Der Kampf gegen die Nashorn-Mafia
Zoos im Süden sehen sich gut gesichert – Tötung von Tier bei Paris noch ungeklärt
(AFP) - Sie kamen in der Nacht, schossen dem Tier drei Kugeln in den Kopf und trennten sein Horn mit einer Kettensäge ab: Der Fall des getöteten Nashorns Vince im Theripark Thoiry bei Paris schockt auch Zoobetreiber in Deutschland. Mit dieser Tat sei eine neue Dimension erreicht, heißt es etwa vonseiten der Wilhelma in Stuttgart.
Für Harald Knitter ist das Problem kein neues. „Verfolgt und getötet werden Nashörner schon seit geraumer Zeit“, sagt der Pressesprecher der Wilhelma. In Ländern wie China und Vietnam gilt das Horn als Wundermittel: Ihm wird nachgesagt, Krebs zu heilen und die männliche Potenz zu stärken. „Wir werden nicht müde zu betonen, dass das jeder wissenschaftlicher Grundlage entbehrt. Die Hörner dieser Tiere bestehen aus Keratin.“Dieser Stoff ist auch in menschlichen Fingernägeln enthalten. „Man könnte genauso gut Nägel kauen – ein medizinischer Effekt ist völlig abwegig.“
Trotzdem gebe es gerade in Asien eine Gefolgschaft, die auf solche Mittelchen schwört. Solange Nachfrage da ist, gebe es auch einen Markt, und das trage dazu bei, dass Nashörner stark gefährdet seien. Astronomische Preise würden auf dem Schwarzmarkt für das gemahlene Horn gezahlt, sagt Charlotte Nithart vom französischen Ableger der Umweltschutzorganisation Robin Wood: 100 000 Euro für ein Kilo. „Die rund 160 Nashörner, die in europäischen Zoos leben, sind deshalb wertvoller als Gold“, betont Nithart. Es sei zweifellos das erste Mal, dass ein Rhinozeros in einem Zoo getötet wurde, sagt die Umweltschützerin. „Die Tierparks müssen sich dringend überlegen, wie sie ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärken können.“
Schon seit Jahren treibt eine Nashorn-Mafia auch in Europa ihr Unwesen. Zunächst hatte sie es nur auf Präparate abgesehen: Aus Zoologischen Museen oder Ausstellungen verschwanden Dutzende Hörner, unter anderem in Hamburg, Gifhorn, Offenburg. Aus einer naturkundlichen Sammlung im badischen Bad Säckingen wurde 2012 das Horn eines Nashorns gestohlen. „Viele Museen haben unter dem Eindruck dieser Taten die Exponate ausgetauscht“, weiß Wilhelma-Sprecher Knitter. Statt echter Hörner würden Abgüsse gezeigt. „Es ist zwar einerseits schade, dass man keine Originale mehr zeigen kann, aber für ein Museum ist es nicht so schlimm. Im Zoo ist das natürlich schwieriger, wir zeigen lebende Tiere“, so Knitter. Insofern gebe es ein gewisses Risiko. Mit Paris sei eine neue Qualität bei diesen Taten erreicht. Für ein Nachbessern bei den Sicherheitsvorkehrungen sehe man in der Wilhelma, in der es zwei Zuchtpaare Panzernashörner gibt, aber keinen Anlass. „Es gibt seit Jahr und Tag Sicherheitsvorkehrungen“, sagt Knitter. Über Nacht seien die Tiere im Dickhäuterhaus eingeschlossen, zudem gebe es einen Wachdienst.
Um Nashörner zu schützen, müsse mittlerweile großer Aufwand getrieben werden, sagt Thomas Lipp,
Wilhelma-Pressesprecher Harald Knitter zum in Asien verbreiteten Irrglaube, das gemahlene Horn des Nashorns sei ein Wundermittel.
Kurator des Augsburger Zoos. Zahlen einer gemeinsamen Studie der Umweltschutzorganisation WWF und der Weltnaturschutzunion IUCN zufolge fielen 2007 nur 13 Nashörner in Südafrika der unrechtmäßigen Jagd zum Opfer. 2014 waren es 1215. 2015 gab es zum ersten Mal seit 2007 wieder einen leichten Rückgang (1175). Wilderer gingen inzwischen viel gerissener vor, so setzten sie auf vergiftete Pfeile anstatt auf Schusswaffen, die mit ihrem Lärm die Ranger aufschrecken, sagt Lipp. In Deutschland hätten viele Tierparks nach den Diebstählen in Museen bereits ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. In Augsburg patrouilliert der Wachdienst auch nachts, Mitarbeiter wohnen direkt am Gelände.
Solche Vorkehrungen hatte der Tierpark in Thoiry nicht, was Vince zum Verhängnis wurde. Dennoch finden die Ermittler es merkwürdig, dass die Täter so leichtes Spiel hatten. Auf dem Zoogelände leben fünf Mitarbeiter. Keiner von ihnen will die Schüsse aus dem Jagdgewehr vom Kaliber 12 gehört haben, mit denen Vince nach Auffassung der Polizei getötet wurde.
„Wir behandeln den Fall als ob es um einen ermordeten Menschen ginge“, sagt die leitende Ermittlerin, die ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht nennen will. „Aber die Sache ist sehr kompliziert.“Unter anderem, weil es keine Studien zur Totenstarre von Nashörnern gibt. Deshalb fällt es der zehnköpfigen Ermittlergruppe schwer, Vince’ genauen Todeszeitpunkt in der Nacht von Montag auf Dienstag zu ermitteln. Die Zeit drängt. Die Ermittler fürchten, dass Vince’ Horn bereits auf dem Weg nach Asien ist –falls es dort nicht bereits eingetroffen ist. Womöglich versteckt in einer Weinkiste – eine beliebte Art, die wertvollen Hörner zu schmuggeln.
Ein Tierpark in Belgien hat sich entschlossen, die Hörner seiner Nashörner selbst zu kürzen – „als Zusatzmaßnahme zu den bereits vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen“, so Park-Direktor Eric Domb. Das Horn der Nashörner wächst ständig und kann verhältnismäßig einfach gekürzt werden. In München wären Horndiebe übrigens erfolglos. „Unser Nashornbulle hat sich sein Horn abgerieben“, sagt Christoph Schwarz vom Tierpark Hellabrunn.
„Man könnte genauso gut Nägel kauen – ein medizinischer Effekt ist völlig abwegig.“