Psychisch auffällige Gefangene im Fokus
Empfehlungen von Experten fast umgesetzt – Grüne und CDU wollen modernen Vollzug
- Der Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen in Baden-Württemberg hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren massiv verbessert. Das sagt Alexander Schmid, Landesvorsitzender des Bunds der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), nach einem Treffen der entsprechenden Expertenkommission am Montag in Stuttgart. „90 Prozent unserer Empfehlungen betrachte ich als umgesetzt oder schon weit gediehen in der Konzeption“, sagt Schmid der „Schwäbischen Zeitung“. Als zunehmende Herausforderung für die Strafvollzugsbediensteten bezeichnet er, dass immer mehr Asylbewerber in Gefängnissen landeten. Unter anderem mit dieser Thematik will sich ein neuer Arbeitskreis der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU beschäftigen.
Psychische Probleme hinter Gittern wurden im Land 2014 heiß diskutiert, nachdem sich ein Häftling in Bruchsal zu Tode gehungert hatte. Der damalige Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hat daraufhin eine Expertenkommission beauftragt, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen zu erarbeiten. Ihren Abschlussbericht mit 42 Vorschlägen stellte die 17-köpfige Kommission im September 2015 vor. Nun, eineinhalb Jahre später, kam die Kommission erstmals wieder zusammen.
Viel bewegt in kurzer Zeit
„In einem sehr überschaubaren Zeitraum hat sich sehr viel bewegt“, resümiert BSBD-Landeschef und Kommissionsmitglied Schmid. Im Haushalt 2017 sind etwa 67 Stellen für den Strafvollzug geschaffen worden – eine „vorher unvorstellbare Zahl“, freut er sich. Auch ein Landesbeauftragter für Suizidprävention in Gefängnissen ist beschlossene Sache. Jürgen Filius, der für die GrünenFraktion Teil der Expertenkommission war, lobt die schnellen Fortschritte ebenso – darunter verbesserte Berichtspflichten und Messung der Lebensqualität in den Gefängnissen. Justizminister Guido Wolf (CDU) nennt es einen Erfolg, „die Betreuung psychisch auffälliger Häftlinge in kurzer Zeit zu verbessern. Gleichwohl bleibt ihre Betreuung eine Daueraufgabe, die den Justizvollzugsbediensteten jeden Tag aufs Neue alles abverlangt.“
Manche Vorschläge könne das Land allein nicht umsetzen, ergänzt BSBD-Landesvorsitzender Schmid. Als Beispiel nennt er die Frage nach Zwangsernährung von Gefangenen in Hungerstreik. „Zur Regelung braucht es den Bund“, so Schmid. Er ist zufrieden mit der politischen Antwort auf den Vorfall in Bruchsal. „Bis dahin wurde der Strafvollzug stiefmütterlich behandelt.“Nun, so Schmid, beweise die Landespolitik „gelebte Wertschätzung“für die rund 4000 Strafvollzugsbediensteten im Land.
Schmid verweist aber auf weitere Probleme im Strafvollzug – etwa die steigende Zahl von Flüchtlingen in den Gefängnissen und auf die Überbelegung in den Anstalten. Auch Justizminister Wolf erklärt: „Insgesamt fordert uns die derzeit hohe Belegung der Justizvollzugsanstalten in Baden-Württemberg mit zunehmend schwierigen Gefangenen maximal.“Ein Grundproblem sei die Verständigung mit den Inhaftierten, so Schmid. „Wo keine Kommunikation stattfindet, kann es keine Deeskalation geben.“
Sprachkurse und Kulturwissen
Ein Sprecher des Justizministeriums stellt Abhilfe in Aussicht: „Derzeit werden Sprachkurse für die Bediensteten im Strafvollzug konzipiert.“Außerdem starte in einem Gefängnis bald ein Pilotprojekt mit Video-Dolmetschern. Weiter sei vorgesehen, dass zur Ausbildung der Strafvollzugsbedienstete künftig das Fach „interkulturelle Kompetenz“gehören soll. Wer bereits im Dienst ist, soll fortgebildet werden.
Neben diesen konkreten Problemen wollen sich die Landtagsfraktionen von Grünen und CDU allgemein mit der Verbesserung des Strafvollzugs befassen. Dazu gründen sie einen „Arbeitskreis moderner Strafvollzug“, der am 28. März erstmals tagt und in seine Sitzungen Experten einbinden will, wie Filius erklärt. Nach einer Bestandsaufnahme, in welchen Bereichen es besonderen Handlungsbedarf gebe, will sich das Gremium unter anderem mit der Frage nach einer besseren Resozialisierung Gefangener und nach einer stärkeren Verankerung der Insassen in der Gesellschaft, etwa durch Arbeitsplätze, beschäftigen. Ein weiterer Stellenaufbau im Strafvollzug werde ebenso Thema sein wie der Gefängnisneubau in Rottweil und die angedachte Verlegung des Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg nach Stammheim.