Zwei Gelenkersatz-Operationen pro Tag
Chefarzt Dr. Matthias Hauger spricht über den heutigen Endoprothetiktag am Klinikum
(cg) - Einen Endoprothetiktag bietet das Klinikum Landkreis Tuttlingen an seinem Standort in Tuttlingen am Samstag von 13 bis 17 Uhr. Was die Besucher erwarten dürfen und wie die Menschen Verschleißerkrankungen am Gelenk am besten vorbeugen können, darüber sprach unser Redakteur Christian Gerards mit Dr. Matthias Hauger, dem Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie in Tuttlingen.
Doktor Hauger, wie kann man erkennen, dass man Probleme mit den Gelenken bekommen hat?
Wenn man nächtliche Schmerzen in der Leiste oder im Kniegelenk hat, dann kann das ein Hinweis sein. Probleme an den Gelenken machen sich durch eine nachlassende Belastbarkeit bemerkbar. Man verliert die körperliche Fitness. Die Schmerzen kommen durch die entstehende chronische Entzündung im Rahmen der Arthrose.
Wann sollte man bei den von Ihnen aufgezeigten Beschwerden zum Arzt gehen?
Dabei gibt es viele Zwischentöne. Bei Beschwerden nutzen wir die Erstberatung zur Vermeidung des operativen Eingriffs. Am Gelenk gibt es glücklicherweise aber nur wenige dringende Symptome, die einen sofortigen operativen Eingriff zur Folge haben. Etwa dann, wenn ein zunehmender Verbrauch der Knoration chenstruktur zu erkennen ist, oder die Leiste gebrochen ist. Wir wollen bei einer Operation so viel körpereigenes Material verwenden wie möglich.
Wie sieht denn die Altersstruktur der Patienten aus, die ein neues Gelenk bekommen. Sind das nach wie vor vor allem ältere Menschen?
Ja, viele Patienten sind 70 Jahre und älter. Generell sind Zweidrittel unserer Patienten, was die Gelenkprothesen angeht, 60plus. Das wird auch aufgrund der demografischen Entwicklung so bleiben.
Es gibt verschiedene Materialien für den Gelenkersatz. Worauf achten Sie am Klinikum Landkreis Tuttlingen?
Das Material, das wir verwenden, ist nicht abhängig von der Krankenkasse. Wir haben den Anspruch, für den Patienten passgenau das bestmögliche Material zu verwenden. Es gibt unterschiedliche Materialien wie Keramik, Titan oder Kunststoff. In seltenen Fällen muss bei schlechter Knochenqualität zementiert werden. Die Infektionsrate liegt bundesweit etwa bei 0,5 bis 1,5 Prozent. Bei rund 400 000 Operationen pro Jahr in Deutschland sind das leider etwa 4000 Fälle. Tuttlingen liegt glücklicherweise deutlich darunter. Klar ist aber auch: Es gibt nicht das ideale Material. Wichtig ist es, dass die Schmerzen nach der Operation geringer sind, ansonsten war die Ope- falsch.
Wie sehen die Zahlen bei den Operationen für den Gelenkersatz im Klinikum aus?
Wir operieren an der Hüfte, am Knie, an der Schulter, am Ellbogen und am Sprunggelenk. Das Gros der Operationen betrifft aber die Hüfte und das Kniegelenk. Bei der Hüfte sind es rund 250 Operationen pro Jahr, beim Knie etwa 200. Zum Vergleich: Bei der Schulter sind es dagegen nur rund 50. Wir haben beim Gelenkersatz im Schnitt zwei Operationen pro Tag.
Wie können die Menschen denn am besten vorbeugen, um besser davor gefeit zu sein, irgendwann einmal ein Ersatzgelenk zu benötigen?
Eine sportliche Betätigung und gegebenenfalls eine Gewichtsreduzierung sind die besten Präventionsmöglichkeiten. Man sollte eine Stoßbelastung vermeiden und die Rumpfmuskulatur trainieren. Durch eine ideale Sporttherapie und eine Ernährungsumstellung kann eine Operation bis zu fünf Jahre heraus gezögert werden. Das haben Untersuchungen in der Sportmedizin gezeigt.
Die Bewegung ist aber in der heutigen Arbeitswelt in vielen Berufen ziemlich eingeschränkt ...
Wer bei der Arbeit viel sitzt, der sollte dies durch anderen körperlichen Stress kompensieren. Bewegung ist sehr positiv, um Gelenkbeschwerden zu vermeiden. Das sollte man eigentlich so leben und sich auch immer wieder Kompromisse offen lassen. Wenn in der alltäglichen Bewegung ein Gelenk durch Schmerzen aus der normalen Bewegung herausgenommen wird, dann hat das immer Folgen für die Anschlussgelenke. Ich vergleiche das gerne mit einem Auto. Wenn der zweite Gang kaputt ist und ich immer im ersten und dritten fahre, dann verschleißen diese Gänge umso schneller.
Wie wichtig ist in der heutigen Gesellschaft, dass die Gelenke gut funktionieren?
Der Wunsch nach einer Verbesserung der Beweglichkeit in höherem Alter kommt auch durch die zunehmende Individualisierung. Wir ha- ben heute im Vergleich zu früher seltener die klassischen Strukturen einer Großfamilie. Da wird eine Mobilität bis ins hohe Alter verlangt. Angehörige von älteren Menschen sind immer wieder überrascht, wenn etwa ihre Eltern nicht mehr so mobil sein können und Pflege und Versorgung benötigen.
Am Samstag ist Endoprothetiktag, dann will sich Ihre Abteilung im besten Licht zeigen. Was bieten Sie den Besuchern?
Vor der Station wird eine Schau mit Ausstellung aufgebaut. Dort können die Besucher sehen, wie eine Prothese aussieht, oder sich über die Operation informieren. Auch eine Rehabilitationseinrichtung zeigt sich dort. Im Konferenzraum werden unterschiedliche Vorträge gehalten. So können die Besucher mit den Experten ins Gespräch kommen. Natürlich zeigen wir auch die Abteilung mit den Patientenzimmern und dem Sportraum.
Wie häufig haben Sie einen solchen Tag schon durchgeführt? Und wie war die Resonanz?
Wir haben am Samstag unseren dritten Endoprothetiktag. Die Resonanz war bisher sehr gut. Das ist auch ein Thema, das die Menschen interessiert. Wir hatten jüngst einen Vortrag in Bad Dürrheim, zu dem 350 Interessierte gekommen sind. Das zeigt, wie groß der Wunsch nach Mobilität ist.