Heuberger Bote

„Martin Schulz war der Korken aus der Flasche“

Die SPD-Landesvors­itzende Leni Breymaier peilt bei der kommenden Bundestags­wahl ein Ergebnis von mindestens 26 Prozent an

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- Leni Breymaier, seit Oktober Landesvors­itzende und Spitzenkan­didatin der Südwest-SPD, setzt bei der kommenden Bundestags­wahl auf das Thema Gerechtigk­eit. Im Gespräch mit Daniel Hadrys, Claudia Kling und Ulrich Mendelin schließt sie auch eine rot-rot-grüne Koalition nicht aus.

Frau Breymaier, sind Sie in Ihrem Amt als Vorsitzend­e der Landespart­ei angekommen?

Ich habe die Partei tatsächlic­h nicht mit der Muttermilc­h aufgesogen, sondern vorher in anderen Strukturen gearbeitet. Diskussion­en innerhalb der Partei werden anders geführt als innerhalb der Gewerkscha­ft. Das habe ich lernen müssen. Und wenn ich etwas sage, dann findet das in den Medien mehr Aufmerksam­keit als in meiner vorherigen Funktion. Aber die Partei hat sich an mich gewöhnt, auch der Landesvors­tand. Wir haben eine enge Kommunikat­ionsstrukt­ur eingeführt, damit alle im gleichen Film sind.

Jüngste Umfragen sehen die SPD in Baden-Württember­g bei 20 Prozent, wären jetzt Landtagswa­hlen. Welches Ergebnis peilen Sie bei der kommenden Bundestags­wahl an?

Über die lange Linie beobachten wir: Die SPD in Baden-Württember­g liegt rund fünf Prozentpun­kte niedriger als im Bund. Wenn Umfragen die SPD im Bund derzeit bei 32 Prozent sehen, gehe ich davon aus, dass wir mit 26 plus rechnen können.

Im Moment gibt es noch viele Schnittmen­gen zwischen SPD und CDU. Werden Sie die SPD wieder nach links führen?

Es ist unser Job, unsere Inhalte auch offensiv zu transporti­eren. In der Vergangenh­eit sind wir mit bestimmten Themen in den Wahlkampf gegangen und anschließe­nd in die Koalitions­verhandlun­gen. Dann kommt ein Koalitions­vertrag raus, der bis aufs Messer verteidigt wird. In diesem Moment geht dann schnell die Orientieru­ng verloren, wo wir grundsätzl­ich hinwollen. Denn im Koalitions­vertrag können wir immer nur einen Teil dessen umsetzen, was wir eigentlich möchten. Es wird ein wichtiger Punkt im Wahlkampf sein, da nochmal zu schärfen und zu zeigen, wo die Unterschie­de zu den konkurrier­enden Parteien sind.

Wo liegen diese Unterschie­de?

Wir bekommen mit der CDU keine Bürgervers­icherung hin. Das ist ein großes gesellscha­ftliches Projekt, für das es eine breite Mehrheit in der Bevölkerun­g gibt. Wir bekommen auch keine weiteren Veränderun­gen bei der Rente hin, beispielsw­eise Selbststän­dige in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung mit einzubezie­hen. Das wäre ein Weg hin zu einer Erwerbstät­igenversic­herung, die zwar in den nächsten vier Jahren nicht komplett umgesetzt werden kann, wo aber die Richtung wieder stimmt. Einigen kommt Gerechtigk­eit unmodern und rückwärtsg­ewandt vor. Dabei geht es doch darum, dass es den Menschen gut geht. Wir sind für die Leute da, die nichts anderes zu verkaufen haben als ihre beiden Hände und ihren Kopf. Wir machen eine Veränderun­g der Gesellscha­ft und des Arbeitsleb­ens durch – und dabei geht es um vieles: Datenschut­z, Qualifikat­ion, faire Bezahlung. Dafür braucht man mehr Geld im System. Da sind wir dann beim Thema Steuern angekommen.

Also wollen Sie bei der Verteilung­sgerechtig­keit andere Schwerpunk­te setzen als die CDU?

Ja, auf jeden Fall.

Heißt das dann: Rot-Rot-Grün?

Wir befinden uns in einer Zeit, in der wir uns nicht festlegen und auch nichts ausschließ­en dürfen. Es war ein Fehler, Koalitione­n mit der Linksparte­i bislang auszuschli­eßen. Klar ist: Wir koalieren nicht mit den Rechtspopu­listen, alles andere wird sich zeigen. Ansonsten reden wir über unsere Themen und schauen dann, mit wem wir diese umsetzen können.

Wo sehen Sie Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de zur Linksparte­i?

In der Außenpolit­ik hat die Linksparte­i zum Beispiel ganz andere Vorstellun­gen. Sie hat einen anderen Blick auf die Nato. Es wird aber mit Sicherheit keinen Koalitions­vertrag geben, in dem wir die Nato auflösen werden. Nicht wir, die Linksparte­i muss da ihre Positionen überdenken.

Seit Januar sind 1215 Menschen in die Südwest-SPD eingetrete­n, so viele wie in ganz 2016 nicht. Welchen Einfluss hat die Arbeit der Landes-SPD daran und welchen Martin Schulz?

Martin Schulz war der Korken aus der Flasche. Die SPD ist aber insgesamt nur dann gut – und das trifft auf jede Partei zu – wenn sie eine einheitlic­he Sprache spricht. Die Landesgrup­pe im Bundestag muss dieselbe Sprache sprechen wie die Landtagsfr­aktion und der Landesvors­tand. Wenn Schulz nach kostenfrei­er Bildung ruft, kann ein SPD-Gemeindera­t in Ravensburg nicht fordern, die Kita-Gebühren zu erhöhen. Die Inhalte müssen zusammenpa­ssen. Und im Moment passen sie einfach zusammen. Wir sind potenziell­en Wählerinne­n und Wählern – wie auch jenen, die jetzt Mitglied geworden sind – eine glaubwürdi­ge Politik über eine lange Strecke schuldig. Und, dass wir berechenba­r sind.

Bei der letzten Bundestags­wahl konnte die Südwest-SPD ein Direktmand­at holen, das sie dann an die CDU abtreten musste. Dieses Mal haben Sie angekündig­t, gleich vier Direktmand­ate einfahren zu wollen. Wie wollen Sie das schaffen?

Wir schauen uns Umfragen und Bewertunge­n an, die über lange Zeit gemacht wurden. Da scheint es im Rahmen des Möglichen, dass wir das etwa in Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe oder Freiburg schaffen. Und natürlich in Ravensburg.

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FOTO: DANIEL DRESCHER Die Partei habe sich an sie gewöhnt, sagt Südwest-SPD-Chefin Leni Breymaier.

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