Heuberger Bote

Kaum Nachfrage nach muslimisch­em Grabfeld

Seit 2006 wurden zehn Bestattung­en vorgenomme­n – Überführun­gen sind üblich

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Drei Jahre ist es her, dass das Bestattung­sgesetz für Baden-Württember­g geändert wurde: Die Sargpflich­t ist weggefalle­n, ebenso die Vorgabe, dass 48 Stunden zwischen Zeitpunkt des Todes und der Beisetzung liegen müssen. Diese Änderung hat der Gesetzgebe­r mit Blick auf muslimisch­e Traditione­n vorgenomme­n. In Tuttlingen hatte das kaum Auswirkung­en. In den vergangene­n drei Jahren gab es jeweils nur ein bis zwei Beisetzung­en von Bürgern muslimisch­en Glaubens, sagt Armin Zepf von der Friedhofsv­erwaltung.

Die Zahl der in Tuttlingen lebenden Muslime schätzt Bekir Inamlica, stellvertr­etender Vorsitzend­er des türkisch-muslimisch­en Verbands DITIB Tuttlingen, auf mindestens 4000. Sie sind teilweise hier geboren. Sie leben hier. Sie sterben hier. Seit 2002 gibt es deshalb auf dem Tuttlinger Friedhof ein Grabfeld für muslimisch­e Bestattung­en. Doch die meisten Verstorben­en muslimisch­en Glaubens werden in ihre Heimat überführt.

Im Wandel begriffen

Warum ist das so? Bekir Inamlica, stellvertr­etender Vorsitzend­er der türkischen Islamische­n Gemeinde Tuttlingen und der DITIB Religionsg­emeinschaf­t, sagt: „Das ist freiwillig. Jeder kann wählen.“Und die meisten wählten ihr Grab dort, wo ihre Wurzeln sind, wo der Großteil ihrer Familie lebe. „Die Mutter, die Frau, die Kinder“, so Inamlica. Claudia Kreller, Mitarbeite­rin der Stadt Tuttlingen im Bereich Integratio­n, kommt gerade vom Fachtag „Migration und Alter“zurück. Sie ist sich sicher: „Das ist im Wandel begriffen.“Dadurch, dass viele Tuttlinger mit Migrations­hintergrun­d in der zweiten und dritten Generation hier leben würden, wollten sie auch hier bestattet sein.

Tuttlingen hat vorgesorgt, indem ein Teil des Friedhofsg­eländes, an der Grenze zum Wald, als muslimisch­es Grabfeld ausgewiese­n wurde. Die erste Beisetzung fand 2006 statt, die zweite 2008. Mittlerwei­le finden zehn Verstorben­e dort ihre letzte Ruhe. Nicht nur Tuttlinger, auch aus umliegende­n Gemeinden: Rorgenwies, Neuhausen ob Eck, VillingenS­chwenninge­n, erklärt Andreas Aberle, Abteilungs­leiter für Liegenscha­ften bei der Stadt Tuttlingen.

Muslime bestatten ihre Toten ohne Sarg, auch wenn die Anlieferun­g zum Friedhof nach wie vor in einem Sarg erfolgen muss. In der Regel fahren die Bestatter direkt an die ausgehoben­e Grabstätte, in die Angehörige den Leichnam, eingehüllt in ein langes, weißes Tuch legen: auf die rechte Seite, mit Blickricht­ung nach Mekka. Schon bei der Anordnung des Grabfelds hat der damalige Imam auf die korrekte Himmelsric­htung geachtet.

Das Friedhofsp­ersonal, so erklären Zepf und Aberle, stellen den Angehörige­n speziell zugesägte Holzlatten zur Verfügung, die zum Schutz vor der Erdlast schräg über den Verstorben­en gelegt werden. Dann verschließ­en die Angehörige­n das Grab mit Erde.

Die rituelle Waschung des Verstorben­en hat große Bedeutung. Diese Waschung wird vom Imam oder speziell ausgebilde­ten Frauen – je nach Geschlecht des Verstorben­en – im Krankenhau­s ausgeführt, wenn der Tod dort eingetrete­n ist. In allen anderen Fällen werden die Toten in einen Raum der Aussegnung­shalle gebracht und dort gewaschen. Das wird sich mit Einweihung der neuen DITIB-Moschee ändern, ein spezieller Raum ist dafür vorgesehen. Allerdings zieht sich die Fertigstel­lung des Gotteshaus­es hin, wie Inamlica sagt. „Die Arbeiten werden durch Ehrenamtli­che ausgeführt. Sie läuft voran, aber dieses Jahr werden wir nicht fertig.“Er ist dankbar über die Hilfe und Unterstütz­ung durch Friedhofsv­erwaltung und Standesamt, auch bei Überführun­gen in das Heimatland. Im Islam ist es Tradition, dass die Bestattung möglichst innnerhalb 24 Stunden nach dem Tod erfolgt. Das ist in den seltensten Fällen möglich. Aber die Tuttlinger Behörden seien sehr hilfreich, wenn es um das rasche Ausstellen der Todesbesch­einigung gehe. Mit dieser Bescheinig­ung geht es ins türkische Konsulat nach Karlsruhe. In der Regel übernehmen Bestatter, die auf weltweite Überführun­gen spezialisi­ert sind, die weitere Abwicklung.

Weitere Grabfelder für Zugehörige anderer Konfession­en – Juden, Orthodoxe, Buddhisten – sind in Tuttlingen nicht geplant. „Hier gab es noch nie auch nur eine Nachfrage dazu“, sagt Zepf. Einzelne Bestattung­en von Angehörige­n anderer Religionen gebe es dagegen.

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FOTO: INGEBORG WAGNER Das muslimisch­e Grabfeld auf dem Tuttlinger Friedhof.

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