„Schützling“zwingt Helferin zum Sex: Freiheitsstrafe
Nach Liebesgeständnis eskaliert die Situation – Angeklagter gesteht die Tat weitgehend vor Tuttlinger Amtsgericht
Ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und Bedrohung: Das ist die Konsequenz eines Vorfalls im September 2016, als ein im nördlichen Landkreis Tuttlingen lebender Flüchtling sich an seiner Helferin verging.
Der Mann gilt als vorbildlich integriert, verfolgte die Gerichtsverhandlung fast gänzlich in Deutsch und sagte auch in Deutsch aus, ist nicht vorbestraft, nimmt keine Drogen, trinkt und raucht nicht. Er habe aus regelmäßigem vertrauten Kontakt heraus Gefühle für seine Helferin entwickelt, so das Urteil, ihr diese gestanden, sie gefragt, ob sie mit ihm schlafen wolle. Nach ihrer Ablehnung eskalierte die Situation. Letztlich sah sich die deutlich ältere Frau gezwungen, den Mann zu küssen und manuell zu befriedigen. Zum Erguss sei es aber nicht gekommen, so die Aussage des Angeklagten, dem auch das Opfer nicht widersprach.
Denn irgendwann habe es in seinem Kopf „Plop gemacht“, so fasste es sein Verteidiger in seinem Plädoyer zusammen, und der Mann sei wieder zur Besinnung gekommen.
Die Vernehmung des Opfers fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das hatte ihr Anwalt, Ulrich Bautz, beantragt.
Der Ehemann des Opfers schilderte, dass seine Frau zitternd und geschockt nach Hause gekommen sei und ihm den Übergriff berichtete. „Nie im Leben hätten wir mit so etwas gerechnet.“
Der Angeklagte schilderte den Sachverhalt in seiner Befragung detailliert und differenziert. Dass er dabei, wie der Richter später sagte, das Geschehen weitgehend übereinstimmend mit dem Opfer berichtete und auch keinerlei Tendenzen zeigte, irgend eine Schuld auf die Helferin abzuwälzen, rechneten sowohl ihr Anwalt, als auch Staatsanwalt Frank Grundke und letztlich das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Thomas Straub entlastend an. Und auch, dass das Urteil ausländerrechtliche Konsequenzen haben werde.
Man habe sich verabredet und getroffen, um eine bürokratische Frage zu klären und sich in der Küche unterhalten wie sonst auch. Im Flur seiner kleinen Wohnung habe er ihr dann ihre Gefühle gestanden und sie gefragt, ob sie mit ihm schlafe. Sie habe abgelehnt, weil sie glücklich verheiratet sei. Er habe ihr, als sie geschrien habe, die Hand auf den Mund gelegt, sie habe sich von ihm wegbewegt, sei in den beengten Räumen gestolpert und aufs Bett gefallen. Darauf habe er sich seitlich auf ihre Hüfte gesetzt und ihr wieder die Hand vor den Mund gehalten. „Ich habe ihr nie wehtun wollen.“
Nach wiederholter Frage, ob sie mit ihm schlafe, habe er nach einem Kuss gefragt und auch danach, manuell befriedigt zu werden. Er habe seit seinem Aufenthalt in Deutschland, also zwei Jahren, keinen Sex mehr gehabt. Als sie mit Hilfe von Flüssigseife versuchte, ihn zu befriedigen, habe er plötzlich gedacht: „Was mache ich hier für einen Scheiß, sie könnte meine Mutter sein und sie hat mir immer nur Gutes getan.“Mehrfach brach der Mann in Tränen aus, sagte, dass er die Tat zutiefst bereue. Er habe sich sofort entschuldigt.
Rechtliche Kernfrage war also, ob der Angeklagte wusste, dass sowohl Kuss als auch Befriedigung nicht freiwillig geschahen, sondern unter dem Eindruck der Bedrohung.
Hier sagte Richter Straub im Urteil, folge man ihrer Version. Der Mann habe sie an den Oberarmen gepackt, wovon zwei Blutergüsse zeugten, und ins Schlafzimmer gezerrt.
Auch habe er ihr nicht den Mund zugehalten, sondern die Hände zweimal an den Hals gelegt, nicht zugedrückt, wohl aber gedroht, sie umzubringen. Dass sie aktiv am Folgenden teilgenommen habe, sei klar der Angst für Leib und Leben geschuldet, so der Richter. Verteidiger Rasmus Reinhardt hatte in seinem Plädoyer die sexuelle Nötigung bestritten: „Es hat bei ihm ausgesetzt.“
Auch der Staatsanwalt, der zwei Jahre mit möglicher Bewährung forderte, sprach von „Augenblicksversagen“, trotzdem habe der Mann nicht von Freiwilligkeit der sexuellen Handlungen ausgehen können. Die abweichenden Schilderungen wertete der Staatsanwalt als „Schutzbehauptung“.
„Es gibt nur Verlierer“
Für das Opfer sprach ihr Anwalt: Es gehe ihr darum, abzuschließen. In dieser Sache könne es „nur Verlierer geben“. Das Opfer sei traumatisiert und habe das Vertrauen in andere Menschen verloren, der Angeklagte werde bestraft, viele weitere Leute, die Flüchtlingen helfen, seien vor den Kopf gestoßen, und Rechtsextreme würden den Vorfall sicher zu Propagandazwecken ausnützen.