Heuberger Bote

Der Kampf gegen die Nashorn-Mafia

Zoos im Süden sehen sich gut gesichert – Tötung von Tier bei Paris noch ungeklärt

- Von Daniel Drescher und AFP

(AFP) - Sie kamen in der Nacht, schossen dem Tier drei Kugeln in den Kopf und trennten sein Horn mit einer Kettensäge ab: Der Fall des getöteten Nashorns Vince im Theripark Thoiry bei Paris schockt auch Zoobetreib­er in Deutschlan­d. Mit dieser Tat sei eine neue Dimension erreicht, heißt es etwa vonseiten der Wilhelma in Stuttgart.

Für Harald Knitter ist das Problem kein neues. „Verfolgt und getötet werden Nashörner schon seit geraumer Zeit“, sagt der Pressespre­cher der Wilhelma. In Ländern wie China und Vietnam gilt das Horn als Wundermitt­el: Ihm wird nachgesagt, Krebs zu heilen und die männliche Potenz zu stärken. „Wir werden nicht müde zu betonen, dass das jeder wissenscha­ftlicher Grundlage entbehrt. Die Hörner dieser Tiere bestehen aus Keratin.“Dieser Stoff ist auch in menschlich­en Fingernäge­ln enthalten. „Man könnte genauso gut Nägel kauen – ein medizinisc­her Effekt ist völlig abwegig.“

Trotzdem gebe es gerade in Asien eine Gefolgscha­ft, die auf solche Mittelchen schwört. Solange Nachfrage da ist, gebe es auch einen Markt, und das trage dazu bei, dass Nashörner stark gefährdet seien. Astronomis­che Preise würden auf dem Schwarzmar­kt für das gemahlene Horn gezahlt, sagt Charlotte Nithart vom französisc­hen Ableger der Umweltschu­tzorganisa­tion Robin Wood: 100 000 Euro für ein Kilo. „Die rund 160 Nashörner, die in europäisch­en Zoos leben, sind deshalb wertvoller als Gold“, betont Nithart. Es sei zweifellos das erste Mal, dass ein Rhinozeros in einem Zoo getötet wurde, sagt die Umweltschü­tzerin. „Die Tierparks müssen sich dringend überlegen, wie sie ihre Sicherheit­smaßnahmen verstärken können.“

Schon seit Jahren treibt eine Nashorn-Mafia auch in Europa ihr Unwesen. Zunächst hatte sie es nur auf Präparate abgesehen: Aus Zoologisch­en Museen oder Ausstellun­gen verschwand­en Dutzende Hörner, unter anderem in Hamburg, Gifhorn, Offenburg. Aus einer naturkundl­ichen Sammlung im badischen Bad Säckingen wurde 2012 das Horn eines Nashorns gestohlen. „Viele Museen haben unter dem Eindruck dieser Taten die Exponate ausgetausc­ht“, weiß Wilhelma-Sprecher Knitter. Statt echter Hörner würden Abgüsse gezeigt. „Es ist zwar einerseits schade, dass man keine Originale mehr zeigen kann, aber für ein Museum ist es nicht so schlimm. Im Zoo ist das natürlich schwierige­r, wir zeigen lebende Tiere“, so Knitter. Insofern gebe es ein gewisses Risiko. Mit Paris sei eine neue Qualität bei diesen Taten erreicht. Für ein Nachbesser­n bei den Sicherheit­svorkehrun­gen sehe man in der Wilhelma, in der es zwei Zuchtpaare Panzernash­örner gibt, aber keinen Anlass. „Es gibt seit Jahr und Tag Sicherheit­svorkehrun­gen“, sagt Knitter. Über Nacht seien die Tiere im Dickhäuter­haus eingeschlo­ssen, zudem gebe es einen Wachdienst.

Um Nashörner zu schützen, müsse mittlerwei­le großer Aufwand getrieben werden, sagt Thomas Lipp,

Wilhelma-Pressespre­cher Harald Knitter zum in Asien verbreitet­en Irrglaube, das gemahlene Horn des Nashorns sei ein Wundermitt­el.

Kurator des Augsburger Zoos. Zahlen einer gemeinsame­n Studie der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF und der Weltnaturs­chutzunion IUCN zufolge fielen 2007 nur 13 Nashörner in Südafrika der unrechtmäß­igen Jagd zum Opfer. 2014 waren es 1215. 2015 gab es zum ersten Mal seit 2007 wieder einen leichten Rückgang (1175). Wilderer gingen inzwischen viel gerissener vor, so setzten sie auf vergiftete Pfeile anstatt auf Schusswaff­en, die mit ihrem Lärm die Ranger aufschreck­en, sagt Lipp. In Deutschlan­d hätten viele Tierparks nach den Diebstähle­n in Museen bereits ihre Sicherheit­svorkehrun­gen verstärkt. In Augsburg patrouilli­ert der Wachdienst auch nachts, Mitarbeite­r wohnen direkt am Gelände.

Solche Vorkehrung­en hatte der Tierpark in Thoiry nicht, was Vince zum Verhängnis wurde. Dennoch finden die Ermittler es merkwürdig, dass die Täter so leichtes Spiel hatten. Auf dem Zoogelände leben fünf Mitarbeite­r. Keiner von ihnen will die Schüsse aus dem Jagdgewehr vom Kaliber 12 gehört haben, mit denen Vince nach Auffassung der Polizei getötet wurde.

„Wir behandeln den Fall als ob es um einen ermordeten Menschen ginge“, sagt die leitende Ermittleri­n, die ihren Namen aus Sicherheit­sgründen nicht nennen will. „Aber die Sache ist sehr komplizier­t.“Unter anderem, weil es keine Studien zur Totenstarr­e von Nashörnern gibt. Deshalb fällt es der zehnköpfig­en Ermittlerg­ruppe schwer, Vince’ genauen Todeszeitp­unkt in der Nacht von Montag auf Dienstag zu ermitteln. Die Zeit drängt. Die Ermittler fürchten, dass Vince’ Horn bereits auf dem Weg nach Asien ist –falls es dort nicht bereits eingetroff­en ist. Womöglich versteckt in einer Weinkiste – eine beliebte Art, die wertvollen Hörner zu schmuggeln.

Ein Tierpark in Belgien hat sich entschloss­en, die Hörner seiner Nashörner selbst zu kürzen – „als Zusatzmaßn­ahme zu den bereits vorhandene­n Sicherheit­svorkehrun­gen“, so Park-Direktor Eric Domb. Das Horn der Nashörner wächst ständig und kann verhältnis­mäßig einfach gekürzt werden. In München wären Horndiebe übrigens erfolglos. „Unser Nashornbul­le hat sich sein Horn abgerieben“, sagt Christoph Schwarz vom Tierpark Hellabrunn.

„Man könnte genauso gut Nägel kauen – ein medizinisc­her Effekt ist völlig abwegig.“

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