Der längste Rücktritt der Fußballgeschichte
Die Frage, ob Arsène Wenger den FC Arsenal verlässt, wird zum Gänseblümchenspiel
(fil/dpa/SID) - Die Befürworter eines „Wexit“, des Endes der Ära von Arsène Wenger beim FC Arsenal, haben sich am Wochenende wieder einmal richtig ins Zeug gelegt, sich sogar richtig in Unkosten gestürzt. Kurz vor dem Anpfiff der Partie bei West Bromwich Albion flog ein Flugzeug über das Stadion, das ein riesiges Transparent hinter sich herzog. „No contract. #Wenger out“(“Kein Vertrag, Wenger muss weg“), stand da in so großen Lettern, dass sie wirklich jeder, den keine ernstere Augenkrankheit plagt, im Stadion und auf dem Feld sehen konnte. Arsenal verlor die Partie 1:3, das nächste ernüchternde Ergebnis für die Gunners, die nach dem blamablen Ausscheiden in der Champions League gegen den FC Bayern München auch in der Premier League immer mehr in Bedrängnis geraten. Mit 50 Punkten liegt Arsenal auf Platz sechs, sechs Zähler beträgt der Rückstand auf das viertplatzierte Liverpool schon. Zum ersten Mal seit ewigen Zeiten droht Arsenal die Champions League zu verspielen. Zum ersten Mal seit 21 Jahren. Zum ersten Mal, seit Wenger im Norden Londons tätig ist.
Kehrtwende in wenigen Stunden
Als Wenger, dieser wohl letzte große Gentlemen des Weltfußballs, nach der Niederlage ein zeitnahes Ende der quälenden Debatten ankündigte – „ich weiß, was ich tun werde, und bald werden es auch alle wissen. Sehr bald“, sagte er genervt über die sich seit Wochen ständig wiederholenden Fragen über seine Zukunft – schien eigentlich klar: Wenger wird aufhören, das vorliegende Zweijahresangebot der Clubführung nicht annehmen, sich im Sommer anderen Dingen widmen. Womöglich wieder heim nach Straßburg ziehen, ein Buch schreiben, vielleicht auch eine Nationalmannschaft übernehmen, wer weiß. „Die Spieler haben zuletzt nicht viel gesagt. Aber sie haben in diesem Spiel klar gesprochen: Sie wollen ihn nicht mehr“, sagte Ex-Nationalspieler Alan Shearer, mittlerweile als Experte fürs TV tätig. Die quälenden Wochen der Ungewissheit schienen zu Ende zu gehen. Schnell präsentierten die üblichen Auguren auch schon die Nachfolgeregelung: Arsenal habe Thomas Tuchel längst eine Anfrage unterbreitet, ob er sich vorstellen könne, von Dortmund nach London überzusiedeln, für den Fall, dass Wenger aufhören solle. Dies meldete Sky nicht nur in England, sondern auch in Deutschland. „Bild“stieß ins selbe Horn, die englischen Tabloids ohnehin.
Am Montag dann aber die Kehrtwende. Erst stellte Arsenal per Mitteilung klar, dass es keine Anfrage an Borussia Dortmund und Tuchel gegeben habe. Dann präzisierte der Clubsprecher live im britischen Sky: „Es wird eine gemeinsame Entscheidung zur richtigen Zeit in der richtigen Weise geben.“Genauso schnell wie am Wochenende die Abgesänge auf Wenger formuliert worden waren, analysierten die Kollegen in England nun: „Fünf Anzeichen, wieso Wenger bei Arsenal bleiben wird“(„Metro“), „Wenger glaubt, die Probleme lösen zu können“(„The Independent“), „Wenger fest entschlossen, bei Arsenal zu bleiben“(„The Guardian“).
Wengers Ende beim FC Arsenal, wann immer das nun sein wird, dürfte der längste Rücktritt der Fußballgeschichte werden. Rausgeschmissen wird er nicht werden, sein Ende kann er selbst bestimmen. Die Clubeigner, denen er Jahr für Jahr durch seine kluge Transferpolitik und die Teilnahme an der Champions League Millionenüberschüsse garantiert hat und auch weiterhin garantiert, werden ihn nicht fallen lassen. Und zur Wahrheit gehört auch: Am Samstag flog nach dem ersten Flugzeug ein weiteres über das Stadion. Wieder mit einem Transparent mit großen Lettern drauf im Schlepptau. Darauf zu lesen: „Wir vertrauen Arsène – Respekt“. Mannschaften ablieferten.
Premier League at its best, eine wirklich herrliche und mitreißende Partie, auch, weil sie beiden Trainern vollkommen entglitten war. Vor allem für Ordnungsfanatiker Guardiola muss dieses hin- und herwogende Duell um Platz drei (City behält durch das Remis einen Punkt Vorsprung auf die viertplatzierten Liverpooler) ein Alptraum gewesen sein. Oder doch nicht? „Sie werden es nicht glauben können“, begann er seine Analyse jedoch, „dieser Tag ist einer der speziellsten in meinem Leben, einer der glücklichsten in meiner Trainerkarriere. Wir waren so, so traurig nach dem Aus in der Champions League. Das ist der Grund, warum ich nun so stolz bin.“Auch Klopp, der am Sonntag erst noch breitbeiniger und exaltierter als sonst coachte und irgendwann nicht mehr hinsehen konnte, wirkte am Ende ziemlich geschafft, war aber doch auch zufrieden: „So musst du gegen ein Spitzenteam spielen. Wir hätten das Spiel gewinnen, aber auch verlieren können“, sagte er. (fil)