Die Energiewende bringt die „neue Zeit“
Landesumweltminister Franz Untersteller besucht Hettich und das Hammerwerk
- BadenWürttembergs grüner Umweltminister Franz Untersteller hat sich am Freitag auf Einladung der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg mehr als vier Stunden mit Wirtschaftsvertretern aus dem Landkreis Tuttlingen über die Energieversorgung der Wirtschaft in Zeiten der Energiewende unterhalten. Dabei besuchte er das Tuttlinger Zentrifugen-Unternehmen Andreas Hettich GmbH sowie das Hammerwerk in Fridingen. Deutlich wurde, dass sich die Unternehmer berechenbare Energiepreise sowie eine größtmögliche Sicherheit bei der Energieversorgung wünschen.
„Der internationale Wettbewerb fragt nicht danach, was wir in Deutschland für den Umweltschutz tun, sondern nach den Preisen“, betonte Dieter Teufel, Präsident der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Der Wirtschaft bereite die Energieversorgung Sorge. Die Energiewende sei in vollem Gange, aber „ob sie wunderbar läuft, das sei dahingestellt“. Die Energiepreise seien das große Thema, diese sollten sich „einigermaßen im Rahmen“halten.
Franz Untersteller freut es, dass die Energiewende derzeit nicht so im öffentlichen Fokus steht. Denn dann gebe es mehr Zeit, Entscheidungen gut zu durchdenken: „Die Energiewende geht weiter“, betonte er. Sie sei eine Generationenaufgabe und eine „Riesenchance für den Standort Deutschland“. Sein Ziel sei es, dass Baden-Württemberg „einen Teil des Kuchens abbekommt“.
Ein positives Beispiel in Sachen Energieeffizienz konnte Untersteller bei der Andreas Hettich GmbH erleben, die laut ihres Umwelt- und Qualitätsmanagers Bernd Butterhof „alles technisch Machbare und Mögliche in ihrem Neubau“berücksichtigt habe. Die Kosten dafür würden sich in etwas mehr als sieben Jahren amortisiert haben. Untersteller rechnet sogar damit, dass dies aufgrund der steigenden Energiepreise früher der Fall sein wird.
Energiewende schadet nicht
Die Energiewende habe laut Untersteller dem Standort Deutschland nicht geschadet. Schließlich hätte Deutschland im vergangenen Jahr einen neuen Rekord beim Handelsüberschuss verzeichnet: „Die Entwicklung zeigt, dass es der deutschen Wirtschaft so schlecht nicht geht“, meinte der Umweltminister. Allerdings müsse man genau auf die weitere Entwicklung schauen.
Und genau dort drückt gerade bei den energieintensiven Unternehmen der Schuh. Das zeigte die Diskussion, die nach einem Rundgang durch das Hammerwerk in Fridingen n Gang gesetzt wurde. „Die Branche braucht berechenbare Voraussetzungen“, sagte Rolf Leiber, Geschäftsführender Gesellschafter der Leiber-Group in Emmingen, die Gesenkschmiedestücke produziert. Er wisse nicht, was er in der mittelfristigen Kalkulation bei den Stromkosten einsetzen müsse.
Anja Conz-Springorum, Geschäftsführende Gesellschafterin beim Oberflächenspezialisten Conz & Straßer in Spaichingen, sowie Holger Müller, neben Frank Springorum einer der beiden Geschäftsführer beim Hammerwerk Fridingen, kritisierten die vielen Vorschriften, mit denen die energieintensiven Unternehmen eine Steuerbefreiung oder -entlastung nach dem ErneuerbareEnergien-Gesetz (EEG) geltend machen könnten. Das sei zu viel Bürokratie. So müsse etwa das Hammerwerk rund 100 000 Euro für die Antragsstellung aufwenden. „Im vergangenen Jahr mussten wir 44 Anträge stellen“, sagte Müller.
Alexander Winker, Geschäftsführer der VHW Metallpresswerk GmbH in Spaichingen, kritisierte, dass nach dem EEG Energieeinsparungen auch zu höheren Kosten führen könnten – eben dann, wenn, wie in seinem Fall, der Stromkostenanteil an der Bruttowertschöpfung unter 20 Prozent falle. Winker rechnet für dieses Jahr mit Mehrkosten von mindestens 70 000 Euro, wenn das Metallpresswerk als Härtefall eingestuft wird, wenn nicht würden sie auf 470 000 Euro steigen.
Laut Untersteller gehe es in den kommenden Jahren darum, den Kohlendioxid-Ausstoß deutlich zu verringern. Darauf hätten sich 194 Staaten
Änderungen am EEG
Der Umweltminister zeigte sich davon überzeugt, dass die Bundesregierung nach der Wahl im September Änderungen am EEG vornehmen werde. Er könne nicht sagen, wie sich die Energiepreise in den kommenden zehn Jahren entwickeln werden – er sagte aber voraus, dass die Netzentgelte steigen.
„Die alte Welt ist weg. Das erleben wir gerade“, blickte Untersteller auf den Strukturwandel im Energiesektor. Eine Versorgungslücke sehe er angesichts von durchschnittlich zwölf Minuten Stromausfall pro Kunde in Deutschland derzeit nicht: „Frankreich hat mit seinen Atomkraftwerken ein Vielfaches“, sagte er. Da im Land Baden-Württemberg auch in Zukunft nicht die Energie produziert werden könne, die benötigt werde, müsse die Nord-SüdTrasse für Strom kommen. Für eine faire Diskussion müsse man immer berücksichtigen, was die Modernisierung in der „alten Welt“kosten würde.