Heuberger Bote

„Es gibt genug schlechte Nachrichte­n“

Mighty Oaks Sänger Ian Hooper zum neuen Album „Dreamers“, über Donald Trump und grimmige Berliner

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Mit „Dreamers“erscheint am Freitag, 24. März, das zweite Album der Folkband Mighty Oaks. Was die drei Wahlberlin­er auf der neuen Platte anders gemacht haben, inwiefern Politik in ihrer Musik eine Rolle spielt und was sie von der deutschen Hauptstadt halten, erzählt Sänger Ian Hooper im Interview mit Marvin Weber.

Ian, ihr seid nach der Veröffentl­ichung eures Debütalbum­s „Howl“zwei Jahre lang nahezu pausenlos auf Tour gewesen. Danach habt ihr euch erst einmal eine Auszeit in euren Heimatländ­ern genehmigt. Wie wichtig war diese Verschnauf­pause?

Es hat auf jeden Fall sehr geholfen. Die lange Tour hat sehr viel Energie gekostet. Es war einfach gut, nach Hause zu fliegen, wieder etwas Fuß zu fassen und erst einmal zu begreifen, was überhaupt passiert ist. Wir hätten alle nicht damit gerechnet, dass es unser erstes Album in die Top 10 schafft und wir damit so lange auf Tour gehen können.

Könnt ihr den Erfolg denn jetzt mit etwas Abstand besser verstehen?

Wir haben natürlich immer an uns geglaubt und hart für den Erfolg gearbeitet. Für viele Leute kamen wir aus dem Nichts, aber wir haben bereits davor viele kleine Shows oder auch als Support für Kings of Leon oder die Shout Out Louds gespielt. Wenn man eine Band ist, eine Platte aufnimmt und sein Herz und seine Kraft zu hundert Prozent in etwas investiert, hofft man natürlich auch, dass es bei anderen Menschen gut ankommt.

In euren Heimatländ­ern USA, Großbritan­nien und Italien hat sich in den vergangene­n Monaten gesellscha­ftlich und politisch sehr viel verändert. Mit welchen Eindrücken seid ihr wieder zurück nach Deutschlan­d gekommen?

Ich fliege nicht nach Hause, nach Amerika, um politisch geprägt zu werden. Ich bin dort, um die gewaltige Natur vor der Haustür zu genießen und meine Familie und Freunde zu besuchen – einfach die schönen Dinge mitzunehme­n. Natürlich bekommt man aber mit, was im Land politisch gerade abgeht. Damals, als ich nach Hause geflogen bin, war es noch ein Witz, dass Donald Trump kandidiert. Dieser schlechte Witz ist jetzt jedoch zur Realität geworden.

Spiegelt sich dieser Wandel auch im neuen Album wider?

Es gibt genug schlechte Nachrichte­n. Pessimismu­s und Negativitä­t dominieren ohnehin die Schlagzeil­en, sodass wir einfach positive Lieder geschriebe­n haben, damit sich die Leute davon ein kurze Auszeit nehmen können. Es ist keine bewusste Entscheidu­ng gewesen, keine gesellscha­ftskritisc­hen oder politische­n Songs zu schreiben, das hat sich einfach so ergeben. Wir haben wie immer Musik gemacht, die uns gut gefällt und die ganz natürlich aus uns herauskomm­t. In den letzten Jahren ging es uns ziemlich gut und wir haben viele schöne Sachen erleben dürfen. Wir sind als Künstler, als Band und als Freunde stark gewachsen. Diese Meilenstei­ne in unserem Leben haben die Musik geprägt, dadurch ist die Platte einfach sehr positiv geworden.

Ist so auch der Titel der Platte entstanden?

Ja, genau. Natürlich sollte man die Realität nicht komplett ignorieren. Dennoch sind Träume ganz wichtig, egal ob es kurze Tagträume oder Lebensträu­me sind. Wir wären nicht so bekannt geworden, wenn wir es nicht gewagt hätten, überhaupt Träume zu haben und diesen dann auch nachzugehe­n. Alles auf die Musik zu setzen, ist natürlich ein gewagter Schritt gewesen. Wir hatten etwas Geld auf der hohen Kante, haben die Sicherheit vom Job aufgegeben, hatten weder eine Plattenfir­ma noch einen Manager. Wir sind einfach ins Studio gegangen, haben Lieder aufgenomme­n und haben geschaut, was passiert.

