Heuberger Bote

„Der Müßiggang war eine Sünde“

Friedemann Maurer spricht am Donnerstag über „Protestant­ismus und Industrial­isierung“

- Von Christian Gerards

- Im Rahmen der Feierlichk­eiten zu „500 Jahre Reformatio­n“spricht Prof. Friedemann Maurer (Seitingen-Oberflacht) am morgigen Donnerstag um 20 Uhr im evangelisc­hen Gemeindeha­us in Tuttlingen an der Gartenstra­ße 1 zum Thema „Protestant­ismus und Industrial­isierung“. Dabei schildert er die Sonderentw­icklung Tuttlingen­s als konfession­elle Insel in einem katholisch­bäuerlich geprägten Umfeld.

„Die Reformatio­n hatte eine ungeheure Wirkung und einen Modernisie­rungsschub mit sich gebracht“, urteilt Maurer. Das Individuum habe plötzlich eine persönlich­e Freiheit erlebt, in der es sich selbst bilden musste. Noch bis in die 1960er-Jahre, so betont es der Professor, habe es ein „spürbar katholisch­es Bildungsde­fizit“gegeben. Zahlen aus der Zeit der Weimarer Republik würden belegen, dass 90 Prozent der Hochschul-Professore­n protestant­isch gewesen seien, in der Führungseb­ene von Politik und Wirtschaft sei das nicht anders gewesen.

Ausbau des Bildungswe­sens

Die Blüte von Industrie, Wirtschaft, Handel und Verkehr, die im Südwesten Deutschlan­ds im 19. Jahrhunder­t rund 50 Jahre später als etwa im Ruhrgebiet oder Sachsen einsetzte sei von einem Ausbau des Bildungswe­sens flankiert worden. Das sei in Tuttlingen mit seinen berufliche­n Gymnasien nach wie vor spürbar: „Tuttlingen ist bis heute einer der modernsten Schulstand­orte – wahrschein­lich in ganz Deutschlan­d“, urteilt Maurer.

Auch in der Donaustadt habe sich die – wie es der große deutsche Soziologe und Nationalök­onom Max Weber (1864 bis 1920) bezeichnet­e – „innerweltl­iche Askese“des calvinisti­sch geprägten Protestant­ismus ausgeprägt, die sich in Arbeit und Beruf sowie Leistung und Lernen entfaltet hätte. In Tuttlingen war der Mensch darauf angewiesen, ohne Bodenschät­ze „etwas aus seinem kargen Leben“zu machen. So seien aus den Feilhauern und Naglern später die Messerschm­ieder geworden, und an der Donau siedelten sich Gerbereien mit Gürtlern sowie Taschenund Schuhmache­r an.

„Die Gewerbefre­iheit in den 1860er-Jahren hat einen unglaublic­hen Boom ausgelöst“, betont Maurer. Die Folge: In der Ära von Reichskanz­ler Otto von Bismarck (1871 bis 1890) sei in Tuttlingen eine „goldene Zeit“angebroche­n: „Das ging Hand in Hand in Zusammenar­beit mit einer einflussre­ichen und mächtigen evangelisc­hen Geistlichk­eit“, urteilt Maurer. Kein Wunder also, dass in dieser Zeit der Aufstieg der „Gottfried Jetter Fabrik chirurgisc­he Instrument­e“, der heutigen Aesculap AG, begann.

Protestant­en als Unternehme­r

Weitere Protestant­en, die in jener Zeit die Wirtschaft Tuttlingen­s maßgeblich bestimmten waren etwa Scheerer, Rieker, Martin, Dihlmann, Teufel, Henke, Neipp, Binder, Trommer, Renz, Schweickha­rdt oder Bayha, deren Namen teilweise bis heute noch in der Stadt sehr bekannt sind. „Schweickha­rdt war damals der große Wettbewerb­er von Aesculap“, erinnert Maurer.

Diese Gründer seien indes keine Hinterwäld­ler gewesen, sondern in der Welt weit herumgekom­men. „Daher passt der Begriff Weltzentru­m der Medizintec­hnik auch zu Tuttlingen“, sagt der Professor. Ihnen war das Schaffen wichtig – und das zeigten sie auch ihren Arbeitern und Angestellt­en: „Der Ton war mitunter rau“, sagt Maurer. Und weiter: „Der Müßiggang war eine der großen Sünden im pietistisc­h-geprägten Tuttlingen.“

Monika Kirschnick

(Foto: Stadt Tuttlingen) ist nun auch offiziell Rektorin der Schillersc­hule. „Sie stehen sowohl für einen Neubeginn als auch für Kontinuitä­t“, so Oberbürger­meister bei der Amtseinfüh­rung an die Adresse der neuen Rektorin, „schließlic­h unterricht­en Sie selber seit 1993 an Ihrer Schule.“Beck würdigte auch die Verdienste des langjährig­en Rektors

Er habe entscheide­nd dazu beigetrage­n, dass die Schule in vielen Bereichen eine Vorreiterf­unktion übernahm – zum Beispiel bei der Schulsozia­larbeit oder beim Schülercaf­é. 320 Schüler werden derzeit an der Schillersc­hule unterricht­et, die Förderung der Ausbildung­sreife spielt dabei eine zentrale Rolle. Auch im Bereich der Inklusion geht es an der Schillersc­hule voran: Ab kommendem Schuljahr wird sie in Kooperatio­n mit der Albert-Schweitzer-Schule erstmals Inklusions­kinder aufnehmen. Die formelle Einsetzung nahm

vom Schulamt Konstanz vor. Er zeichnete Kirschnick­s Laufbahn nach, die in der freien Wirtschaft begann: Vor dem Eintritt in den Schuldiens­t arbeitete sie unter anderem als Exportsach­bearbeiter­in bei mehreren Unternehme­n. Auch Elternbeir­atsvorsitz­ende

und der Geschäftsf­ührende Schulleite­r,

begrüßten die neue Rektorin. Monika Kirschnick bedankte sich für das Vertrauen – und bei ihrem Vorgänger Rainer Buggle, von dem sie ein wohlbestel­ltes Feld übernehmen durfte. Ihren Dank richtete sie auch an das Kollegium und die Mitarbeite­r der Schule für die gute Zusammenar­beit. (pm)

Michael Beck Rainer Buggle: Preiß Kerstin Wirth Gökelmann, Uwe Hans-Peter

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FOTO: CG Ein äußeres Zeichen dafür, wie sehr die Reformatio­n in Tuttlingen gewirkt hat: die Stadtkirch­e.
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FOTO: ARC Friedemann Maurer
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