Der Wind der Geschichte
Günter Pape wohnt seit 40 Jahren in der Koch-Villa am Rain
- „Der ,Hauch der Geschichte'? – Ich würde eher sagen der Wind!“, antwortet Günter Pape, wenn man ihn fragt, ob man beim Wohnen in einer historischen Villa eben jenen sprichwörtlichen „Hauch" verspürt. Seit nunmehr 40 Jahren lebt er in der Koch-Villa an der Rainstraße, die er und seine 2004 verstorbene Frau Ute Pape 1977 gekauft haben.
„Manchmal ist es ein regelrechter Sturm, der da durchs Wohnzimmer weht", sagt Pape weiter mit der ihm eigenen Ironie, wobei er auf die alten Fenster anspielt. Wenn man in einer über 100 Jahre alten Villa wohnt – wohnen will –, dann muss man eben auch gewisse „Kompromisse“eingehen. Als Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender der „Heimatschützer“, die sich erfolgreich für den Erhalt historischer Trossinger Bauwerke wie der Jugendstilvilla an der Hangenstraße und des Alten Rat- und Schulhauses eingesetzt haben, ist Günter Pape sehr geschichtsbewusst. Wie so oft: Es sind die „Zugereisten", die sich besonders für die Geschichte ihrer neuen Heimat interessieren und einsetzen, während die Einheimischen „des alte Glomp“oft nicht mehr wahrnehmen und schätzen.
1934 in Schloss Ruhberg im schlesischen Riesengebirge geboren, hatte Günter Pape ein bewegtes Leben, das ihn nach Prag, Norddeutschland und West-Berlin und schließlich nach Hausen ob Verena und Trossingen führte, wo er Lehrer am Gymnasium war. Für drei Legislaturperioden war er der erste Stadtrat der Grünen im Trossinger Gemeinderat und vertrat die Partei auch im Kreistag.
Nicht nur der „Hauch der Geschichte“, auch viele eigene Erinnerungen beleben inzwischen Papes Anwesen an der Rainstraße: Erinnerungen an Mieter – angenehme und unangenehme –, an Gartenfeste und Konzerte oder an Proben mit der Theater-AG des Gymnasiums, die Pape jahrzehntelang geleitet hat. Sein Vorhaben, Zeitzeugen zu befragen, die vielleicht noch den Bau und die frühen Jahre der Villa erlebt haben, konnte er aufgrund der Beanspruchung durch die Umbauarbeiten und seine berufliche und ehrenamtliche Arbeit zu seinem Bedauern nicht umsetzen.
Das Anwesen in der Rainstraße ist einer der typischen Trossinger Fabrikantenvillen. Andreas Koch (18441915), einer der Pioniere der Trossinger Harmonikaindustrie, ließ sie Anfang des 20. Jahrhunderts erbauen. Entworfen hat die zweigeschossige Villa im Landhausstil der damalige Trossinger Ortsbaumeister Wäschle, der 1904 auch das Trossinger Rathaus geschaffen hatte. Die Villa ist im Stil des Späthistorismus gebaut, mit seinen Erker-, Turm- und Balkonausbauten, die nach allen Richtungen hin ausgreifen. Typisch ist auch der asymmetrisch-malerische Baukörper mit dem hohen Dach. Doch zeigen einzelne Formen des Bauschmucks, insbesondere an den Fenstern, bereits deutlich die Einflüsse des Jugendstils.
Voller Motivation
1977 kauften Günter und Ute Pape das Gebäude, in das sie im August einzogen. Als Vertriebene aus dem Osten wollten sie sich und ihren vier Kindern eine eigene Bleibe mit großem Garten schaffen und in Stand setzen – eine Aufgabe für Jahrzehnte, wie sich herausstellen sollte. „Meine Motivation war immer da“, so Pape im Rückblick, „bei allem Ärger und allen Freuden, weiterzumachen“.
Mit Hilfe von Denkmalsachverständigen, des Architekten Thomas Klotz, der Restauratoren Friedemann Warmuth und Gerhard Messner sowie Verwandten und Bekannten wie dem Lehrerkollegen Harald Erbse, machte sich Familie Pape an die Arbeit. Dabei liefen zwei Aufgaben immer parallel: Zum einen sollte das Haus für die Familie und die Mieter wohnbar gemacht werden. Zum anderen aber sollte der historische Zustand so gut wie möglich restauriert werden.
Natürlich waren dazu immer Kompromisse notwendig – angefangen bei den schwarzen und weißen Kacheln in der Diele, die den zwar originalen, aber auch ziemlich düsteren Linoleumboden ersetzten. Übermalungen mussten entfernt, später eingesetzte Zwischenwände abgebaut, das Heizungssystem erneuert und die Infrastruktur eingebaut werden.
1995 wurden die Bemühungen der Papes vom Landesdenkmalamt gewürdigt: „Aufgrund der architekturgeschichtlichen Aussagekraft und der gestalterischen Qualität der Villenanlage“wurde das Gesamtensemble mit Villa, Teehaus, Toreinfahrt, Einfriedung und Garten als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuch eingetragen.