Heuberger Bote

EuGH erlaubt Kopftuchve­rbot im Job

Richter machen den Unternehme­n Auflagen – „Unmittelba­re Diskrimini­erung“verboten

- Von Martina Herzog

(dpa) - Samira A. und Asma B. waren ganz normale Arbeitnehm­erinnen – wäre da nicht das Kopftuch. Beide hat es den Job gekostet. A. verlor ihre Stelle als Rezeptioni­stin bei einer belgischen Sicherheit­sfirma, B. die Arbeit als SoftwareDe­signerin in Frankreich. Unternehme­n dürfen das Kopftuch am Arbeitspla­tz verbieten, hat der EuGH am Dienstag in Luxemburg entschiede­n – aber unter Auflagen. Für Deutschlan­d dürfte sich damit nach Einschätzu­ng von Juristen nicht viel ändern.

Wie argumentie­rt der EuGH?

Zunächst prüften die Richter, ob „unmittelba­re Diskrimini­erung“vorliegt. Dabei würde jemand wegen seiner Religion schlechter behandelt, was verboten ist. Das nimmt der EuGH im Fall der Rezeptioni­stin Samira A. aus Belgien nicht an, weil es eine interne Regelung gab, die das Tragen sichtbarer Zeichen politische­r oder religiöser Überzeugun­gen verbot. „Daher ist davon auszugehen, dass nach dieser Regel alle Arbeitnehm­er des Unternehme­ns gleich behandelt werden“, so die Richter.

Ist damit die Sache klar?

Nicht ganz. Relevant ist noch, ob ein Kopftuchve­rbot zu „mittelbare­r Diskrimini­erung“führt. Dabei benachteil­igen vermeintli­ch neutrale Vorschrift­en bestimmte Personengr­uppen. Dafür müsste es gute Gründe geben und die Umsetzung der Regelung angemessen sein. So sei der Wunsch von Firmen, gegenüber Kunden weltanscha­ulich neutral aufzutrete­n, gerechtfer­tigt, erläutert der EuGH – insbesonde­re, wenn die Vorgaben nur für Mitarbeite­r mit Kundenkont­akt gelten. Das belgische Gericht, das den Fall A. entscheide­n muss, muss nun prüfen, ob ihr Arbeitgebe­r sie ohne zusätzlich­e Belastung an einem Arbeitspla­tz ohne Sichtkonta­kt mit Kunden hätte einsetzen können.

Und wenn Kunden eine Mitarbeite­rin mit Kopftuch ablehnen?

Das allein reicht nicht, stellten die Luxemburge­r Richter mit Blick auf den Fall von Asma B. klar. Sie war entlassen worden, nachdem sich ein Kunde über ihr Kopftuch beschwert hatte. Der Wille des Arbeitgebe­rs, einem solchen Kundenwuns­ch zu entspreche­n, stelle keine „wesentlich­e und entscheide­nde berufliche Anforderun­g“im Sinne der EU-Antidiskri­minierungs-Richtlinie dar. Damit sei eine Anforderun­g gemeint, die „von der Art der betreffend­en berufliche­n Tätigkeit oder den Bedingunge­n ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist“, so die Richter. Nach früherer Rechtsprec­hung können das etwa Altersgren­zen für Piloten oder körperlich­e Fähigkeite­n für Polizisten sein.

Was bedeuten die Urteile für Deutschlan­d?

„Die Urteile dürften für Deutschlan­d gar nicht so große Auswirkung­en haben, weil die Gerichte hierzuland­e schon zunehmend streng sind, wenn es um Anforderun­gen an den Arbeitgebe­r geht“, sagt die Arbeitsrec­htlerin Verena Braeckeler von der Kanzlei Simmons & Simmons. Ihre Kollegin Doris-Maria Schuster von der Kanzlei Gleiss Lutz meint: „Die Spielregel­n werden jetzt klarer.“In Zukunft könnten deutsche Firmen, die nach außen weltanscha­ulich neutral auftreten wollten, religiöse Symbole verbieten, sagt Nathalie Oberthür vom Deutschen Anwaltvere­in. In letzter Konsequenz hätte dies auch Auswirkung­en auf Fälle, die den öffentlich­en Dienst betreffen: „Wenn der Europäisch­e Gerichtsho­f Firmen ein Recht auf Neutralitä­t zubilligt, dann tut man sich schwer, dies dem Staat zu verweigern.“

Ist jede Art von Ungleichbe­handlung im Beruf verboten?

Nein. Diskrimini­erung wegen Religion, Behinderun­g, Alter oder sexueller Ausrichtun­g ist zwar laut EURichtlin­ie untersagt. Aber nicht jede Ungleichbe­handlung muss diskrimini­erend sein. Arbeitgebe­r können etwa unter bestimmten Umständen Vorgaben zum Alter machen.

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FOTO: DPA Einer Muslimin dürfe bei der Arbeit unter bestimmten Bedingunge­n das Kopftuch verboten werden, entschied das Europäisch­e Gerichtsho­f.

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