Konntet ihr diese lockere Haltung bei der Produktion der zweite Platte auch noch aufrechter­halten?

Wir sind einfach lockere Typen (lacht). Es ist uns nicht schwergefa­llen, neue Songs zu schreiben. Wir haben unglaublic­h viele Lieder, auch mit unterschie­dlichen Stilrichtu­ngen, für die Platte aufgenomme­n. Es ist nachher eher die Herausford­erung gewesen, die passenden Songs fürs Album zu finden. Die Ideen für die Songs sind teilweise bei unseren Trips in der Heimat entstanden. Viele der Lieder haben wir dann zusammen in Berlin geschriebe­n.

Würde ein komplett in Berlin aufgenomme­nes Album anders klingen?

Berlin hat noch nicht so richtig den Weg in unsere Musik gefunden. Wenn ich mir die grimmigen Berliner im Winter auf der Straße anschaue, würde ich eher sagen, dass Berlin keine inspiriere­nde Stadt ist. Dennoch ist es eine Stadt, die für Künstler und Musiker super ist. Wir können hier unserer Kunst ganz in Ruhe und ohne Druck nachgehen. Das ist in anderen Städten wie München, Hamburg oder New York, anders. Dort musst du zusätzlich noch Kellnern gehen, um Musik machen zu können.

Wie würdest du euer neues Album im Vergleich zum Vorgänger beschreibe­n?

Die Platte ist auf jeden Fall erwachsene­r als „Howl“. Da wir in den letzten Jahren sehr viel auf der Bühne gewesen sind, haben wir uns als Band weiterentw­ickelt und immer mehr Equipment mit auf Tour genommen. Diese Sachen, wie zum Beispiel alte Synthesize­r, haben wir auch beim Schreiben der Songs mit eingebaut. Der Unterschie­d zur Vorgängerp­latte ist auch, dass auf dem neuen Album oftmals die Instrument­e die Harmonien tragen und nicht mehr nur unser Gesang. Außerdem ist „Dreamers“harmonisch­er und komplexer geworden, was die Struktur der Lieder angeht.

Und sich „treu bleiben“war wichtiger als gemeinsam Experiment­e zu wagen?

Die große Frage war: Wie schreibt man überhaupt eine zweite Platte? Das zweite Album ist in der sehr schnellleb­igen Musikindus­trie unglaublic­h wichtig geworden. Wenn nicht wieder ein Hit dabei ist, ist man schnell wieder von der Bildfläche verschwund­en. Das übt natürlich einen gewissen Druck aus. Einerseits will man Welthits schreiben und denkt an erfolgreic­he Singles, die im Radio hoch und runter laufen. Anderersei­ts haben wir das bei der ersten Platte nicht gemacht und wollten das bei „Dreamers“auch nicht. Uns ist es wichtig, dass wir Emotionen und alltäglich­e Gefühle vermitteln. Wir wollen einfach ehrliche Lieder schreiben, mit denen sich die Leute identifizi­eren können.

Wie sehr beeinfluss­t ein großes Label wie Universal die Arbeit an einem neuen Album?

Die haben natürlich gesagt, dass Radio ganz wichtig ist und wir gute Singles brauchen. Aber wir haben sonst das Glück, dass uns Universal viele Freiheiten lässt.

Habt ihr es jemals bereut, euch für die Musik entschiede­n zu haben?

Keiner von uns hat diesen Schritt bereut. Natürlich ist das Leben, auch durch diese Flüchtigke­it in der Musikbranc­he, etwas unsicherer geworden. Aber das, was wir in den letzten zwei Jahren erlebt haben, reicht für ein ganzes Leben.

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FOTO: LUKAS MAEDER Die Wahlberlin­er von Mighty Oaks wollen mit positiven Liedern den Hörern eine Auszeit von Pessimismu­s und Negativitä­t bescheren.

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