Mehr als 100 Todesopfer bei Kämpfen in Mossul
In der zweitgrößten Stadt des Irak ist die Lage der Zivilbevölkerung schlecht – Ganze Stadtviertel und die Infrastruktur sind zerstört
- Bei einer Explosion während der Offensive gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) im Westen der nordirakischen Großstadt Mossul sind mehr als hundert Zivilisten getötet worden. Ein irakischer General erklärte am Donnerstag, unter Gebäudetrümmern im Viertel al-Dschadida seien 108 Leichen geborgen worden, darunter Frauen und Kinder. Ein Aktivist mit dem Decknamen „Mosul Eye“meldete 130 Tote.
Mossul wurde im Sommer 2014 von den Dschihadisten des IS überrannt. Mitte Oktober vergangenen Jahres begann die Offensive zur Befreiung der Stadt. Der Osten Mossuls gilt seit Mitte Januar befreit, im Westteil liefern sich irakische Armee-Einheiten, Spezialkräfte und Bundespolizisten erbitterte Gefechte mit den verbliebenen IS-Milizionären. Sie haben bereits zahlreiche Viertel zurückerobert und stehen jetzt in Sichtweite des schiefen Minaretts der Al-Nuri-Moschee, in der IS-Führer al-Bagdadi 2014 das Kalifat ausrief.
Für die Einwohner entwickelt sich die Schlacht um Mossul zu einer Katastrophe. Zehntausende haben sich in den vergangenen Wochen aus der Stadt retten können, bis zu 600 000 sollen aber noch im Kampfgebiet ausharren. Videos von kurdischen und westlichen Journalisten und die Drohnenaufnahmen des IS zeigen verwüstete Straßenzüge, zerschossene Häuser, Bombenkrater. Die Bilder ähneln denen aus dem syrischen Aleppo, die im vergangenen Jahr die Welt aufrüttelten.
Laut „IraqBodyCount“sind in Mossul seit Anfang November mehr als 1200 Personen durch die Luftschläge der US-geführten Koalition und der irakischen Luftwaffe gestorben. Mehr als 2600 Menschen kamen durch Granatfeuer, Raketenbeschuss, Scharfschützen, Bombenexplosionen und Exekutionen ums Leben, etliche sind bereits verhungert.
Durch den Blogger „Mosul Eye“erhielt die Welt Einblicke in das Leben in der besetzten Stadt, über die Morde des IS, über die Unterdrückung der Bevölkerung, die Vertreibung von Minderheiten und die Zerstörung von Kulturgütern. Im Dezember verließ der Blogger die Stadt. In einem Gespräch über den Facebook-Messenger berichtete er jetzt von den gravierenden Problemen für die Bevölkerung: „Ich habe gestern mit meiner Familie gesprochen. Sie haben nichts mehr zu essen, kein Wasser, keinen Strom. Und meine Familie ist keine Ausnahme.“Die Zerstörungen durch die Kämpfe und die Luftangriffe seien immens. „Häuser, Regierungsgebäude, die Universität, einige Krankenhäuser, ganze Stadtviertel sind zerstört, alles, was eine gute Stadt ausmacht, ist zerstört.“
Die verbliebenen IS-Kämpfer nutzen die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde, errichten ihre Stellungen in Wohngebäuden und in Krankenhäusern, ähnlich, wie es die Rebellen in Aleppo getan haben. Laut dem Blogger sind noch etwa 1800 ISMilizionäre in der Stadt. „Die meisten von ihnen sind Teenager, unter ihnen sind nur noch wenige Ausländer.“
Für die Zukunft seiner Stadt sieht der Blogger schwarz. „Die Regierung hat keinen wirklichen Plan für die Zukunft Mossuls.“
Warum die Welt, anders als bei den Kämpfen um Aleppo, kaum Anteil am Schicksal der Menschen in Mossul nimmt? „Dort kämpfen keine Russen, das könnte eine gute Erklärung sein“, meint der Blogger im Gespräch.
Der Essener Journalist Jan Jessen hat vor wenigen Wochen den Osten Mossuls besucht.