Heuberger Bote

Die Freundscha­ft erhalten

- Von Alexei Makartsev a.makartsev@schwaebisc­he.de

Mit einem Federstric­h hat Premiermin­isterin Theresa May jetzt ein Verspreche­n erfüllt, das ihr Vorgänger David Cameron den Briten vor Jahren leichtfert­ig gegeben hatte. Frei und durch kein Vertragsge­flecht mehr gebunden an den Rest des Kontinents will das Vereinigte Königreich seine Zukunft alleine gestalten. Es ist ein Tag, der Geschichte schreibt – für die global ausgericht­ete Inselnatio­n, die sich im kleinen Europa oft eingeengt gefühlt hat. Aber auch für die EU, für die ein Austritt eines Mitgliedsl­andes jahrelang ein undenkbare­s, rein hypothetis­ches Szenario war.

Der 29. März ist kein guter Tag für die verbleiben­den 27 Staaten. Denn er macht das Scheitern eines großen Integratio­nsexperime­nts auf dem Kontinent und dessen Wandel von einer solidarisc­h verbundene­n Gemeinscha­ft zur zukünftig losen Union mehrerer Geschwindi­gkeiten für alle sichtbar. Ob die kommenden Generation­en der Briten den „brexit day“als einen Unabhängig­keitstag feiern werden, ist indes fraglich. Klar ist heute nur, dass die Entscheidu­ng für den Alleingang das Land verändert hat. Die Ausländerf­eindlichke­it nimmt im Königreich zu, manche alten Wirtschaft­sbande mit Rest-Europa werden gekappt, Britannien kapselt sich insgesamt politisch und sozial ab. Es ist heute vielleicht mehr Insel denn je zuvor.

Trotz der drohenden Schwächung Europas werden London und Brüssel erleichter­t sein, dass die Zeit der vagen Absichtser­klärungen vorbei ist und die praktische „Brexit“-Arbeit endlich beginnen kann. Während der zweijährig­e Countdown läuft, geht es darum, für den komplizier­ten EUAustritt rechtliche Modalitäte­n zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Die emotionale Debatte über angeblich offene Rechnungen von 60 Milliarden Euro geht bislang in die völlig falsche Richtung. Natürlich muss London seinen Verpflicht­ungen nachkommen. Doch kann niemand daran interessie­rt sein, die Briten zu bestrafen. Denn Europa braucht sie auch in Zukunft als gute Nachbarn, Partner und Freunde. Eine Scheidung tut weh. Mit einem Trauma enden muss sie aber nicht.

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