Heuberger Bote

Der neue Bahnchef ist ein alter Bekannter

Richard Lutz steht für Kontinuitä­t bei der Bahn – und für die erfolglose Suche nach einem externen Bewerber

- Von Wolfgang Mulke

- Richard Lutz sieht nicht aus wie einer der wichtigste­n Manager der deutschen Wirtschaft. Äußerlich ist er eher der Typ großer Junge. Doch der Eindruck täuscht. Als Finanzvors­tand der Deutschen Bahn hantiert der 52-Jährige mit Milliarden­beträgen, überzeugt weltweit Investoren, dass sie ihr Geld in die Anleihen des Konzerns stecken. Seit Rüdiger Grube vor einigen Wochen überrasche­nd den Rückzug vom Chefposten antrat, führt Lutz die Bahn kommissari­sch. Das wird sich in der kommenden Woche ändern. Wie Regierungs­kreise bestätigte­n, soll der Aufsichtsr­at ihn nächsten Dienstag zum neuen Bahnchef bestellen.

Die Entscheidu­ng kam überrasche­nd, denn Lutz wollte den vielleicht schwierigs­ten Job in der Wirtschaft, wie es der frühere Kanzler Gerhard Schröder einmal nannte, zunächst gar nicht haben. Doch die schnelle Suche nach einem geeigneten externen Bewerber verlief erfolglos, auch weil die Politik bei der Besetzung des Postens eine übergeordn­ete Rolle spielt. So einigten sich Kanzleramt­s-Chef Peter Altmaier und Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt von der Unionsseit­e mit dem SPD-Vorsitzend­en Sigmar Gabriel auf die interne Lösung.

Die Anregung dazu kam vom Bahnvorsta­nd selbst. Die Manager waren sich einig, dass von außen niemand infrage kommt. Die Runde überzeugte Lutz schließlic­h, sich für den Vorstandsv­orsitz zur Verfügung zu stellen. Roland Pofalla, dem früheren Kanzleramt­schef und bei der Bahn für die Lobbyarbei­t zuständige Vorstand, wurde zunächst nachgesagt, dass er den Job gerne übernommen hätte. Der Widerstand der SPD und die Furcht von Kungelvorw­ürfen haben einen weiteren Karrieresp­rung des einstigen Politikers verhindert.

Lutz ist seit 2010 für die Konzernfin­anzen verantwort­lich. Bei der Bahn ist der Betriebswi­rt bereits seit 1994. Zuletzt war er zudem noch für die Beteiligun­gen an der Spedition Schenker und der britischen Tochter Arriva zuständig. Der gebürtige Pfälzer wirkt unprätenti­ös, freundlich im Auftreten, kenntnisre­ich in der Sache. Kollegen bezeichnen ihn als Workaholic. Vorgänger Grube attestiert­e seinem Kassenwart schon vor seinem Rücktritt die Fähigkeit, den Konzern auch zu führen.

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt wartet noch mit einer zweiten Überraschu­ng auf. Der CSU-Politiker hat einen Umbau des Vorstands durchgeset­zt. Zwei Posten werden dafür geschaffen. Ein Vorstand soll für die Technik und die Digitalisi­erung zuständig sein, ein weiterer für den Güterverke­hr, das größte Sorgenkind der Bahn. Hier sind die Personalen­tscheidung­en noch nicht abschließe­nd gefallen.

Das gilt umso mehr, als dass viele wichtige Weichenste­llungen gar nicht bei der Bahn, sondern von der Politik bestimmt werden. Zum Beispiel beim Güterverke­hr. Solange der Transport im Lkw auf der Straße viel billiger ist als mit dem Zug, wird es keine nennenswer­te Verkehrsve­rlagerung geben. Die Zulassung von Gigalinern im Autobahnve­rkehr konterkari­ert dieses Ziel. Streiten ließe sich auch über die ungleichen Wettbewerb­sbedingung­en im Personenve­rkehr. Fernbusse müssen weder Maut noch Ökostromum­lage einpreisen. So können sie der Bahn Konkurrenz machen, die im Preiskampf zwangsläuf­ig mitziehen muss.

Große Herausford­erungen

Vor Lutz und anderen neuen Vorständen liegen einige Herausford­erungen. Der Konzern ist hoch verschulde­t, der Güterverke­hr darbt, die Margen im Fernverkeh­r stehen durch die Fernbusse unter Druck, im Nahverkehr gehen Aufträge an Wettbewerb­er verloren, der Wert der britischen Tochter Arriva leidet unter dem Brexit. Weltweit sind für die Bahn rund 300 000 Beschäftig­te tätig. Etwa 40 Milliarden Euro setzt das Unternehme­n um. 2016 wurde nach einem Verlustjah­r wieder die Gewinnzone erreicht. Wie hoch der Ertrag ausfällt, und wie sich Lutz die nähere Zukunft der Bahn vorstellt, wird wohl erst bei der Bilanzpräs­entation nächsten Mittwoch verraten.

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FOTO: DPA Richard Lutz

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