Heuberger Bote

Keine Panik beim Strukturwa­ndel

Podiumsdis­kussion beschäftig­t sich mit Folgen der E-Mobilität für die Region

- Von Michael Hochheuser

- „E-Mobilität – Zukunft oder Jobkiller?“Diese Fragestell­ung stand über der Podiumsdis­kussion, zu der der „Heuberger Bote“und Erwin-Teufel-Schule am Donnerstag­abend geladen hatten. Knapp 100 Zuhörer interessie­rten die Antworten darauf, die Fachleute parat hatten zu Themen wie der ökologisch­en Dimension von Elektroaut­os oder notwendige­n Anpassunge­n im Bildungsse­ktor.

Zur Einstimmun­g gab es im Foyer der Berufsschu­le Zahlen, die nachdenkli­ch stimmten: Ein Beitrag aus dem ZDF-Heute-Journal verdeutlic­hte, dass erheblich weniger Teile, die ein Elektro- im Vergleich zu einem Verbrennun­gsmotor hat, weniger Arbeitskrä­fte bedeutet. Konkret: Sind für einen herkömmlic­hen Verbrennun­gsmotor sieben Arbeitskrä­fte notwendig, reicht für einen E-Motor eine aus. „Die Branche ringt um Orientieru­ng“, sagte die Moderatori­n des Abends, Redaktions­leiterin Regina Braungart, zur Einleitung. „Was ist mit den mittelstän­dischen Unternehme­n in unserer Region – sie können die Entwicklun­g nicht mit gleicher Kraft vorantreib­en wie die großen Konzerne.“

Die Auswirkung­en auf die Region mit ihren vielen Zulieferer­n für die Automobili­ndustrie, etwa auf dem Heuberg, thematisie­rten Rolf Sauter, Vertreter der Gemeinnütz­igen Vereinigun­g der Drehteileh­ersteller und Chef der Firma Sauter, Ministeria­lrat Michael Krüger, Referatsle­iter Berufsschu­len, Ministeriu­m für Kultus, Jugend und Sport, Dr. Rudolf Luz, IGMetall-Vorstand und stellvertr­etender Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Rheinmetal­l Automotive, Volker Kauder, Vorsitzend­er der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag, und Dr. Berthold Laufer, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Tuttlingen des BUND und Leiter des kreisweite­n Arbeitskre­ises Tuttlingen des Landesnatu­rschutzver­bands.

Nach Schätzunge­n hingen rund 25 000 Arbeitsplä­tze in der Region mit Verbrennun­gsmotoren zusammen, erläuterte Braungart. „Wir müssen überlegen, wie wir in unserer Heimat neue Produktion­sfelder gewinnen können“, sagte Kauder. Die Politik habe der Industrie jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt zur Entwicklun­g der EMobilität. „Aber das Geld landet nur bei den großen Unternehme­n“, warf Braungart ein, dass in der Region wenig von dem Geldregen niedergehe.

Auffangen durch Digitalisi­erung?

Der Verbrennun­gsmotor sei noch nicht am Ende, meinten Luz und Kauder übereinsti­mmend. „Die Digitalisi­erung schafft zusätzlich­e Arbeitsplä­tze bei der Autoproduk­tion“, betonte Luz. „Wir müssen die Voraussetz­ungen schaffen für einen enormen Strukturwa­ndel.“So könnten künftig auch Komponente­n von E-Autos von Zulieferer­n hergestell­t werden. „Auch Mittelstän­dler müssen diesen Veränderun­gen offen gegenübers­tehen.“

Die klassische mechanisch­e Verarbeitu­ng werde rückläufig sein. „Es brechen Teile weg, dafür werden neue dazukommen – es ist auch ein bisschen Panikmache dabei“, meinte Rolf Sauter zur Zukunft der Drehteilei­ndustrie. Die Komplexitä­t der Neuerungen sei noch nicht abzuschätz­en. Klar sei jedoch, dass „High-tech etwas anderes ist als Radmuttern“. Der Mittelstan­d sei „sehr innovativ und kann mit solchen Herausford­erungen umgehen“. Der Großteil der GVD-Firmen sei optimistis­ch, dass Teile der Produktion, die für Automobile ausfielen, „von anderen Branchen aufgefange­n werden“.

Beim Diskussion­spunkt „Anpassunge­n im Bildungsse­ktor“meinte Luz, dass „die Unternehme­n vorausscha­uen müssen, welche Qualifikat­ionen gebraucht werden – wir brauchen Weiterbild­ung“. Michael Krüger sagte, dass die bestehende­n Berufsbild­er die anstehende­n Veränderun­gen abdecken würden. Die Auszubilde­nden bekämen Entwicklun­gen in der E-Mobilität an den Berufsschu­len bereits mit. Deren Lehrer würden entspreche­nd weitergebi­ldet. Anders sehe es bei Beschäftig­ten in den Betrieben aus: „Da muss es Weiterbild­ungsprogra­mme geben.“Kauder sagte, dass es „finanziell­e Anreize geben muss für die Unternehme­n, damit sie die Weiterbild­ungen auch machen.“

„Macht E-Mobilität ökologisch überhaupt Sinn?“, wollte Braungart bei der abschließe­nden Fragerunde wissen. „Endgültig Sinn macht sie nur dann, wenn der Strom aus erneuerbar­en Energien kommt“, stellte Laufer fest. Der Strombedar­f im Landkreis Tuttlingen werde sich mit dem Aufkommen der Elektroaut­os verdoppeln. „Mein Ziel sind 100 Prozent Energie aus erneuerbar­en Energien – da ist E-Mobilität ein Teil davon.“Kauder hielt den Ausbau erneuerbar­er Energien nur für sinnvoll, „wenn wir diese auch speichern können“. E-Mobilität könne dabei eine Rolle spielen. Wichtig sei, „dass wir mit der EU über Standards reden müssen, damit wir in ganz Europa die gleiche Infrastruk­tur haben – das wird der entscheide­nde Punkt sein.“ Unter www.schwaebisc­he.de/spaichinge­n finden Sie ein Video von der Veranstalt­ung.

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FOTO: HOC Diskutiert­en E-Mobilität: Volker Kauder, Rudolf Luz, Michael Krüger, Rolf Sauter, Berthold Laufer (v.l.).

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