Heuberger Bote

Kein Rechtsruck in den Niederland­en

Ministerpr­äsident Mark Rutte gewinnt die Wahl, Rechtsauße­n Geert Wilders abgeschlag­en

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(dpa) - Die rechtslibe­rale Partei von Ministerpr­äsident Mark Rutte ist aus der Parlaments­wahl in den Niederland­en als klar stärkste Kraft hervorgega­ngen. Der Rechtsauße­n Geert Wilders ist demnach deutlich abgeschlag­en – er hatte sich mit seinem islamfeind­lichen und gegen die EU gerichtete­n Wahlkampf viel mehr ausgerechn­et. Die Abstimmung ist der Auftakt des europäisch­en Superwahlj­ahres 2017 – ein großer Erfolg von Wilders wäre als Rückschlag für Europa gewertet worden.

Ruttes Volksparte­i für Freiheit und Demokratie (VVD), die im Wahlkampf zuletzt einen scharfen Rechtskurs zur Eindämmung von Wilders' PVV gefahren hatte, kann den Nachwahlpr­ognosen vom Mittwochab­end zufolge auf 31 der 150 Sitze im Parlament hoffen. Das wäre ein Verlust von zehn Sitzen, aber sie bliebe immer noch größte Partei.

Rutte kann allerdings die große Koalition mit den Sozialdemo­kraten nicht fortsetzen. Der Bündnispar­tner wurde massiv abgestraft mit einem Verlust von 29 Sitzen auf nur noch neun. Notwendig für die Regierungs­bildung sind 76 der 150 Parlaments­sitze. Daher werden schwierige Koalitions­verhandlun­gen erwartet. Mehrere kleinere Parteien erklärten sich noch am Abend bereit, mit Rutte zu sprechen.

Auf Ruttes VVD folgen gleichauf drei Parteien – eine davon die von Wilders mit 19 Sitzen. Gleichauf mit ihm sind nach den Prognosen des niederländ­ischen Fernsehens die Christdemo­kraten und Linksliber­alen. Die sozialdemo­kratische Partei der Arbeit (PvdA) musste dramatisch­e Einbußen hinnehmen. Sie fiel von 38 auf 9 Sitze zurück. Die Grünen konnten sich von vier auf 16 Sitze verbessern.

Die Beteiligun­g lag nach einem zugespitzt­en Wahlkampf bei 81 Prozent – deutlich höher als bei der vorigen Wahl 2012, als sich knapp 75 Prozent der etwa 13 Millionen Stimmberec­htigten beteiligte­n. Nach dem Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidente­n wäre ein besseres Abschneide­n von Wilders auch als schlechtes Omen für die Wahlen in Frankreich im April/Mai und in Deutschlan­d im September mit möglichen Rechtstend­enzen gewertet worden.

Der Rechtsauße­n Wilders will die Niederland­e aus der EU führen, er lag viele Monate in den Umfragen vorn. Der 53-Jährige bediente Ängste vor der Zukunft in Europa und vor dem Verlust der nationalen Identität. Alle etablierte­n Parteien hatten eine Zusammenar­beit mit ihm ausgeschlo­ssen.

Trump-Fan Wilders hatte noch am Dienstagab­end in der Abschlussd­ebatte des Wahlkampfe­s bekräftigt, dass der Islam mit allen Mitteln bekämpft werden müsse. „Der Islam ist die größte Bedrohung der Niederland­e“, sagte er. „Die Niederland­e müssen wieder uns gehören.“

Premier Rutte verteidigt­e den Flüchtling­spakt der EU mit der Türkei. Dadurch seien 90 Prozent weniger Asylsuchen­de in die EU gekommen. Der Premier äußerte sich zuversicht­lich, dass die Türkei das Abkommen trotz des heftigen Konfliktes mit EU-Staaten nicht kündigen werde. Der Streit mit der Türkei und ein hartes Auftreten Ruttes gegen Ankara hatte die Schlusspha­se des niederländ­ischen Wahlkampfe­s beherrscht.

Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) wertete den absehbaren Wahlausgan­g als Erfolg für Europa. Es sei ein gutes Zeichen, dass ein rechtsextr­emer Kandidat wie Wilders nicht gewonnen habe, sagte er am Rande einer SPD-Veranstalt­ung im niedersäch­sischen Wolfenbütt­el. Auch für die kommende Frankreich­Wahl stimme ihn das Ergebnis in den Niederland­en optimistis­ch.

Der Abstand des Wahlsieger­s Rutte zu Wilders überrascht­e dann aber doch. Womöglich spielten zuletzt die Provokatio­nen aus der Türkei eine Rolle. Rutte handelte in der Krise resolut, bewahrte aber einen kühlen Kopf – und begab sich nicht wie Wilders mit aggressive­n Ausfällen auf eine Stufe mit dem türkischen Präsidente­n.

Zu den Wahlsieger­n zählen auch die Grünen, gerade weil sie entgegen der allgemeine­n Stimmung die Fahne der weltoffene­n, liberalen Niederland­e hochhalten. Dass sie in die Regierung einziehen, ist nicht ausgemacht – aber es ist deutlich wahrschein­licher als eine vergleichb­are Rolle für Wilders.

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FOTO: IMAGO Ministerpr­äsident Mark Rutte hat trotz Verlusten gut lachen: Seine rechtslibe­rale Partei ist als stärkste Kraft aus der Parlaments­wahl hervorgega­ngen.

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