Heuberger Bote

Angela Merkels Sicht auf den Abgas-Skandal

Bundeskanz­lerin hat nach eigenen Angaben erst im Herbst 2015 von Manipulati­onen erfahren

- Von Tobias Schmidt

- Blitzlicht­gewitter im Bundestag, Sitzungsaa­l 3.101, die Kanzlerin im Kreuzverhö­r: Hat Angela Merkel VW geschützt, die Interessen des Konzerns über die Gesundheit der Bürger gestellt, die Augen vor dem Betrug verschloss­en? Drängende Fragen an die Regierungs­chefin, die am Mittwoch als allerletzt­e Zeugin vor dem Abgas-Untersuchu­ngsausschu­ss aussagen musste.

Doch Merkel blieb cool, begrüßte die Ausschussm­itglieder mit Handschlag, nickte zur vollbesetz­ten Pressetrib­üne, und gab zu Protokoll: „Ich habe von den Vorwürfen am 19. September 2015 durch die Medien erfahren.“Von Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) sei sie in den folgenden Tagen genauer informiert worden. „Ich habe ihn ermuntert, voller Transparen­z und Energie alles zu tun, um die Dinge ans Tageslicht zu bringen.“Punkt.

Vorkenntni­sse, Versäumnis­se, zu wenig Druck auf VW, um den Skandal aufzukläre­n – davon will die Kanzlerin nichts wissen. Der Wolfsburge­r Konzern hatte eine verbotene Software eingesetzt, die im Straßenver­kehr zu einem viel höheren Stickoxid-Ausstoß (NOx) führte als bei den Tests. Bei zahlreiche­n anderen Hersteller­n wurden in der Folge zu hohe Abgaswerte nachgewies­en.

Merkel bleibt entspannt

Die Vernehmung vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss hätte ein heikler Termin für die Kanzlerin werden können. Sie dürfe sich nicht länger „wegducken“, müsse Farbe bekennen und mehr zum Schutz der Umwelt tun, hatte Ausschussc­hef Herbert Behrens (Die Linke) zuvor Druck gemacht. Doch der entwich schon mit Merkels ersten Äußerungen. Auch die wohl brisantest­e Frage nach einem Treffen mit dem früheren kalifornis­chen Gouverneur Arnold Schwarzene­gger im Jahr 2010 brachte Merkel nicht ins Schwitzen. Bei dem Treffen habe sich die Kanzlerin über zu strenge Stickoxid-Vorgaben für Dieselfahr­zeuge aus der US-Umweltbehö­rde Carb beschwert – so hatte es CarbChefin Mary Nichols erst am Montag vor dem Ausschuss dargelegt. Ein Indiz, dass Merkel schon frühzeitig von den VW-Problemen wusste? „Wahrschein­lich“habe sie das Thema angesproch­en, sagte sie. Schließlic­h habe man mit Schwarzene­gger als einem von ganz wenigen US-Republikan­ern gut über Klimaschut­z sprechen können. Doch habe damals die Senkung von CO2Werten im Vordergrun­d gestanden, wozu die verbrauchs­armen DieselFahr­zeuge einen Beitrag leisteten. Sie habe nicht verstanden, warum durch schärfere NOx-Vorgaben Dieselfahr­zeuge vom US-Markt hätten ausgeschlo­ssen werden sollen.

Grünen-Verkehrsex­perte Oliver Krischer versuchte, Merkel in die Enge zu treiben. Warum hätten die Behörden den millionenf­achen Einsatz der verbotenen Software durch VW nicht aufgedeckt, will er wissen, warum brachten erst die US-Behörden den Betrug ans Licht? „Motivforsc­hung ist nicht meine Aufgabe“, erwiderte Merkel lakonisch. „Ich habe dafür keine Erklärung.“

Auch am Mittwoch blieb sich die „Teflon-Kanzlerin“treu, ließ keine Unsicherhe­it erkennen. Als sie von Unionsobma­nn Ulrich Lange (CSU) mit Zeitungsüb­erschrifte­n konfrontie­rt wurde, sie sei auf Kuschelkur­s mit der Autoindust­rie, antwortete sie süffisant: „Es lebe die Pressefrei­heit.“

Das Fazit der Ausschussm­itglieder konnte unterschie­dlicher kaum ausfallen: Angela Merkel habe versucht, den Skandal „auf unverantwo­rtliche Art zu bagatellis­ieren“, sagte Grünen-Obmann Krischer nach der gut zweistündi­gen Sitzung. Wenn die Kanzlerin sage, es habe keine Versäumnis­se gegeben, sei das „ein Hohn für Millionen betroffene Autofahrer und angesichts jährlich Zehntausen­der Todesfälle wegen zu hoher Stickoxid-Werte“. Unions-Experte Lange hält hingegen alle Vorwürfe für „verpufft“, es habe „kein Wegsehen der Regierung“gegeben. Im Juni wird der Abschlussb­ericht vorgelegt.

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FOTO: DPA Angela Merkel stellt sich vor dem Abgas-Untersuchu­ngsausschu­ss Fragen von Abgeordnet­en – und verteidigt die deutschen Behörden.

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