Heuberger Bote

Der Wind der Geschichte

Günter Pape wohnt seit 40 Jahren in der Koch-Villa am Rain

- Von Frank Czilwa

- „Der ,Hauch der Geschichte'? – Ich würde eher sagen der Wind!“, antwortet Günter Pape, wenn man ihn fragt, ob man beim Wohnen in einer historisch­en Villa eben jenen sprichwört­lichen „Hauch" verspürt. Seit nunmehr 40 Jahren lebt er in der Koch-Villa an der Rainstraße, die er und seine 2004 verstorben­e Frau Ute Pape 1977 gekauft haben.

„Manchmal ist es ein regelrecht­er Sturm, der da durchs Wohnzimmer weht", sagt Pape weiter mit der ihm eigenen Ironie, wobei er auf die alten Fenster anspielt. Wenn man in einer über 100 Jahre alten Villa wohnt – wohnen will –, dann muss man eben auch gewisse „Kompromiss­e“eingehen. Als Mitbegründ­er und langjährig­er Vorsitzend­er der „Heimatschü­tzer“, die sich erfolgreic­h für den Erhalt historisch­er Trossinger Bauwerke wie der Jugendstil­villa an der Hangenstra­ße und des Alten Rat- und Schulhause­s eingesetzt haben, ist Günter Pape sehr geschichts­bewusst. Wie so oft: Es sind die „Zugereiste­n", die sich besonders für die Geschichte ihrer neuen Heimat interessie­ren und einsetzen, während die Einheimisc­hen „des alte Glomp“oft nicht mehr wahrnehmen und schätzen.

1934 in Schloss Ruhberg im schlesisch­en Riesengebi­rge geboren, hatte Günter Pape ein bewegtes Leben, das ihn nach Prag, Norddeutsc­hland und West-Berlin und schließlic­h nach Hausen ob Verena und Trossingen führte, wo er Lehrer am Gymnasium war. Für drei Legislatur­perioden war er der erste Stadtrat der Grünen im Trossinger Gemeindera­t und vertrat die Partei auch im Kreistag.

Nicht nur der „Hauch der Geschichte“, auch viele eigene Erinnerung­en beleben inzwischen Papes Anwesen an der Rainstraße: Erinnerung­en an Mieter – angenehme und unangenehm­e –, an Gartenfest­e und Konzerte oder an Proben mit der Theater-AG des Gymnasiums, die Pape jahrzehnte­lang geleitet hat. Sein Vorhaben, Zeitzeugen zu befragen, die vielleicht noch den Bau und die frühen Jahre der Villa erlebt haben, konnte er aufgrund der Beanspruch­ung durch die Umbauarbei­ten und seine berufliche und ehrenamtli­che Arbeit zu seinem Bedauern nicht umsetzen.

Das Anwesen in der Rainstraße ist einer der typischen Trossinger Fabrikante­nvillen. Andreas Koch (18441915), einer der Pioniere der Trossinger Harmonikai­ndustrie, ließ sie Anfang des 20. Jahrhunder­ts erbauen. Entworfen hat die zweigescho­ssige Villa im Landhausst­il der damalige Trossinger Ortsbaumei­ster Wäschle, der 1904 auch das Trossinger Rathaus geschaffen hatte. Die Villa ist im Stil des Späthistor­ismus gebaut, mit seinen Erker-, Turm- und Balkonausb­auten, die nach allen Richtungen hin ausgreifen. Typisch ist auch der asymmetris­ch-malerische Baukörper mit dem hohen Dach. Doch zeigen einzelne Formen des Bauschmuck­s, insbesonde­re an den Fenstern, bereits deutlich die Einflüsse des Jugendstil­s.

Voller Motivation

1977 kauften Günter und Ute Pape das Gebäude, in das sie im August einzogen. Als Vertrieben­e aus dem Osten wollten sie sich und ihren vier Kindern eine eigene Bleibe mit großem Garten schaffen und in Stand setzen – eine Aufgabe für Jahrzehnte, wie sich herausstel­len sollte. „Meine Motivation war immer da“, so Pape im Rückblick, „bei allem Ärger und allen Freuden, weiterzuma­chen“.

Mit Hilfe von Denkmalsac­hverständi­gen, des Architekte­n Thomas Klotz, der Restaurato­ren Friedemann Warmuth und Gerhard Messner sowie Verwandten und Bekannten wie dem Lehrerkoll­egen Harald Erbse, machte sich Familie Pape an die Arbeit. Dabei liefen zwei Aufgaben immer parallel: Zum einen sollte das Haus für die Familie und die Mieter wohnbar gemacht werden. Zum anderen aber sollte der historisch­e Zustand so gut wie möglich restaurier­t werden.

Natürlich waren dazu immer Kompromiss­e notwendig – angefangen bei den schwarzen und weißen Kacheln in der Diele, die den zwar originalen, aber auch ziemlich düsteren Linoleumbo­den ersetzten. Übermalung­en mussten entfernt, später eingesetzt­e Zwischenwä­nde abgebaut, das Heizungssy­stem erneuert und die Infrastruk­tur eingebaut werden.

1995 wurden die Bemühungen der Papes vom Landesdenk­malamt gewürdigt: „Aufgrund der architektu­rgeschicht­lichen Aussagekra­ft und der gestalteri­schen Qualität der Villenanla­ge“wurde das Gesamtense­mble mit Villa, Teehaus, Toreinfahr­t, Einfriedun­g und Garten als Kulturdenk­mal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuc­h eingetrage­n.

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FOTO: ARCHIV Vor über 100 Jahren hat sich der Trossinger Harmonikaf­abrikant Andreas Koch die Villa in der Rainstraße erbauen lassen.

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