Wengers letzte Ölung, Bayerns Traum lebt
Nach dem neuerlichen 1:5 gegen die Münchner wird Arsenals Coach von vielen Seiten zum Rückzug aufgefordert
(dpa/SID/sz) - Während sich die Bayern in ihrem Londoner Stammquartier nach dem am Ende wieder triumphalen 5:1 (0:1) beim FC Arsenal im Achtelfinalrückspiel der Champions League ein wenig ins historische Triplejahr 2013 zurückversetzt fühlten, hieß es bei den Gunners nach der Demütigung: Scherben aufkehren und den Schuldigen für die Schmach finden. Der war schnell gefunden – zumindest, wenn man am Tag danach die britischen Zeitungen aufschlug. „Arsenal, ruhe in Frieden“, schrieb die „Sun“nach der höchsten Niederlage des FC Arsenal überhaupt im Emirates Stadium. Der Verein sei „tot und beerdigt“, der Trainer habe „die letzte Ölung erhalten“. Fazit: „Wenger muss gehen.“
Wenger, Arsène Wenger, ohne den das moderne Arsenal nicht existieren würde, dessen Lack nun aber nach 21 Jahren im Norden Londons ab zu sein scheint. Bereits vor dem Spiel, in dem Arsenal gut begonnen hatte und nicht nur wegen des Führungstreffers von Theo Walcott den Anschein erweckt hatte, das 1:5 aus dem Hinspiel vergessen machen zu wollen, hatten sich rund 200 Fans zu einem Protestmarsch in Richtung Stadion aufgemacht. Ihre Botschaft war eindeutig: „Genug ist genug!“Wenger „töte“den Klub, es sei an der Zeit, dass der Elsässer „au revoir“sage. Im Stadion setzte sich das fort, von einer breiten „Rebellion oder Meuterei“konnte jedoch nicht gesprochen werden, wie die BBC meinte. Gegen Spielende gab es sogar Gesänge pro Wenger – und gegen Clubbesitzer Stan Kroenke.
„Ich habe dazu nichts zu sagen, danke vielmals“, sagte Wenger selbst nach dem Spiel auf die Frage, wie es denn nun mit ihm weitergehe, dann brach er das „Sky“-Interview kurzerhand ab. „Tschüss“, sagte der große Gentleman des Weltfußballs noch im Gehen. Es war ein Abschied, der etwas Endgültiges hatte. Auch wenn Wenger einen unterschriftsreifen Zweijahresvertrag vorliegen hat, scheint seine Zeit bei Arsenal sich diesmal wirklich dem Ende zuzuneigen. „Wir erleben die schlimmste Zeit in unserer Geschichte. Es fühlt sich an, als käme etwas an sein Ende“, sagte Arsenal-Legende Ian Wright.
Die Zahlen sind tatsächlich beängstigend: Arsenal ist zum siebten Mal hintereinander in der ersten K.o.-Runde der Champions League gescheitert (zum dritten Mal dabei gegen die Bayern), höher verloren die Gunners zu Hause zuletzt im November 1998 (0:5 im Ligacup gegen den FC Chelsea). Das Gesamtergebnis von 2:10 nach Hin- und Rückspiel ist das klarste, das ein englisches Team in der Königsklasse je hinnehmen musste, schlimmer gedemütigt wurde nur Sporting Lissabon 2009, deren Bilanz nach zwei Spielen sogar 1:12 lautete.
„Das müssen wir einstecken, ich muss dafür geradestehen und nehme die Kritik an“, sagte Wenger, „aber das ändert nicht meine Meinung.“Und zwar die über Schiedsrichter Anastasios Sidiropoulos. Der Grieche habe das Spiel mit der Roten Karte gegen Kapitän Laurent Koscielny (54.) „zerstört“und Arsenal „umgebracht“, seine Leistung sei „absolut skandalös“gewesen, schimpfte er.
Auch die Bayern hatten unmittelbar nach dem Abpfiff den harten, aber regelgerechten Platzverweis als Wendepunkt ausgemacht. „Das Ergebnis gibt nicht wieder, was auf dem Platz passiert ist“, sagte Trainer Carlo Ancelotti angesichts der etwas trägen Vorstellung seiner Elf in der ersten Hälfte. „Wir waren nachlässig, aber es ist kein Drama geworden“, sagte Nationalspieler Mats Hummels selbstkritisch. Auch Arjen Robben erhob mahnend den Zeigefinger: „Das ist auch eine Lehrstunde für das Viertelfinale. So eine erste Halbzeit darf man nicht spielen.“
Beim traditionellen Mitternachtsbankett beschwörten die Bayern eine Rückkehr ins Vereinigte Königreich. „Vielleicht landen wir zum Schluss noch mal auf der britischen Insel in der Nähe hier. Das wäre schön“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in seiner an Trainer, Team und Edelfans gerichteten Ansprache. Am 3. Juni findet in Cardiff, der Hauptstadt von Wales, das Champions-League-Finale statt.