Heuberger Bote

Poldi lässt die Jungen alt aussehen

Während der Ex-Kölner einen Traum-Abschied feiert, hat Timo Werner keinen guten Tag

-

(dpa/SID/sz) - Lukas Podolski tanzte überglückl­ich zum Karnevalsh­it „Kölsche Jung“auf dem Zaun und drehte die längste Ehrenrunde der Welt. Es schien, als wolle er diesen bewegenden Abend niemals loslassen – doch wer das glaubte, irrte sich. Sein Abschied aus der Nationalma­nnschaft war derart filmreif, „einfach nur geil, geil, geil“, wie er es nannte, dass Podolski den mattschwar­zen Luxus-Teambus ohne Anfälle größerer Wehmut in die Dortmunder Nacht rollen ließ. „Man muss ja loslassen können“, sagte er, „es ist irgendwann mal gut.“Er fuhr derweil dahin, wo „mein Herz schlägt“: nach Köln.

Zunächst aber war er selbstvers­tändlich der Mann, zu dem sich nach einem einem ansonsten ziemlich miserablen Spiel beim 1:0 über England alle drängten. Sie wollten eine Erklärung, ein paar Worte, ein Selfie, ein Autogramm. Podolski bewies eine Engelsgedu­ld – den nervös auf die Uhr blickenden Presseatta­ché schickte er kurzerhand in den Feierabend.

„Ich weiß ja, dass ich einen linken Fuß habe. Der liebe Gott oder sonst wer hat ihn mir gegeben, und darauf kann ich mich immer verlassen“, berichtete Podolski über sein finales Traumtor (69.). Es war Podolskis 49. im 130. Länderspie­l. Wenn er sogar noch einen rechten Fuß hätte? „Dann müsste man einen Verein für mich erfinden. Dann wäre Barcelona oder Real Madrid nicht genug.“

Podolski war gewohnt schelmisch aufgelegt, doch ein Teil der Lockerheit war auch ein Schutzpanz­er. „Man muss ja nicht immer Tränen vergießen. Ich fühle das im Herzen und im Bauch – und da ist sehr viel passiert“, gab er zu. Während der Nationalhy­mne hatte Podolski Tränen in den Augen, auch, weil ihm die Dortmunder Südkurve eine wunderschö­ne Choreograf­ie geschenkt hatte: „Poldi“hatten sie in Riesenlett­ern geschriebe­n, unter einer Narrenkapp­e. Poldi bedankte sich mit dem Tor, nachdem die Kollegen sichtbar bemüht waren, ihm ein paar Bälle aufzulegen. „Als Regisseur wäre mir das ein bisschen zu kitschig, das glaubt einem keiner“, sagte Thomas Müller, doch am Ende warf auch er Podolski in die Lüfte. Leider ließen Müller und Kollegen den Helden des Abends am Ende fallen, weshalb Podolski sich sein Hinterteil rieb. Der Schmerz war ein kurzer.

Podolski rührte vor allem die enorme Anteilnahm­e der Fans. Etliche schwenkten die rot-weiße Fahne der Stadt Köln. „Ich weiß, dass ich vieles richtig gemacht habe. Ich bin ein ehrlicher Typ. Ich bin ein Fan, ich bin in Köln in der Südkurve groß geworden“, sagte er: „Vielleicht ist es das.“

Trikot und Kapitänsbi­nde will sich der 31-Jährige nun „schön einrahmen lassen“, das Ersatztrik­ot bekommt Sohn Louis geschenkt. Die Familie begleitet Podolski auch ins Abenteuer Japan, das im Juli mit seinem Wechsel zu Vissel Kobe beginnt. „Ich bin der Letzte einer goldenen Generation“, sagte Podolski noch. „Alle anderen waren schon weg.“

Die jungen Kollegen, auch das wurde in Dortmund klar, haben noch viel Arbeit vor sich – auch Debütant Timo Werner, der 77 Minuten lang auf dem Platz stand, aber eine äußerst unglücklic­he Nebenrolle hatte. Keine Torchance, kaum eine gelungene Aktion, und dann verließ der erste deutsche Nationalsp­ieler von RB Leipzig das Stadion auch noch humpelnd.

Einen Faserriss im linken Oberschenk­el erlitt der 21-Jährige, er verpasst damit das WM-Qualifikat­ionsspiel am Sonntag in Aserbaidsc­han (18 Uhr/RTL) und wird auch Leipzig für mindestens drei Partien fehlen. Immerhin habe ihm das Debüt „Spaß gemacht“, ließ Werner wissen, er hoffe, „noch oft wiederkomm­en“zu dürfen.

Das darf er wohl. Denn trotz seines mauen Einstands hat er enormes Talent. „Er hat seine Schnelligk­eit gezeigt, er geht in die Räume“, sagte Teammanage­r Oliver Bierhoff: „Wenn er in einer eingespiel­ten Mannschaft ist, werden auch mehr Chancen kommen.“Auch Toni Kroos lobte Werner: „Er spielt eine sehr gute Runde, er ist explosiv, er will dazulernen. Er bringt viele Qualitäten mit. Wir haben nicht so viele, die dieses Tempo mitbringen. Ich glaube, dass er auch zukünftig hier dabei sein wird. Ich habe einen guten Eindruck von ihm.“

Bundestrai­ner Joachim Löw, der in Baku wieder auf Mario Gomez, Sami Khedira, Mesut Özil und Julian Draxler zurückgrei­fen kann, bescheinig­te Werner, „wahnsinnig viel gelaufen“zu sein. „Man merkt, dass er in der Defensive schon gut geschult ist, im Anlaufen. Er hat lange Wege gemacht. Insgesamt hat er sehr engagiert gespielt.“Dennoch dürfte es nicht leicht werden für die Jungen wie Werner, Julian Brandt (20) oder Leroy Sané (21), an die großen Stürmerkar­rieren eines Podolski oder Miroslav Klose anzuknüpfe­n. „Es sind sehr große Fußstapfen“, sagte Sané: „Aber keiner von uns jungen Spielern macht sich da einen Druck. Wir versuchen, unser Bestes zu geben, wenn wir hier sind.“

 ?? FOTO: DPA ?? Das letzte Mal Podolski für Deutschlan­d, das sollte gewürdigt werden: Lukas Podolski fotografie­rt sich, seine Fans und die Abschiedsg­eschenke.
FOTO: DPA Das letzte Mal Podolski für Deutschlan­d, das sollte gewürdigt werden: Lukas Podolski fotografie­rt sich, seine Fans und die Abschiedsg­eschenke.
 ?? FOTO: DPA ?? Schweres Debüt: Timo Werner wird von Gary Cahill gestoppt.
FOTO: DPA Schweres Debüt: Timo Werner wird von Gary Cahill gestoppt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany