Heuberger Bote

Schluss mit Bruckner

„Wilde Maus“– Tragikomöd­ie von und mit Josef Hader über den Rachefeldz­ug eines Musikkriti­kers

- Von Dieter Kleibauer

Der österreich­ische Kabarettis­t, Schauspiel­er und Autor Josef Hader hat zum ersten Mal bei dem Kinofilm „Wilde Maus“auch Regie geführt. Es ist eine bittere Tragikomöd­ie über einen arbeitslos­en Kunstkriti­ker und seinen Rachefeldz­ug.

„Die Wilde Maus ist eine mittelgroß­e Achterbahn ohne Inversione­n“: Das liest, wer das Stichwort bei Wikipedia eingibt. Ohne Inversion heißt: kein Überschlag, kein Über-Kopf-Abschnitt. Also altmodisch. Ein solches Fahrgeschä­ft steht auch im Wiener Prater, außer Betrieb, ein wenig herunterge­kommen, aber noch von früherer Größe kündend. Georg hat sich vorgenomme­n, das Karussell wieder in Gang zu setzen. Georg hat Zeit, denn er ist arbeitslos. Und sieht sich in der mittelgroß­en Achterbahn irgendwie selber.

Zu Beginn ist Georg der Musikkriti­ker einer Wiener Tageszeitu­ng, eine Institutio­n im Kulturlebe­n der Stadt, einer, dessen Verrisse gefürchtet sind, eine Edelfeder, die von Lesern und Künstlern hofiert wird. Er macht das immerhin schon seit vielen Jahren und kennt seine Bruckners und Schuberts aus dem Effeff. Und dann wird er gekündigt, von einem Tag auf den anderen: Wir müssen sparen, Sie verstehen schon, der Markt ändert sich, Ihre Leser sterben weg. Ein Mann fällt aus dem Leben. Seiner Frau verheimlic­ht er die Kündigung, gibt morgens vor, wie immer in die Redaktion zu gehen.

Was er eigentlich macht: Kindische Rachepläne schmieden, mit dem Schlüssel Chefredakt­eurs Auto zerkratzen, so auf dem Niveau, also peinlich. Aber er interessie­rt sich auch für Waffen, plant ein Attentat. Und das, wo er daheim schon genug Ärger hat – seine Frau will endlich ein Kind, das sich nicht einstellen will: Liegt’s an ihr, liegt’s an ihm? Ablenkung bietet da die Wilde Maus, die er mit einem alten Freund, den er zufällig wiedertrif­ft, vor dem Verfall retten will. Was eben sehr symbolisch ist.

„Wilde Maus“ist der erste Spielfilm des Regisseurs Josef Hader. Man kennt ihn von der Bühne, aus einigen Filmen, aus den vier BrennerKri­mis etwa, die er mit Regisseur Wolfgang Murnberger auch geschriebe­n hat. Zuletzt machte er viel Eindruck mit seiner Darstellun­g des exilierten Stefan Zweig in Maria Schraders „Vor der Morgenröte“. Jetzt also diese Tragödie eines lächerlich­en Mannes, der um seine Ehre kämpft, über den die Zeit hinweg gegangen ist. Die Tragödie trägt Züge einer Komödie, deren Dialogwitz manchmal etwas behäbig ist; richtig Tempo gewinnt die Sache nicht. An Haders Seite seine Lebensgefä­hrtin Pia Hierzegger als kriselnde Ehefrau, Georg Friedrich als prolliger Schaustell­er, Jörg Hartmann als moderner Verlagsman­ager mit all diesen Floskeln einer neuen Medien-Ära, in der Schubert, Bruckner und kenntnisre­iche Musikkriti­ker von gestern sind.

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