Wilders entzweit die Niederlande
Anhänger der PVV des Rechtspopulisten finden sich in allen Bevölkerungsschichten
- Er will Moscheen und den Koran verbieten: Bei der Wahl an diesem Mittwoch könnte die einwanderungsfeindliche Partei für die Freiheit (PVV) von Islam-Hasser Geert Wilders zweitstärkste Kraft im niederländischen Parlament werden.
Wenn in der Familie von Cynthia und Tom Mentari über den Politiker Geert Wilders gesprochen wird, kann die Stimmung beim Sonntagsessen schnell kippen. Denn ihre Enkel wollen dem 53-Jährigen und seiner PVV bei der niederländischen Parlamentswahl ihre Stimme geben. Für die Großeltern, die während des Unabhängigkeitskrieges 1948 aus der ehemaligen niederländischen Kolonie Indonesien flüchten mussten und in Amsterdam eine neue Heimat fanden, unfassbar. „Sie vergessen ihre eigenen Wurzeln. Auch wir waren hier einst die Fremden“, sagt die 87-Jährige mit einem Kopfschütteln.
Geert Wilders entzweit derzeit nicht nur Familien. Der Rechtspopulist versetzt das ganze Land in Aufruhr und Europa in Hab-Acht-Stellung: Denn der Wahl am 15. März wird nach dem Brexit-Referendum in Großbritannien und dem Einzug Donald Trumps ins Weiße Haus Signalwirkung für die anstehenden Urnengänge in Frankreich und Deutschland zugeschrieben. Schneidet der EUGegner im liberalen Holland so gut ab wie in Umfragen prophezeit, könnte das der rechten Partei Front National in Frankreich und auch der AfD weiteren Rückenwind geben.
Seit zwölf Jahren Personenschutz
Wilders, der bereits wegen Diskriminierung und Beleidigung verurteilt wurde, schreckt verbal vor nichts zurück: Marokkaner bezeichnet er als „Abschaum“, den Koran vergleicht er mit Hitlers „Mein Kampf“. Er verunglimpft politische Gegner, hetzt gegen Journalisten, verbreitet Fake News und zielt mit seinen Tweets gerne unter die Gürtellinie. Wegen seiner Islam-Kritik hat der Populist seit zwölf Jahren rund um die Uhr Personenschutz. Morddrohungen sind sein Alltag.
Auf Stimmenfang geht der Sohn einer indonesisch-niederländischen Mutter mit simplen Parolen. Gerade mal eine Din-A4-Seite umfasst Wilders Wahlprogramm mit dem Titel „Wir wollen die Niederlande wiederhaben“. Sein Ziel: „Die Ent-Islamisierung des Königreiches“. Dafür will Wilders unter anderem den Koran und Moscheen verbieten, die Grenzen dichtmachen, Asylzentren schließen sowie Einwanderern aus islamischen Ländern die Einreise verweigern. Wie er seine Forderungen konkret umsetzen will? Dazu schweigt er. Doch die insgesamt elf stichpunktartigen Forderungen zeigen: Der groß gewachsene, ultrarechte Politiker hat mehr als nur seine blonde Tolle mit Donald Trump gemein.
Gerade diese Nähe zum US-Präsidenten könnte aber jetzt zur Schwäche des mit einer ungarischen Diplomatin verheirateten Limburgers werden. Denn die meisten Niederländer finden Trumps Politikstil sowie seine verbalen Entgleisungen kaum zum Aushalten. Führte Wilders PVV die Umfragen bis vor Kurzem noch an, so ist sein Vorsprung auf die rechtsliberale VVD von Premierminister Mark Rutte kurz vor der Wahl kontinuierlich gesunken. „Die chaotische, schlecht ausgearbeitete Politik von Trump ist wohl für viele eine Warnung, aus Politikverdrossenheit nicht denselben Fehler zu machen wie die USA“, sagt die 18-jährige Schülerin Annemieke Muilder aus Heemstede, die am Mittwoch zum ersten Mal wählen wird.
PVV-Anhänger finden sich in allen Bevölkerungsschichten in den Niederlanden – nicht nur in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land. Dass Wilders und seine EinMann-Partei so populär werden konnte, ist nicht allein mit der Angst vor Terrorismus durch Islamisten und der Flüchtlingsproblematik zu erklären. Es ist auch die Enttäuschung der Bürger von der politischen Elite.
Eric de Voss wählt aus Frust Wilders. „Ich bin Handwerker und in verschiedenen Gegenden unterwegs. In den letzten 20 Jahren hat sich mehr verschlechtert als verbessert“, so der 37-Jährige. „Meine Stimme für Wilders ist eine Stimme gegen das Establishment in Den Haag“, sagt er. Zum „einfachen Bürger“hätten die etablierten Parteien den Draht verloren.
Wilders, der seit Jahren gegen die Eliten hetzt, sich als Mann des Volkes präsentiert und auch auf Themen wie Rente, Arbeit und Soziales setzt, könnte reihenweise die Stimmen enttäuschter Bürger einkassieren. Trotzdem: Selbst wenn die PVV stärkste Kraft im Parlament wird, von einer Regierungsbildung bleibt er weit entfernt. Denn kaum eine der 28 Parteien, die sich auf die 150 Sitze der Zweiten Kammer bewerben, will mit ihm koalieren. Umfragen sehen die PVV bei rund 20 Sitzen.
Klar ist aber, dass Ruttes Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) und sein sozialdemokratischer Koalitionspartner, die Partei der Arbeit (PvdA), mit herben Verlusten rechnen müssen. Momentan liegt die VVD knapp vor der PVV. Viele Wähler sind noch unentschlossen. Kleine Parteien, wie GroenLinks unter ihrem neuen Spitzenkandidaten Jesse Klaver, könnten durch den Zerfall der alten Parteien enorm dazugewinnen. Und da es keine Sperrklausel gibt, haben bislang 14 Parteien Aussicht auf mindestens ein Mandat.
Zersplitterung droht
So treibt die etablierten Parteien auch die Sorge vor einer drohenden Zersplitterung und Unregierbarkeit um. Richtige Volksparteien gibt es in den Niederlanden schon lange nicht mehr. Um die nötigen 76 Sitze für eine Regierungsmehrheit zusammenzubekommen, sind nach Umfragen mindestens vier Parteien nötig. Lange Koalitionsverhandlungen sind denkbar.
Viele Niederländer wollen darum strategisch wählen und ihre Stimme der VVD geben. „Eigentlich wollte ich die sozialliberale Partei D66 wählen, aber ich sehe Wilders als Bedrohung und damit er nicht zu groß wird, gebe ich wohl Rutte meine Stimme. Froh bin ich darüber nicht“, sagt Annemieke Muilder. „Aber ich will nicht, dass ein Rassist in unserem Land Macht bekommt.“