Die Ruhe nach dem Sturm
Noch immer gilt die Dominikanische Republik als Traumziel in der Karibik
ie Seele oder die Beine baumeln lassen, das kann manchmal dasselbe sein. Es ist Sonntagmorgen, in der Nacht hat der Regen der Karibik eine Generalwäsche verpasst. Die Palmblätter bogen und wanden sich und rauschten im Sturm, im Meer waren die Lichter der Katamarane mit einen Schlag erloschen. Aber längst ist alles wieder friedvoll in Bavaro an der Punta Cana in der Dominikanischen Republik. Die Temperatur hat sich wie an jedem dieser Februartage bei 29 Grad eingependelt, der 26 Grad laue, karibische Ozean zeigt sein reinstes Türkis, und beim Strandspaziergang herrscht keine Gefahr – auch dann nicht, als plötzlich drei grüne Monster den Weg kreuzen, die ein wenig an Monty Pythons Gebüsch erinnern. Es sind harmlose Bauern und Dachdecker, die derart viele Palmblätter geschultert haben, dass nur noch ihre Füße unterm Grün hervorlugen. Gefahr droht auch nicht, als später ein Tau überm Wasser auftaucht. Jemand hat einen Strick in eine Palme gehängt, eine Schaukel gebaut, ein Luftkissen sozusagen. Also fliegen wir mal eine Runde, lassen die Beine baumeln, danken Gott für dieses Paradies und dafür, dass es an der Punta Cana noch keine Helmpflicht gibt.
Eine Kokosnuss für zwei Dollar
Mick Jagger hat ja einmal ein Konzert abgesagt mit der offiziellen Begründung, er habe am Strand von einer herabfallenden Kokosnuss eine Gehirnerschütterung erlitten. Tatsächlich hält sich die Legende, die Nüsse seien noch vor Haien die häufigste Todesursache in der Karibik. In der Dominikanischen Republik allerdings werden sie sorgsam geerntet, bevor sie herunterfallen, überall. Keiner muss hier Angst haben, erschlagen zu werden, im Gegenteil: Wer gut im Feilschen ist, kann die kleinen Naturwunder – Kokosnusswasser gilt als beinahe gleichwertiger Ersatz für Muttermilch – für zwei Dollar vom nächsten Strandverkäufer erstehen, inklusive Strohhalm.
Wer will, kann sie sich an seiner Hotelbar auch mit Rum auffüllen lassen. Denn das ist die Punta Cana natürlich auch – eine ewige, hundert Kilometer lange All-inclusive-Hotelbar mit allerlei flüssigen Zerstreuungsmöglichkeiten, eine gigantische Strandliege mit Pool, Pina-Colada, Party und allem, was am Meer offenbar dazugehört: Jetski, Paragliding, Partybooten, auf denen viel Merengue getanzt und noch mehr Cuba Libre getrunken wird.
Noch immer gilt die Dominikanische Republik als Traumland in der Karibik, und der Boom scheint nicht enden zu wollen. Derzeit strömen fünf Millionen Touristen jährlich in das Land, das bei gleicher Einwohnerzahl etwas größer ist als BadenWürttemberg, „Ziel unseres Präsidenten sind zehn Millionen“, sagt Prudencio Ferdinand, Sprecher des Tourismusministeriums. Auf einen Einwohner käme dann ein Tourist, und aufgrund der politischen Verwerfungen in Europa scheint der Plan realistischer denn je zu sein. Während in Nordafrika und der Türkei die Urlauberströme versiegen, kann die Dominikanische Republik mit ihrer politischen Stabilität punkten. Seit 50 Jahren herrscht Frieden dort. Auch immer mehr Russen wissen das zu schätzen, und im Gegensatz zu den Kanaren ist das Wetter auch im Winter stabil. Gebadet wird hier überall, auch im Norden am Atlantik, wo es auf der romantischen, etwas ruhigeren Halbinsel Samana eine Art Individualtourismus gibt – also kleinere Hotels mit Halbpension.
Die meisten Urlauber allerdings machen an der Punta Cana halt, die längst einen Autobahnzubringer und eigenen internationalen Flughafen ihr Eigen nennt – sowie 30 000 Hotelzimmer. Darunter sind Luxusdomizile wie das in vier Resorts aufgeteilte Palladium Turquesa in Bavaro mit seinen neun internationalen Restaurants, Whirlpools im Zimmer oder auf der Terrasse. Aber auch LowBudget-Adressen wie das „Be live“fünfzehn Kilometer weiter westlich, das mit seinem vitalisierenden Animationsprogramm auftrumpft: mit Aqua-Fitness-Kursen, in denen 40 Frauen jeden Mittag im Bikini zu Karibik-Klängen im Wasser tanzen, oder mit Hahnenkämpfen im Pool, bei denen junge Männer aus Chile und Kanada Kissenschlachten auf Surfbrettern machen und so ihren Hero küren.
Ausflug ins Landesinnere
Wer seine Ruhe genießen und endlich mal das Buch lesen will, das seit zehn Jahren in seinem Regal steht, kann das auch in All-inclusive-Resorts – einfach die Liege aus dem Getümmel schieben. Wer Gesellschaft braucht, der findet sie natürlich an der Punta Cana, auch unmittelbar am Wasser. Junge Flüchtlinge aus dem bettelarmen, einst verfeindeten Nachbarland Haiti wollen hier ihr Geschäft machen. Sie tragen Leguane, Äffchen oder Papageien auf Schultern und Händen und bieten Fotos an. „Ola amigo“, heißt es im Fünf-Minuten-Takt. Tierliebe Touristen sollten besser die Kühlschrankmagnete der Jungunternehmer kaufen – mit Seesternen und der rotblauen Flagge, ein unproblematisches Souvenir.
Echte Seesterne gibt es auf Saona zu sehen. Die vorgelagerte Insel bezirzt mit ihrem klaren Meerwasser und ihren Korallenmuscheln. Zahllose Anbieter bieten Tagesausflüge an, bei denen auch geschnorchelt werden kann. Und wer mehr sehen will als Strand und Palmen, dem sei ein Ausflug nach Higüey empfohlen. Entlang von Zuckerrohr- und Tabakplantagen, den neben Kakao größten Exportgütern der Republik, führt der Weg ins 30 000-Seelen-Städtchen im Landesinnern, dessen Wahrzeichen man schon kilometerweit vor der Ankunft sieht – die Basilica Nuestra Senora de la Altagracia. Das Gnadenbild der Jungfrau Maria ist eine Pilgerstätte für alle Katholiken Lateinamerikas – so wie die Karibik und ihre weltlichen Reize für viele Europäer.