Ruttes Taktik geht auf
Niederländischer Premier gewinnt mit rechtem Kurs – Schwierige Regierungsbildung
(dpa) - Der populistische Umschwung in den Niederlanden ist ausgeblieben. Das musste Geert Wilders in der Nacht zum Donnerstag eingestehen. „Ich hätte gerne gewonnen und 30 Sitze bekommen“, sagte er. Am Ende waren es nur 20, immerhin fünf mehr als bei der vorigen Wahl 2012.
Die meisten Niederländer zeigten sich erleichtert. Ihr Land war nicht in einem Chaos gelandet. Monatelang hatte der 53-jährige Wilders mit seinen rechten Parolen gegen Islam, Migranten und die EU die Umfragen angeführt und die Stimmung aufgeheizt. Doch in den vergangenen Wochen verlor er an Zustimmung. Seine PVV endete nach dem vorläufigen Endergebnis bei etwa 13,1 Prozent – deutlich hinter dem Wahlsieger, dem alten und wohl neuen Premier Mark Rutte, der auf 21,3 Prozent der Stimmen kam.
Die außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung von mehr als 80 Prozent wird als sehr positives Signal auch für die EU gewertet. Die Niederländer wussten, was auf dem Spiel stand. „Gerade auch die Jugend wollte unter dem Eindruck des Brexit ihre Stimme abgeben“, analysierte der Utrechter Professor für Verwaltungskunde, Mark Bovens. „Sie wussten: Jede Stimme zählt.“
Der rechtsliberale Rutte ist der klare Wahlsieger, auch wenn seine VVD wohl acht Mandate einbüßte. Die Taktik des Ministerpräsidenten war aufgegangen. Er hatte mit einem harten rechten Kurs bei der Wählerschaft von Wilders gewildert. Migranten sollten sich normal verhalten, hatte er etwa gefordert, „oder abhauen“. Und dann profitierte er auch von seinem entschiedenen Auftreten in der heftigen Krise mit der Türkei der vergangenen Tage.
Doch Rutte muss sich nun nach einem neuen Koalitionspartner umschauen. Denn die sozialdemokratische Partei für die Arbeit hat die größte Niederlage ihrer Geschichte erlitten – sie verlor 29 der bisher 38 Sitze. Weitaus mehr als Rutte muss die Partei den Preis bezahlen für den harten Spar- und Reformkurs, mit dem die Große Koalition das Land aus der Wirtschaftskrise geführt hatte.
Der Wissenschaftler Bovens sieht in der Wahl auch einen europäischen Trend bestätigt: „Der alte Gegensatz von links und rechts besteht nicht mehr“, sagte er. Heute sei es: „Die Kosmopoliten gegen die Nationalisten.“Tatsächlich verloren nun die klassisch linken Parteien wie die Sozialdemokraten. Aber die kosmopolitischen Kräfte wie etwa die Grünen oder die Linksliberalen legten zu.
Warum hat Wilders nicht wie von ihm erhofft zugelegt? Andere Parteien, so legt Professor Bovens dar, hatten seine rechten Themen übernommen. Die Christdemokraten und auch Ruttes VVD etwa waren deutlich nach rechts gerückt. Die Folgen: Strengere Migrationsregeln, schärfere Integrationsanforderungen, aber vor allem ein deutlich raueres Klima gegenüber Zuwanderern aus muslimischen Ländern.
Die Zersplitterung der niederländischen Parteienlandschaft hat sich weiter verstärkt. Zur Bildung einer stabilen Regierung sind mindestens vier Parteien nötig. Rutte wird als Wahlsieger die Initiative ergreifen und zunächst mit den Christdemokraten (CDA) und den Linksliberalen D66 verhandeln. Doch das reicht nicht. Die linke ChristenUnie wäre ein möglicher Partner. Mehr noch als die Grünen. Sie hatten einen Sensationserfolg erzielt und nun 14 Sitze, zehn mehr als bisher. Doch ihr Spitzenkandidat, Jesse Klaver, würde den Kurs von Rutte kaum mittragen.