Schokokuchen und Krämpfe
Norwegen sieht das längste Eishockeyspiel der Geschichte – Siegtor nach 217:14 Minuten
(dpa/SID/sz) - Es ist weit nach Mitternacht, als in Norwegen Eishockey-Historisches geschieht. Um exakt 2.33 Uhr am Montagmorgen reißt Joakim Jensen nach einem denkwürdigen Play-off-Spiel die Arme hoch, sinkt aufs Eis und wird fast von seinen jubelnden Teamkollegen erdrückt. Es ist kein gewöhnliches Tor, es ist der Siegtreffer zum 2:1 der Storhamar Dragons gegen die Sparta Warriors Sarpsborg nach exakt 217 Minuten und 14 Sekunden reiner Spielzeit. Das Duell, das am Sonntagabend um 18 Uhr in der Nordlichthalle von Hamar begonnen hatte, sollte mehr als acht Stunden später als längstes Spiel überhaupt in die Eishockey-Geschichte eingehen.
„Ich glaube, alle sind froh, dass sie jetzt nach Hause gehen und sich hinlegen können“, sagte Jensen dem Fernsehsender NRK nach der Partie. „Das Einzige, woran wir denken konnten, war, wann wir uns ausruhen können“, fügte sein Teamkollege Mikael Zettergren hinzu. Zum Jubeln reichte die Kraft dann aber noch – auch in der achten Verlängerung.
1000 Fans harren hungernd aus
Das Match sei für die Spieler am Rande des Aushaltbaren gewesen, befand Storhamar-Trainer Sjur Robert Nilsen. Beide Teams hätten mit Krämpfen zu kämpfen gehabt. „Wenn das Spiel sich der elften Periode nähert und es Nacht wird, nähert man sich der Grenze dessen, was für die Spieler gut ist.“Sparta-Spieler Christopher Henriksen sagte NRK: „Es gab niemanden, der ordentlich rangehen wollte, weil man dann Krämpfe bekommen hat.“
5526 Zuschauer waren in die Arena gekommen, um die Begegnung zu sehen. Mehr als 1000 von ihnen harrten einem Bericht der Zeitung „Verdens Gang“zufolge bis zum Ende aus – obwohl zur zehnten Pause in der Halle Pizza und Getränke ausgingen. Auch das Essen, das die Spieler eigentlich nach der Partie bekommen sollten, war lange vor Spielende aufgebraucht. „In der achten oder neunten Periode wurde uns Schokoladenkuchen in Boxen serviert“, sagte SpartaTrainer Lenny Eriksson der Zeitung. „Aber wir haben versucht, alles Essbare in uns hineinzustopfen.“
Am Ende der Partie hätten beide Teams den Sieg verdient gehabt, sagte Dragons-Spieler Zettergren. „Alle auf dem Eis waren gleich kaputt.“Sowohl die Storhamar Dragons als auch die Sparta Warriors hätten in den vielen Zusatzperioden ihre Torchancen gehabt. Genügend Torchancen: „Es war Zufall, dass wir gewonnen haben.“
Wenn der Torrichter einschläft
Als weltweit längstes Match galt bisher ein Play-off-Halbfinalspiel der Nordamerika-Liga NHL aus dem Jahr 1936. Damals siegten die Detroit Red Wings nach 176:30 Minuten in der sechsten Verlängerung mit 1:0 gegen die Montréal Maroons, Torschütze war ein gewisser Modere Fernand „Mud“Bruneteau, 21 Jahre jung. Pete Kelly, der ihm die Scheibe vorgelegt hatte, verriet lange Zeit später: „Der Torrichter ließ die rote Lampe nach dem Treffer nicht aufleuchten.“Die Legende geht um, er sei wohl eingeschlafen. Was nicht weiter schlimm war – der Puck nämlich blieb im Tornetz hängen.
Als bislang zweitlängste Begegnung wurde in den Rekordlisten ein Spiel aus der Deutschen EishockeyLiga geführt. Vor knapp neun Jahren gewannen die Kölner Haie erst nach Mitternacht – nach 168:16 Minuten, in der sechsten Verlängerung – auf eigenem Eis mit 5:4 gegen Adler Mannheim. Den entscheidenden Treffer damals schoss Kölns Nationalspieler Philip Gogulla. Vom damaligen HaieTrainer Doug Mason ist der schöne Satz überliefert, er habe zuletzt kaum mehr gecoacht, sondern mehr den Muntermacher gegeben: „Ich war der Cheerleader.“Sein Mannheimer Pendant Dave King kommentierte die Begegnung damals bei der anschließenden Pressekonferenz lakonisch so: „Es ist zwanzig nach Zwölf, es war ein gutes Spiel. Gute Nacht!“
Bereits am heutigen Dienstag sehen sich die müden Helden von Hamar übrigens wieder, wenn das sechste Duell der Viertelfinalserie ansteht. Aktuell führen die Dragons mit 3:2, ein Sieg fehlt ihnen noch zum Weiterkommen. Es könnte dauern ...