„Die Sanktionen der Türkei könnten uns wehtun“
Niederländischer Politikexperte Adriaan Schout über die Folgen des türkisch-niederländischen Streits
- Der Konflikt zwischen den Niederlanden und der Türkei eskaliert. Ministerpräsident Mark Rutte will sich für das Verbot von Wahlauftritten der türkischen Politiker in seinem Land nicht entschuldigen. Die Türkei wirft den Niederlanden „neofaschistische Praktiken“vor. Alexei Makartsev sprach über den Streit mit dem Politologen Adriaan Schout (Bild: pr) vom Clingendael-Institut für Internationale Beziehungen in Den Haag.
War es richtig von Ihrer Regierung, die Wahlkampfauftritte türkischer Regierungsmitglieder in den Niederlanden zu verbieten?
Es wäre möglich gewesen, diese Konfrontation zu vermeiden. Es liefen Verhandlungen mit der Türkei, dann hörte aber unsere Regierung in den Medien die Drohungen mit den Wirtschaftssanktionen und die Äußerungen der türkischen Führung, dass wir ein Nazi-Land seien. Die Provokationen der türkischen Seite wogen so schwer, dass man die türkischen Minister stoppen wollte. Es gab außerdem Sorgen über die öffentliche Sicherheit in Rotterdam, aber die türkische Regierung ignorierte sie.
Fiel die Entscheidung von Ministerpräsident Rutte auch wegen der Wahl am Mittwoch so hart aus?
Nein, die Wahl spielte vielleicht eine geringere Rolle, als es viele glauben. Die Regierung hätte angesichts dieser Provokationen zu einem anderen Zeitpunkt wohl nicht anders gehandelt. Aber ihre Entscheidung könnte tatsächlich Folgen bei der Wahl haben. Zwei politische Kräfte könnten vom Streit mit der Türkei profitieren: Geert Wilders und die Partei der türkischen Minderheit, DENK.
Die Türkei hat harte Gegenmaßnahmen angekündigt. Wie könnte sie die Niederlande bestrafen?
Die Türkei hat Sanktionen angedroht, die unserer Wirtschaft sicherlich weh tun könnten. Die Türken könnten der Fluggesellschaft KLM die Landerechte entziehen oder die Importe unserer Blumen und Lebensmittel stoppen. Wenn die Niederländer auf diese Weise angegriffen werden, dann werden wir uns mit Gegenmaßnahmen schwertun, weil Handel zu EU-Kompetenzen zählt. Ich frage mich, wie die EU reagieren wird, wenn die Solidarität ihrer Mitglieder auf eine Probe gestellt ist.
Werden die Niederlande jetzt alle Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern verbieten?
Nein. Wir finden Meinungsfreiheit weiterhin wichtig. Aber es wird immer Überlegungen geben, wo solche Auftritte stattfinden könnten und welche Sicherheitsmaßnahmen dafür notwendig wären. Die Veranstalter müssten dann entscheiden, ob sie das akzeptieren oder nicht.
Wie wird die Wahl am Mittwoch die Niederlande verändern?
Die größte Veränderung wird die politische Stabilität betreffen. Es wird schwierig sein, eine stabile Regierung zu bilden. Ich erwarte aber keinen großen politischen Kurswechsel.
Wird die Wahl eine Signalwirkung für Europa haben?
Die Parteien der Mitte werden die Wahl gewinnen. Sie wollen in der EU bleiben. Darum wird es keinen großen Effekt für Europa geben, ganz anders als bei den Wahlen in Frankreich und Deutschland: Sie werden mehr Einfluss auf den EU-Kurs haben.