Für eine Million Jahre unter die Erde
Deutschland muss einen Ort bestimmen, an dem hoch radioaktiver Atommüll eine Million Jahre lang so sicher wie möglich lagern kann. Die lange Auseinandersetzung um den niedersächsischen Salzstock Gorleben zeigt, was das bedeuten kann. Jetzt soll alles anders werden: wissenschaftlich, transparent, ergebnisoffen. Die Regeln für die Suche beschloss der Bundestag am Donnerstag mit großer Mehrheit – doch es gibt auch Kritik.
Für die Endlagerung von Atommüll kommt – zumindest theoretisch – nach der Entscheidung vom Donnerstag grundsätzlich jeder Ort infrage. Wissenschaftler der neuen Bundes-Gesellschaft für Endlagerung sortieren dann anhand vorliegender Daten für die Lagerung ungeeignete Regionen aus – etwa, weil Erdbebengefahr besteht.
Im nächsten Schritt werden Gebiete ausgewählt, die bestimmten Mindestanforderungen entsprechen. Anhand weiterer Kriterien wie der Nähe zu Wohngebieten werden dann theoretisch geeignete Standorte bestimmt. Es folgt eine übertägige, dann eine untertägige Erkundung. 2031 soll der beste Standort gefunden sein, einen exakten Zeitplan gibt es nicht. Gelagert werden soll der Atommüll in einem tiefen Bergwerk. Als geologische Formationen eignen sich Salz, Ton und kristallines Gestein wie Granit. Solche Gebiete gibt es einige in Deutschland.
Über den tatsächlichen Standort entscheiden letztlich Bundestag und Bundesrat anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse – die kommunale Planungshoheit wird dafür ausgehebelt. Allerdings sollen Bürger über den gesamten Prozess mitreden können und stets wissen, was vor sich geht. Ein Endlager könnte dann Mitte des Jahrhunderts fertig sein. Viele Experten halten den Zeitplan aber für zu knapp.
Ein weiteres Kriterium ist dabei, dass der Atommüll 500 Jahre lang „rückholbar“sein soll, falls es doch noch Probleme gibt oder die Wissenschaft ganz neue Erkenntnisse bringt. Hintergrund sind Erfahrungen mit dem ehemaligen Salzbergwerk Asse, wo schwach- und mittelradioaktive Abfälle lagern. In das Bergwerk drang Grundwasser ein – deswegen sollen die 125 000 Fässer mit Atommüll nun wieder herausgeholt werden.
Kretschmann wirbt für die Suche
Die Grünen haben angekündigt, dass Gesetz mitzutragen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat eindringlich für eine ergebnisoffene und transparente Suche geworben. Dies sei nun nicht mehr Sache einzelner möglicherweise betroffener Bundesländer, sondern „eine nationale Aufgabe“, betonte Kretschmann am Donnerstag bei der Debatte im Bundestag. Kretschmann betonte: „Entscheidend ist die Geologie und nicht die politische Geografie.“Er selbst habe als grüner Regierungschef dem Suchverfahren zugestimmt, um „vom SanktFlorians-Prinzip zum Prinzip Verantwortung zu kommen“.
An der Ausarbeitung des Entwurfs waren alle Bundestagsfraktionen beteiligt. Die Linke ist damit nicht zufrieden, sie will das Ergebnis so nicht mittragen. Unter anderem bemängelt sie „Schlupflöcher“im Exportverbot für hoch radioaktiven Atommüll. Außerdem sollte Gorleben ihrer Meinung nach nicht mehr im Rennen sein.
Über keinen anderen potenziellen Standort weiß man so viel wie über das Erkundungsbergwerk – daher fürchten manche, dass es sowieso wieder auf Gorleben hinausläuft. Lange hat eine sogenannte Veränderungssperre verhindert, dass im Salzstock gebohrt wird, damit er nicht unbrauchbar wird. Diese Sperre läuft Ende März aus – auch deswegen soll der Bundesrat dem Gesetz jetzt schnell zustimmen. (dpa)