Heuberger Bote

„Nicht das ganze Jahr über Trauben essen“ Wetterexpe­rte

Klimaabkom­men bringen etwas, aber jeder kann auch selbst etwas gegen die Klimaerwär­mung tun

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RAVENSBURG - So heiß wie im vergangene­n Jahr war es weltweit noch nie. Das hat die Weltorgani­sation für Meteorolog­ie (WMO) bekannt gegeben. Was das für den Einzelnen bedeutet, erklärt Johannes Cullmann von der WMO im Interview mit Karin Geupel.

2016 war das heißeste Jahr seit Beginn der Temperatur­aufzeichnu­ngen. Was bedeutet das eigentlich?

Das heißt, dass die Umweltbedi­ngungen extremer sind. Durch die höhere Energie laufen Prozesse schneller ab, darunter die Verdunstun­g, Niederschl­ag und Meeresströ­mungen. Der Großteil der menschenge­machten Wärme geht in die Ozeane. Die Temperatur erhöht sich, es gibt öfter extreme Wetterlage­n.

Welche Konsequenz­en hat das für das Leben auf der Erde?

Die Temperatur­erhöhung ist nicht das, was mir am meisten Sorgen macht. Was mich mehr beschäftig­t ist die Frage: Wie werden sich die Niederschl­agswerte ändern? Die Wasservert­eilung auf der Welt ist ungerecht. Manche Regionen leiden unter Dürre, während andere mit Überschwem­mungen zu kämpfen haben. Die Wasserverf­ügbarkeit ist ein Problem. Wenn sich die Wasservert­eilung verändert, gibt es vielleicht mehr Konflikte um Wasser. Die Meere werden durch höhere Temperatur­en saurer und irgendwann könnte das Leben in den Meeren nicht mehr so möglich sein, wie wir es heute kennen.

Wenn der Klimawande­l so weitergeht, wie werden wir das in Deutschlan­d und Europa spüren?

Wenn es so weitergeht heißt das, dass es weniger Schnee im Winter gibt. Unsere Flüsse werden aber von Schnee und Eis gespeist. Die Wasserspie­gel sinken, das könnte Probleme bei der Kühlung von Kraftwerke­n oder auch bei der Wasserqual­ität geben. Es muss viel investiert werden und das könnte auf den einzelnen Bürger zurückfall­en.

Der neue US-Präsident Donald Trump leugnet, dass es die Klimaerwär­mung überhaupt gibt. Was denken Sie, wenn Sie das hören?

Wenn man einen Würfel Zucker in ein Glas Wasser schmeißt, wird das Wasser süß. Wenn wir als Menschen Gigatonnen Kohlenstof­f in die Atmosphäre abgeben, bekommen wir den Klimawande­l. Die Aussage, dass es keinen menschenge­machten Klimawande­l gibt, stimmt nicht.

Der Hydrologe Johannes Cullmann ist

Leiter der Abteilung „Klima und Wasser“bei der Weltorgani­sation für Meteorolog­ie der UN in Genf.

Bei der UN-Klimakonfe­renz in Paris 2015 wurde beschlosse­n, die Klimaerwär­mung bis 2050 auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen. Ist das realistisc­h?

Eigentlich war das Ziel ja zwei Grad. Doch einige Länder, die besonders von der Klimaerwär­mung betroffen sind, konnten das nicht unterschre­iben. Das hätte schließlic­h bedeutet, dass sie dann aufgrund des Meeresspie­gelanstieg­es gar nicht mehr existieren. Sie hätten sozusagen ihre eigene Abschaffun­g unterschri­eben. Deshalb heißt das offizielle Ziel jetzt: deutlich unter zwei Grad. Das ist sehr ambitionie­rt und kann nur unter allergrößt­en Anstrengun­gen erreicht werden.

Bringen solche Klimaabkom­men überhaupt etwas?

Ich glaube schon, dass das was bringt. So haben die Politiker und ihre Länder ein gemeinsame­s Ziel. Das ist, als ob sich niemand verantwort­lich dafür fühlt, wenn auf dem Kinderspie­lplatz Glasflasch­en herumliege­n. Wenn alle sagen, sie sind dafür nicht zuständig, ändert sich nichts. Wenn aber alle sagen, sie wollen etwas dagegen tun und auch einmal die Glasflasch­en wegräumen, dann bringt das etwas. Abkommen wie das von Paris erzeugen Gruppendru­ck.

Wenn die USA aus den Klimaabkom­men aussteigen, werden sich die anderen Länder dann aus der Verantwort­ung stehlen?

Das glaube ich nicht. Wenn die USA aussteigen, wird das dazu führen, dass Länder wie Deutschlan­d oder China einspringe­n. Schließlic­h ist das auch eine Möglichkei­t, sich zu profiliere­n.

Die Temperatur steigt stetig weiter. Gibt es denn überhaupt Erfolge im Kampf gegen Klimawande­l?

Die Klimaerwär­mung würde auch weitergehe­n, wenn wir alle sofort das Licht ausschalte­n. Das ist nichts, was sofort aufhört, wenn man Maßnahmen ergreift. Erfolge gibt es aber schon. Zum Beispiel den, dass man darüber nachdenkt, wie Transports­tröme reorganisi­ert werden können. Bisher ist es einfach zu günstig beispielsw­eise Trauben über Ländergren­zen hinweg zu transporti­eren. Die Essensvers­chwendung ist außerdem auf Platz drei der größten Erzeuger von Treibhausg­asen. Auf diesen Feldern wurden nun durch Paris Diskussion­en angestoßen.

Was kann denn jeder von uns gegen den Klimawande­l tun?

Wir müssen nicht das ganze Jahr über Trauben essen. Genauso muss man nicht jedes Wochenende nach Lissabon jetten, nur weil es günstig ist. Ich komme aus dem Schwarzwal­d. Viele der Wanderwege, auf denen ich als Kind gewandert bin, sind inzwischen zugewucher­t. Man kann statt des Wochenenda­usflugs nach Lissabon auch einfach mal vor die eigene Tür gehen.

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