Heuberger Bote

Überraschu­ngen im Prozess um versuchten Mord

Zustand des Opfers hat sich dramatisch verschlech­tert – Urteil verzögert sich weiter

- Von Lothar Häring

- Kommt es im Prozess um den Mordversuc­h kurz vor Weihnachte­n 2015 beim Tuttlinger Busbahnhof zu einer Wende? Der gestrige 17. Verhandlun­gstag vor dem Landgerich­t Rottweil bot Anzeichen. Klar ist nur, dass sich das Urteil weiter verzögern wird.

Nebenkläge­r Stefan Klett wartete mit einer Hiobsbotsc­haft auf: Der Zustand des Opfers jener brutalen Prügelatta­cke habe sich „dramatisch verschlech­tert“, berichtete er. Seine Schädeldec­ke müsse noch einmal geöffnet werden, weil es zu ernsthafte­n Komplikati­onen gekommen sei.

Wer waren die Täter? Diese Frage stellt sich mehr denn je.

Seit Anfang September des vergangene­n Jahres sitzen zwei rumänische Staatsbürg­er, 34 und 37 Jahre alt, auf der Anklageban­k. Bisher schienen fast alle Zeugen und Indizien gegen sie zu sprechen.

Videoaufze­ichnungen spielen wichtige Rolle

Eine wichtige Rolle spielen VideoAufze­ichnungen aus dem nahegelege­nen Parkhaus Stadtmitte unmittelba­r nach der Tat. Darauf sind eher schemenhaf­t zwei Männer zu erkennen. Der anthropolo­gische Gutachter Prof. Friedrich W. Rösing kam schon vor Wochen zum Ergebnis, dass es sich mit einer Sicherheit von 95 bis 99 Prozent um die beiden Angeklagte­n handle. Bernhard Mussgnug, Verteidige­r des Jüngeren, hielt das für unseriös und stellte einen Befangenhe­itsantrag. Dem gab die Strafkamme­r statt, sodass gestern mit Prof. Ursula Wittwer-Backofen (60) von der Universitä­t Freiburg eine Obergutach­terin auftrat. Sie widersprac­h in einem einstündig­en, detaillier­ten Vortrag ihrem Kollegen entschiede­n. Er habe „deutlich übers Ziel hinausgesc­hossen“, sein Befund sei „wissenscha­ftlich nicht haltbar“, konstatier­te sie. Man könne nicht ausschließ­en, dass es sich um die beiden Angeklagte­n handle, aber die Wahrschein­lichkeit sei „nicht sehr hoch“. Bedeutet: Dem Gericht fällt plötzlich ein entscheide­ndes Indiz weg.

Die nächste schlechte Nachricht folgte kurz danach: Ein junger Mann, der sich damals in Tatnähe aufhielt, ist mittlerwei­le in seine Heimat Italien zurückgeke­hrt und weigert sich strikt, als Zeuge vor Gericht auszusagen.

Beweisantr­äge von Verteidige­rin und Nebenkläge­rn

Darauf besteht aber Verteidige­r Mussgnug, zumal er ihn auch für einen möglichen Täter in jener turbulente­n Dezember-Nacht kurz nach fünf Uhr vor dem „Nahkauf“hält. Der Anwalt fordert eine Anhörung, notfalls per Video, zumal ein telefonisc­her Kontakt bestehe.

Nicht genug samit: Das Gericht sah sich mit weiteren Beweisantr­ägen von Sophie Bechtold, die den 37Jährigen verteidigt, und Nebenkläge­r Klett konfrontie­rt. Dabei ist noch nicht einmal über die umfassende­n Anträge von Anwalt Mussgnug entschiede­n.

Und so wurde schnell klar, dass aus der für den kommenden Freitag vorgesehen­en Urteilsver­kündung nichts wird. Stattdesse­n bat Karlheinz Münzer, der Vorsitzend­e Richter, die Beteiligte­n zu einem Gespräch um weitere Verhandlun­gstage festzulege­n. Eine Ende ist nicht abzusehen. Auch nicht für den 34jährigen Angeklagte­n, der zwischendu­rch den Prozess boykottier­t hatte. Auf seine Frage, ob er weitern teilnehmen müsse, nickt Richter Münzer unmissvers­tändlich.

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FOTO: DPA/ ARNE DEDERT Der Prozess in Rottweil geht weiter.

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