„Die Großen stellen die Weichen“
Der Sprecher der Betriebsräte Heuberg, Adolf Weber, zu Entwicklungen durch E-Mobilität
SPAICHINGEN/KREIS TUTTLINGEN - Die Energiewende und der technologische Fortschritt fahren mit einem gemeinsamen Untersatz: E-Auto. E-Mobilität im großen Stil hätte aber auch große Auswirkungen auf unsere Region mit ihren zahlreichen hochspezialisierten metallverarbeitenden Betrieben. Düstere Prognosen reden von bis zu 100 000 wegfallenden Jobs, die Mehrzahl in der Zuliefererindustrie. Regina Braungart hat sich mit dem Vorsitzenden der Betriebsräte Heuberg und Betriebsratsvorsitzenden der Hermle AG in Gosheim, Adolf Weber, dazu unterhalten.
Herr Weber, in wieweit ist das Thema E-Mobilität und die Folgen für die Arbeitswelt in der hiesigen Arbeitnehmerschaft Thema?
Unter den Arbeitnehmern wird es noch nicht groß diskutiert. So wie ich es feststellen kann, sind alle überrascht darüber, wie sich vor einem halben, dreiviertel Jahr die Automobilkonzerne plötzlich positiv zu dem Thema aufgestellt haben. Die Arbeitnehmer können nicht richtig abschätzen, welche Bedeutung das für sie hat. Wie weit Daimler, Audi, Porsche bereits sind, welche Entscheidungen schon getroffen worden sind, das kriegen die meisten nicht mit und sie glauben auch nicht.
Sie sagten, in Ihrer Firma sei E-Mobilität Thema, inwiefern? Und wie kommt es, dass Sie so aufmerksam in diesem Thema stecken?
Ich kriege es halt mit, weil wir eine innovative und weit denkende Firma sind. Unser Aufsichtsratsvorsitzender Dietmar Hermle riecht Zukunftsthemen und wirkt auch auf die Firma ein, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir bauen unter anderem schließlich auch Maschinen für die Zulieferer.
Die hiesigen Firmen haben ja schon nach der großen Krise in den 90er-Jahren stark diversifiziert, nur noch wenige bauen voll auf die Automobilindustrie. Haben Sie einen Einblick, zu wie viel Prozent die hiesigen Firmen von der Automobilindustrie abhängig sind?
Nein, das habe ich leider nicht.
Haben Sie das Gefühl, dass die Firmen, die direkt an den Verbrennungsmotoren mitwirken, auch die Chancen der Energiewende oder der E-Mobilität erkennen? Schließlich ist das einer der innovativsten und erfindungsreichsten Sektoren momentan. Auch Windräder brauchen Drehteile, in vielen Feldern der alternativen Energiegewinnung braucht man hochspezifische Metallteile.
Ich glaube, dass die Geschäftsleitungen von den Entwicklungen überrascht sind, vor allem davon, dass die Automobilindustrie jetzt voll auf EMobilität setzt. Die Geschäftsleitungen und Ingenieure sind gut und sehr erfindungsreich, aber wir wissen nicht, ob wir noch fünf oder nur noch zwei Jahre haben.
Aber es ist ja schon davon auszugehen, dass es noch bis zu zehn Jahre dauern wird, bis die Hybrid-Varianten ganz abgelöst sind, weil das Speicherproblem noch nicht gelöst ist.
Sie wissen, wie es bei den Handys war. Als das Speicherproblem gelöst war, da kam die Welle. Ich habe Freunde bei Daimler, aber es ist bei Audi und Porsche nicht anders. Offiziell heißt es, man strebe 2025 an, intern lautet die Zielrichtung, bis 2020 in jeder Klasse ein E-Auto anzubieten, und zwar zm selben Preis wie die konventionellen. Dann wissen wir auch, dass Sie und ich ein EAuto kaufen werden und wenn viele E-Autos kaufen, wird die Welle größer. Das können und wollen viele nicht einschätzen. Aber: die Großen stellen die Weichen, auch auf Kosten der Kleinen.
Das bedeutet aber auch, dass die Politik schnell etwas tun muss, um die Entwicklung abzupuffern, oder?
Natürlich. Die Kleinen hier haben mit viel Geld und Steuern den Staat mit aufgebaut, man kann sie jetzt nicht alleine lassen, man muss zum Beispiel Forschungsprojekte an die Seite stellen. Klar, die hiesigen Firmen sind pfiffig, die kriegen das hin, aber sie brauchen Unterstützung. Man kann nicht wie Daimler oder VW mal eine Weile 60 bis 100 Leute irgendwo anders „parken“. Auch die Investitionen sind für einen Daimler ein Klacks, für einen Mittelständler aber nicht. Da ist die Politik gefordert.