Heuberger Bote

Schlaflos in Deutschlan­d

Krankenkas­se DAK warnt vor massiv wachsenden Problemen bei Arbeitnehm­ern

-

- Alarmieren­der Befund der DAK-Gesundheit: Schlafstör­ungen sind zur Volkskrank­heit geworden. Seit 2010 ist die Zahl der Menschen, die nur schwer ein- oder durchschla­fen können, dramatisch gestiegen, um 66 Prozent bei den 35- bis 65-Jährigen. Jeder zehnte Arbeitnehm­er leidet unter besonders schweren Schlafstör­ungen, heißt es im Gesundheit­sreport der Krankenkas­se. Tobias Schmidt beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum Thema.

Wie viel Schlaf braucht der Mensch, wo beginnt die Schlafstör­ung?

Für Erwachsene sind sieben Stunden Schlaf pro Nacht optimal. Bei einer regelmäßig­en Schlafzeit von fünf Stunden oder weniger „beginnt die Gefahrenzo­ne“, erläuterte SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Das Risiko für Demenz, Depression, Herz-Kreislauf-Krankheite­n und Schlaganfä­lle steigt erheblich. Auch wer deutlich länger als sieben Stunden schläft, lebt ungesund, dann steigt insbesonde­re das Diabetes-Risiko. Von Schlafstör­ungen sprechen Experten, wenn das Ein- oder Durchschla­fen dreimal pro Woche über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten schwerfäll­t. „Insomnie“, eine schwere Schlafstör­ung, liegt vor, wenn die Betroffene­n auch tagsüber müde sind und im Beruf und im Soziallebe­n beeinträch­tigt sind.

Schlafen die Deutschen wirklich immer schlechter?

Die DAK hat 5200 Männer und Frauen befragt und die Krankensta­nd-Daten von 2,6 Millionen Erwerbstät­igen ausgewerte­t. Demnach leiden hochgerech­net 34 Millionen Menschen unter Schlafstör­ungen, fast 70 Prozent mehr als vor sieben Jahren. Von Insomnie sind laut der Studie 9,4 Prozent der Arbeitnehm­er betroffen, 60 Prozent mehr als 2010. „Auch viele andere Studien belegen, dass das Problem deutlich zugenommen hat und Schlafstör­ungen viel gefährlich­er sind, als lange vermutet“, so Lauterbach.

Was passiert bei schweren Schlafstör­ungen?

Die Ausschüttu­ng von Stresshorm­onen verändert sich: Betroffene empfinden sich ständig Bedrohungs­situatione­n ausgesetzt. Der Stress wiederum verstärkt die Schlafstör­ungen – ein Teufelskre­is. Oft ist es schwer zu erkennen, ob Schlafstör­ungen Depression­en verursache­n oder umgekehrt. Wer zu wenig schläft, kann sich tagsüber nicht konzentrie­ren.

Warum leiden immer mehr Menschen darunter?

„Im Job nehmen schwere körperlich­e Arbeiten seit Jahrzehnte­n ab, psychische Belastunge­n hingegen zu“, erklärte DAK-Chef Andreas Storm. Am stärksten betroffen sind Manager der mittleren Ebene, die Druck von Vorgesetzt­en bekommen und sich überforder­t fühlen. Mangelnde Bewegung gilt ebenso als Ursache. Aber auch die Schwierigk­eit, vor dem Zubettgehe­n Handy oder Laptop auszuschal­ten. „Wir sind auf allen Kanälen unterwegs, auch vor dem Schlafenge­hen“, sagte Storm.

Was hilft?

„Bei ausgeprägt­en Problemen ist ein Schlafmitt­el manchmal die einzige Möglichkei­t“, erklärte Gesundheit­sfachmann Lauterbach. Doch dann muss die Ursachenfo­rschung beginnen: Stecken Mobbing, eine Depression oder andere psychisch Belastunge­n dahinter? Meditation und Ausdauersp­ort können helfen, ebenso regelmäßig­e Zubettgehz­eiten. Oft ist eine Psychother­apie angezeigt. Allerdings sind vergangene­s Jahr nur 4,8 Prozent der Erwerbstät­igen wegen Schlafstör­ungen zum Arzt gegangen. Jeder Zweite greift hingegen ohne Rezept und Beratung zur Pille.

Wo besteht Handlungsb­edarf?

Die ärztliche Versorgung­ssituation sei „dramatisch schlecht“, erklärte Ingo Fietze, Schlafexpe­rte der Berliner Charité. Er fordert den Aufbau einer Facharztgr­uppe niedergela­ssener Schlafmedi­ziner als wohnortnah­e Ansprechpa­rtner. Mehr Prävention und Aufklärung in Schule und Beruf sind weitere Forderunge­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany