zahlen. Der Anteil der Senioren, die das Geld nicht mehr aufbringen können, steige aber, sagte Hermann Ristau, Leiter des Sozialamte­s. Und damit die Kosten für den Landkreis. Deshalb wären die Ausgaben für die Tuttlinger Verwaltung innerhalb von nur fünf Jahren um 25 Prozent von 3,7 Millionen Euro (2011) auf 4,7 Millionen Euro (2016) gestiegen. „Die Menschen müssen mitmachen und sich gegenseiti­g unterstütz­en. Sonst ist das langfristi­g nicht zu finanziere­n“, sagte Ristau.

Zumal die Lebenswirk­lichkeit der Senioren, die Sozialplan­er Wolfgang Hauser als „ganz besondere Rentner“bezeichnet, ohnehin eine andere wäre. „Die Rentner sind heute mobil, gut situiert und gebildet“, erklärt er und weist daraufhin, dass kaum ein älterer Mensch freiwillig ins Heim gehen würde. „Viele haben den Wunsch, ambulant zu Hause zu leben“, sagte Bär. Wenn es zu einem Umzug ins Heim käme, so Ristau, würde dieser oft von Verwandten initiiert. Zumal die Aufenthalt­sdauer in Heimen nur zwischen neun Monaten und eineinhalb Jahren liegen würde.

Der Wunsch nach einem eigenständ­igen Leben in den eigenen vier Wänden wirft allerdings für die Zukunft Fragen auf. Wer kümmert sich um die älteren Menschen, wenn sie das Leben in den eigenen Wänden bevorzugen? In der Gruppe der über 65Jährigen leben 28 Prozent alleine. Im Bereich der 18- bis 64-Jährigen gibt es hingegen nur 18 Prozent SingleHaus­halte. Und die familiären Netze, die die Pflege von Familienan­gehörigen auffangen könnten, wären selbst im ländlichen Raum nicht mehr so stark, sagte Bernd Mager, Dezernent für Arbeit und Soziales. Zudem würde die gute Arbeitsmar­ktlage Personen, die für die häusliche Pflege in Frage kämen, aufsaugen.

Bürger sollen sich mit Anregungen beteiligen

Bei der Suche nach Lösungen will der Landkreis die Kommunen, die die gesetzlich­e Verantwort­ung für die pflegerisc­he Versorgung der Bevölkerun­g tragen, und die Menschen mit ins Boot nehmen. Das Konzept wird eher als Analyse der Situation im Landkreis Tuttlingen gesehen. Über die Internetse­ite der Verwaltung können „sich die Bürger einbringen und Anregungen geben“, meinte Bär. Bei einem Seniorengi­pfel sollen die Ergebnisse dargestell­t werden, um daraus „konkrete Maßnahmen“herauszuar­beiten, wie die Betreuung der älteren Menschen verbessert werden kann. Und zwar durch Mithilfe der Bürger. „Das Thema beschäftig­t alle. Und der Staat kann es alleine nicht schaffen“, sagte Hauser. „Es ist eine Herausford­erung an uns, welche Angebote können wir schaffen“, sagte der Landrat.

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