Keine Panik beim Strukturwandel
Podiumsdiskussion beschäftigt sich mit Folgen der E-Mobilität für die Region
- „E-Mobilität – Zukunft oder Jobkiller?“Diese Fragestellung stand über der Podiumsdiskussion, zu der der „Heuberger Bote“und Erwin-Teufel-Schule am Donnerstagabend geladen hatten. Knapp 100 Zuhörer interessierten die Antworten darauf, die Fachleute parat hatten zu Themen wie der ökologischen Dimension von Elektroautos oder notwendigen Anpassungen im Bildungssektor.
Zur Einstimmung gab es im Foyer der Berufsschule Zahlen, die nachdenklich stimmten: Ein Beitrag aus dem ZDF-Heute-Journal verdeutlichte, dass erheblich weniger Teile, die ein Elektro- im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor hat, weniger Arbeitskräfte bedeutet. Konkret: Sind für einen herkömmlichen Verbrennungsmotor sieben Arbeitskräfte notwendig, reicht für einen E-Motor eine aus. „Die Branche ringt um Orientierung“, sagte die Moderatorin des Abends, Redaktionsleiterin Regina Braungart, zur Einleitung. „Was ist mit den mittelständischen Unternehmen in unserer Region – sie können die Entwicklung nicht mit gleicher Kraft vorantreiben wie die großen Konzerne.“
Die Auswirkungen auf die Region mit ihren vielen Zulieferern für die Automobilindustrie, etwa auf dem Heuberg, thematisierten Rolf Sauter, Vertreter der Gemeinnützigen Vereinigung der Drehteilehersteller und Chef der Firma Sauter, Ministerialrat Michael Krüger, Referatsleiter Berufsschulen, Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Dr. Rudolf Luz, IGMetall-Vorstand und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Rheinmetall Automotive, Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag, und Dr. Berthold Laufer, Vorsitzender der Ortsgruppe Tuttlingen des BUND und Leiter des kreisweiten Arbeitskreises Tuttlingen des Landesnaturschutzverbands.
Nach Schätzungen hingen rund 25 000 Arbeitsplätze in der Region mit Verbrennungsmotoren zusammen, erläuterte Braungart. „Wir müssen überlegen, wie wir in unserer Heimat neue Produktionsfelder gewinnen können“, sagte Kauder. Die Politik habe der Industrie jährlich eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt zur Entwicklung der EMobilität. „Aber das Geld landet nur bei den großen Unternehmen“, warf Braungart ein, dass in der Region wenig von dem Geldregen niedergehe.
Auffangen durch Digitalisierung?
Der Verbrennungsmotor sei noch nicht am Ende, meinten Luz und Kauder übereinstimmend. „Die Digitalisierung schafft zusätzliche Arbeitsplätze bei der Autoproduktion“, betonte Luz. „Wir müssen die Voraussetzungen schaffen für einen enormen Strukturwandel.“So könnten künftig auch Komponenten von E-Autos von Zulieferern hergestellt werden. „Auch Mittelständler müssen diesen Veränderungen offen gegenüberstehen.“
Die klassische mechanische Verarbeitung werde rückläufig sein. „Es brechen Teile weg, dafür werden neue dazukommen – es ist auch ein bisschen Panikmache dabei“, meinte Rolf Sauter zur Zukunft der Drehteileindustrie. Die Komplexität der Neuerungen sei noch nicht abzuschätzen. Klar sei jedoch, dass „High-tech etwas anderes ist als Radmuttern“. Der Mittelstand sei „sehr innovativ und kann mit solchen Herausforderungen umgehen“. Der Großteil der GVD-Firmen sei optimistisch, dass Teile der Produktion, die für Automobile ausfielen, „von anderen Branchen aufgefangen werden“.
Beim Diskussionspunkt „Anpassungen im Bildungssektor“meinte Luz, dass „die Unternehmen vorausschauen müssen, welche Qualifikationen gebraucht werden – wir brauchen Weiterbildung“. Michael Krüger sagte, dass die bestehenden Berufsbilder die anstehenden Veränderungen abdecken würden. Die Auszubildenden bekämen Entwicklungen in der E-Mobilität an den Berufsschulen bereits mit. Deren Lehrer würden entsprechend weitergebildet. Anders sehe es bei Beschäftigten in den Betrieben aus: „Da muss es Weiterbildungsprogramme geben.“Kauder sagte, dass es „finanzielle Anreize geben muss für die Unternehmen, damit sie die Weiterbildungen auch machen.“
„Macht E-Mobilität ökologisch überhaupt Sinn?“, wollte Braungart bei der abschließenden Fragerunde wissen. „Endgültig Sinn macht sie nur dann, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien kommt“, stellte Laufer fest. Der Strombedarf im Landkreis Tuttlingen werde sich mit dem Aufkommen der Elektroautos verdoppeln. „Mein Ziel sind 100 Prozent Energie aus erneuerbaren Energien – da ist E-Mobilität ein Teil davon.“Kauder hielt den Ausbau erneuerbarer Energien nur für sinnvoll, „wenn wir diese auch speichern können“. E-Mobilität könne dabei eine Rolle spielen. Wichtig sei, „dass wir mit der EU über Standards reden müssen, damit wir in ganz Europa die gleiche Infrastruktur haben – das wird der entscheidende Punkt sein.“ Unter www.schwaebische.de/spaichingen finden Sie ein Video von der Veranstaltung.