Viel zu viele Klamotten im Schrank?
Aktion „Die Welt fairbessern – aber wie?“startet mit dem Thema „Saubere Kleidung“
TUTTLINGEN - Die dritte entwicklungspolitische Gesprächsreihe unter dem Motto „Die Welt fairbessern – aber wie?“ist am Mittwochabend mit dem Thema „Die wahren Kosten der Textilproduktion“im Scala-Kino Tuttlingen gestartet. Dazu hatte die Organisation Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart gemeinsam mit dem Fairtrade-Landkreis Tuttlingen, die Geschäftsführerin der Bundeskampagne für Saubere Kleidung, Christiane Schnura, eingeladen, die auf die Problematik der weltweiten Textilproduktion einging.
„Auch in der feinsten Kleidung liegt keine Schönheit, wenn sie Hunger mit sich bringt.“Mit diesem Zitat von Indira Gandhi begrüßte Anton Vaas, Vorsitzender der Aktion Hoffnung Rottenburg, die Besucher im Scala-Kino. „Was muss sich politisch verändern, was kann aber auch der oder die Einzelne tun, damit es in der Welt gerechter zugehen kann?“, fragte er – und das insbesondere für die Näherinnen etwa in Kambodscha, Bangladesch, Indien, China, oder Afrika, die unter schwierigsten Bedingungen und unter sozialer Benachteiligung, für die „zweite Haut“der Menschen in der westlichen Welt sorgen.
Erster globalisierter Industriezweig
„Die Textilindustrie war der erste Industriezweig, der sich globalisierte. Bereits in den 1970er-Jahren wurden die Textilfabriken in Deutschland geschlossen und in Billiglohnländer ausgelagert“, erklärte Schnura. Tausende Näherinnen wurden hierzulande arbeitslos.
Dies sei einfach gewesen, denn dafür sei nur ein Container mit Nähmaschinen benötigt worden, der in die entsprechenden Länder gebracht werden konnte: „Arbeitswillige Mitarbeiter wurden sofort gefunden, und nach einer kurzen Einarbeitungszeit hatten die jungen Frauen die Handgriffe gelernt, um unter menschenunwürdigen Bedingungen, zu niedrigsten Löhnen, die Kleidung zu nähen, die wir tragen.“
Da die Kleidung noch günstiger sein sollte, sich der Anspruch der Industrie und der Verbraucher immens gewandelt habe, gibt es heute eine neue Entwicklung: „Heute sprechen wir nicht mehr von vier durch die Jahreszeiten bedingten Saisons, sondern von Fast-Fashion mit wöchentlich wechselnden Angeboten.“Dadurch seien die Regierungen und Firmen in den Produktionsländern erpressbar. „Steigen die Löhne, dann ist es einfach, alles zu packen und in das Land mit noch billigeren Löhnen zu ziehen“, stellte Schnura fest.
Der eindrucksvolle Film „The true costs“gab den Menschen, die unsere Modevielfalt ermöglichen, ein Gesicht und eine Stimme. Er sorgte bei den zahlreichen – vor allem vielen jungen Besuchern - zunächst einmal für Sprachlosigkeit. „Die Läden im Westen drücken täglich die Preise“, erzählt ein Unternehmer aus Bangladesch in dem Film. Daher müsse er die Löhne kürzen, die allgemeinen Kosten würden nicht fallen. Der Dokumentarfilm zeigte auf, dass hinter der Gedan-kenlosigkeit der westlichen Welt, menschliche Schicksale stehen: Das höchste Risiko tragen diejenigen, die am schwächsten sind. Aber auch ein sorgloser Umgang mit den Rohstoffen wie etwa der Baumwolle wurde aufgezeigt. „Die Modebranche ist die zweitstärkste umweltverschmutzende Industrie hinter der Ölindustrie“, sagte Schnura, die ein Umdenken forderte.
„Wir unterstützen dieses Wahnsinns-System, indem wir alle viel zu viel Kleidung haben“, stellte Christiane Schnura fest. Die Menschen sollten das eigene Konsumverhalten auf den Prüfstand stellen und Kleidung nicht als wegzuwerfendes Verbrauchsgut behandeln, sondern in Secondhand-Geschäften einkaufen, auf Fair-Trade gehandelte Ware und auf Gots-zertifizierte Kleidung ausweichen.
Es gibt keine einfache Lösung
Eine einfache Lösung gebe es nicht, ebenso keine gesetzlichen Rahmenbedingungen, betonte Christiane Schnura. Aber jeder könne seinen persönlichen Protest gegenüber den Textilunternehmen kundtun, denn jeder noch so kleine Mosaikstein bewege etwas.