Heuberger Bote

Viel zu viele Klamotten im Schrank?

Aktion „Die Welt fairbesser­n – aber wie?“startet mit dem Thema „Saubere Kleidung“

- Von Claudia Steckeler

TUTTLINGEN - Die dritte entwicklun­gspolitisc­he Gesprächsr­eihe unter dem Motto „Die Welt fairbesser­n – aber wie?“ist am Mittwochab­end mit dem Thema „Die wahren Kosten der Textilprod­uktion“im Scala-Kino Tuttlingen gestartet. Dazu hatte die Organisati­on Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart gemeinsam mit dem Fairtrade-Landkreis Tuttlingen, die Geschäftsf­ührerin der Bundeskamp­agne für Saubere Kleidung, Christiane Schnura, eingeladen, die auf die Problemati­k der weltweiten Textilprod­uktion einging.

„Auch in der feinsten Kleidung liegt keine Schönheit, wenn sie Hunger mit sich bringt.“Mit diesem Zitat von Indira Gandhi begrüßte Anton Vaas, Vorsitzend­er der Aktion Hoffnung Rottenburg, die Besucher im Scala-Kino. „Was muss sich politisch verändern, was kann aber auch der oder die Einzelne tun, damit es in der Welt gerechter zugehen kann?“, fragte er – und das insbesonde­re für die Näherinnen etwa in Kambodscha, Bangladesc­h, Indien, China, oder Afrika, die unter schwierigs­ten Bedingunge­n und unter sozialer Benachteil­igung, für die „zweite Haut“der Menschen in der westlichen Welt sorgen.

Erster globalisie­rter Industriez­weig

„Die Textilindu­strie war der erste Industriez­weig, der sich globalisie­rte. Bereits in den 1970er-Jahren wurden die Textilfabr­iken in Deutschlan­d geschlosse­n und in Billiglohn­länder ausgelager­t“, erklärte Schnura. Tausende Näherinnen wurden hierzuland­e arbeitslos.

Dies sei einfach gewesen, denn dafür sei nur ein Container mit Nähmaschin­en benötigt worden, der in die entspreche­nden Länder gebracht werden konnte: „Arbeitswil­lige Mitarbeite­r wurden sofort gefunden, und nach einer kurzen Einarbeitu­ngszeit hatten die jungen Frauen die Handgriffe gelernt, um unter menschenun­würdigen Bedingunge­n, zu niedrigste­n Löhnen, die Kleidung zu nähen, die wir tragen.“

Da die Kleidung noch günstiger sein sollte, sich der Anspruch der Industrie und der Verbrauche­r immens gewandelt habe, gibt es heute eine neue Entwicklun­g: „Heute sprechen wir nicht mehr von vier durch die Jahreszeit­en bedingten Saisons, sondern von Fast-Fashion mit wöchentlic­h wechselnde­n Angeboten.“Dadurch seien die Regierunge­n und Firmen in den Produktion­sländern erpressbar. „Steigen die Löhne, dann ist es einfach, alles zu packen und in das Land mit noch billigeren Löhnen zu ziehen“, stellte Schnura fest.

Der eindrucksv­olle Film „The true costs“gab den Menschen, die unsere Modevielfa­lt ermögliche­n, ein Gesicht und eine Stimme. Er sorgte bei den zahlreiche­n – vor allem vielen jungen Besuchern - zunächst einmal für Sprachlosi­gkeit. „Die Läden im Westen drücken täglich die Preise“, erzählt ein Unternehme­r aus Bangladesc­h in dem Film. Daher müsse er die Löhne kürzen, die allgemeine­n Kosten würden nicht fallen. Der Dokumentar­film zeigte auf, dass hinter der Gedan-kenlosigke­it der westlichen Welt, menschlich­e Schicksale stehen: Das höchste Risiko tragen diejenigen, die am schwächste­n sind. Aber auch ein sorgloser Umgang mit den Rohstoffen wie etwa der Baumwolle wurde aufgezeigt. „Die Modebranch­e ist die zweitstärk­ste umweltvers­chmutzende Industrie hinter der Ölindustri­e“, sagte Schnura, die ein Umdenken forderte.

„Wir unterstütz­en dieses Wahnsinns-System, indem wir alle viel zu viel Kleidung haben“, stellte Christiane Schnura fest. Die Menschen sollten das eigene Konsumverh­alten auf den Prüfstand stellen und Kleidung nicht als wegzuwerfe­ndes Verbrauchs­gut behandeln, sondern in Secondhand-Geschäften einkaufen, auf Fair-Trade gehandelte Ware und auf Gots-zertifizie­rte Kleidung ausweichen.

Es gibt keine einfache Lösung

Eine einfache Lösung gebe es nicht, ebenso keine gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen, betonte Christiane Schnura. Aber jeder könne seinen persönlich­en Protest gegenüber den Textilunte­rnehmen kundtun, denn jeder noch so kleine Mosaikstei­n bewege etwas.

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FOTO: CLAUDIA STECKELER Anton Vaas, Vorstand der Aktion Hoffnung Rottenburg,und Christiana Schnura, Geschäftsf­ührerin der Bundeskamp­agne für Saubere Kleidung, im Gespräch.

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