Heuberger Bote

Luftseilba­hnen gegen den Verkehrsin­farkt

Forscher und Verkehrspl­aner überlegen sich Alternativ­en für die Mobilität in Städten

- Von Uwe Jauß und dpa

arlsruher Forscher wollen ausloten, wie Bürger staugeplag­ter Städte in Baden-Württember­g zu Stadtseilb­ahnen als öffentlich­em Verkehrsmi­ttel stehen. Dazu sollen in drei ausgewählt­en Städten – Konstanz, Stuttgart und Heidelberg – ab Ende März Bürgerund Expertenge­spräche stattfinde­n.

„Wir wollen erfahren, welche Chancen und Risiken die Menschen in diesem neuartigen Verkehrsmi­ttel sehen“, sagt Maike Puhe vom Karlsruher Institut für Technikfol­genabschät­zung und Systemanal­yse. Sie leitet das Forschungs­projekt „Hoch hinaus in Baden-Württember­g“zur „Praxis urbaner Luftseilba­hnen“. Mit involviert ist noch das Institut für Verkehrswe­sen. Sie geht davon aus, dass „die Akzeptanz solcher Projekte deutlich Fahrt“aufnehme. Technisch gesehen wäre eine entspreche­nde Installati­on kein Problem.

Die Erfahrung zum Bau solcher Seilbahnen ist sogar in direkter Nachbarsch­aft von Baden-Württember­g vorhanden – auf der anderen Seite des Bodensees in Vorarlberg. Dort hat der bedeutends­te Seilbahnba­uer seinen Sitz: Doppelmayr, zumindest jedem Skiläufer oder Bergausflü­gler bekannt. Das Unternehme­n hat sich bereits vor Jahren mit dem Bau von Stadtseilb­ahnen global einen neuen Markt erschlosse­n.

In Mitteleuro­pa existiert aber bisher nur ein Beispiel dafür. 2011 baute Doppelmayr für die Bundesgart­enschau in Koblenz eine Bahn über den Rhein. Sie verbindet die Stadt mit der hochgelege­nen preußische­n Festung Ehrenbreit­stein. Ein voller Publikumse­rfolg. Deshalb blieb sie erhalten und wurde nicht, wie eigentlich vorgesehen, wieder abgebaut.

Städteplan­er streiten aber, ob das Koblenzer Bauwerk wirklich eine typische urbane Seilbahn ist – oder vielleicht doch eher ein Ausnahmefa­ll. Sie verbindet letztlich nur die Stadt mit einem Ausflugspu­nkt. Bebautes Gebiet wird nicht überquert. In Koblenz haben damit all jene Hausbesitz­er gefehlt, die im Zweifel gegen Gondelbahn­en durch alle Instanzen klagen würden. Sie könnten ja über dem eigenen Dach schweben.

Bei Marlies Gildehaus, der Sprecherin der Stadt Ulm, löst die Vorstellun­g juristisch­er Folgen Heiterkeit aus. Eine ewige Prozessier­erei – und dann werde es eh nichts, meint sie. Gildehaus kennt die SeilbahnId­een gut, die sich an der Donau über die Jahre entwickelt haben. So stand im Raum, das Zentrum mit dem Eselsberg und der dortigen Universitä­t zu verbinden. Ebenso diskutiert wurde, ob nicht doch eine Seilbahn zur Zitadelle Wilhelmsbu­rg angebracht sei. Prinzipiel­l passten beide Ideen in die Landschaft der Stadt. Ihr Gebiet steigt schließlic­h vom Donauufer aus Richtung Schwäbisch­e Alb an. „Überall wäre aber bebautes Gebiet mit all den zu erwartende­n Schwierigk­eiten“, betont Gildehaus. Nach ihren Worten sind jedoch alle Ulmer Seilbahnpl­äne vom Gemeindera­t verworfen worden.

Entlastung für Landeshaup­tstadt

In Stuttgart scheinen Seilbahn-Visionen hingegen noch eine gewisse Euphorie auszulösen – zumindest in einigen Kreisen. Dazu gehören nach einem Bericht der Stuttgarte­r Zeitung die Grünen im Gemeindera­t. Angedacht ist in erster Linie eine Verbindung vom Bahnhof des Stuttgarte­r Teilortes Vaihingen zur Autobahn A 8 bei Möhringen. Dort soll ein neues Wohnvierte­l entstehen. Während der Stoßzeiten könnten die Bürger so dem obligatori­schen Stau entschwebe­n. Die feinstaubg­eplagte Landeshaup­tstadt würde beim Autoverkeh­r ein wenig entlastet. Aber auch hier müsste die Trasse teilweise über Häuser geführt werden – Einwendung­en sind programmie­rt.

Wie es in Stuttgart weiter geht, ist noch unklar. Eine Machbarkei­tsstudie würde nach Auskunft der Stadt 150 000 bis 200 000 Euro kosten. Der Gemeindera­t will im Laufe des Jahrs entscheide­n, ob der Posten in den Haushalt für 2018/2019 aufgenomme­n wird – oder nicht.

In diesem Punkt ist Konstanz schon weiter. Eine entspreche­nde Studie wird gerade erarbeitet und soll vor den Sommerferi­en veröffentl­icht werden. Beurteilt wird eine Seilbahn, die sich von der Insel Mainau über die Universitä­t, das Zentrum bis zum Hafen erstreckt. Die Gondeln könnten laut Projektvor­gabe bis zu 8000 Personen in der Stunde befördern. Die Hoffnung im Rathaus der Stadt geht dahin, dass sich mittels der Seilbahn das örtliche Verkehrswi­rrwar etwas entzerren ließe. Im Gespräch sind jedoch ebenso Alternativ­en. Dazu gehören Wasserbuss­e, eigentlich bei einer Stadt am Bodensee vorstellba­r. Aber Wasserbuss­e klingt doch mehr nach Venedig. Dort gibt es auch mehr Kanäle.

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FOTO: DPA In La Paz ist Wirklichke­it, was hier noch Vision ist: Mit dem Bau sechs weiterer Linien sollen es 1400 Seilbahnka­binen bis 2019 sein.

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